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Was ist los mit der Hafencity?

Alf Furkert ist Präsident der Architektenkammer Sachsen. Lesen Sie im zweiten Teil unseres Interviews, wie es um die Hafencity steht und worauf Architekten bei Neubauten achten müssen. Furkert erzählt wie es mit Dresdens Wohnungsmarkt weiter geht und erklärt, welche Immobilien wertstabil sind.

 

Als Sorgenkind gilt bekanntlich die geplante Bebauung des Neustädter Hafens. Welche Idee wird mit dem Projekt Hafencity verfolgt?

Furkert: Zunächst ist der Grund für das Projekt ja ein sehr schöner, dass Dresden ein Bevölkerungswachstum verzeichnet und die Stadt verdichtet werden soll. Die Hafencity steht als Schlagwort für das gesamte Areal zwischen der Neustadt und Pieschen und bildet das Verbindungsstück zur Innenstadt. Dieses Gebiet bietet viel Potenzial. Auch nördlich der Leipziger Straße sind gewaltige Bauflächen möglich, die einer Entwicklung harren.

 

Aber worin liegt das Problem?

Furkert: Bei der Hafencity bedauern viele, dass die Grundstücke sehr gebündelt verkauft worden sind. Das verhindert eine städtische Vielfalt, die oft über eine breitere Eigentümerstruktur realisiert wird. Es geht immerhin um ein ziemlich langes Stück der „Wasserkante“ in Dresden, also eine besondere städtebauliche Situation. Aus Emissionsschutzgründen hat der Nachfolger des Arzneimittelwerkes, ein Nachbar der Hafencity, einem Teil rechtlich einen Riegel vorgeschoben. Sicherlich besteht seitens dieses Eigentümers die Sorge, in der Produktion beeinträchtig zu werden. GlaxoSmithKline, das ehemalige Serumwerk hat es jedoch auf der anderen Elbseite gezeigt. Man hat investiert und kann auch im Wohnumfeld gut produzieren. Es sollte daher auch etwas auf der Leipziger Straße möglich sein.

 

Das Problem wird auf das Hochwasser geschoben. Welche Rolle spielt der Aspekt?

Furkert: Das Thema ist in Dresden nicht zu vernachlässigen, da gab es genug leidvolle Erfahrungen. Dresden lebt von seinen Elbauen als Hochwasserschutz und als Erholungsraum. Das ist eine besondere Situation unter europäischen Städten mit großen Flüssen. Mit einem Städtebau, der auf beide Aspekte reagiert, sollte eine neue Qualität am Elbufer zwischen der Neustadt und Pieschen zu erreichen sein. Dann entstehen auch keine unklaren Situationen für Investoren und Planer.

 

Welche innovativen Bauvorhaben sind in Dresden in Planung?

Furkert: Da ist z. B. ein technisches Rathaus am Ferdinandplatz gegenüber dem Neuen Rathaus immer mal wieder in den Überlegungen. Ein anderes Thema, das uns beschäftigt, ist das ehemalige Robotrongelände in der Lingnerstadt. Dort wurde eine große Fläche von einem Investor erworben und es gibt Planungen zu umfänglichem Wohnungsbau. Solche Projekte leben aber eher von der Vielfalt bei parzellenbezogenen Bauten. Da hilft es nur wenig, wenn auf einer riesigen Tiefgarage einzelne Häuser angedeutet werden. Es gibt auch Vorschläge von Dresdner Bauträgern, zwei der früher recht kleinen Parzellen zusammen zu legen und so eine neue, kleinteiligere Grundstücksstruktur zu schaffen. Ein anderes Beispiel, was sich leider nicht durchsetzen konnte, ist ein Konzerthaus für die Philharmonie. Das bedauere ich sehr.

 

Wie weit müssen Architekten bei neuen Bauvorhaben auf Energieeffizienz achten?

Furkert: Das ist schon ein großes Thema. Aber wir spüren, dass das Bauwesen offenbar als Musterknabe für die Energieeinsparung und die Emissionsminderung herhalten soll. Das Bauen wird mit zusätzlichen Investitionen für technische Ausrüstungen und mit entsprechenden Folgekosten für die Bewohner belastet. Es entstehen neue Probleme durch die hohe Dichtigkeit der Gebäude. Viele Fragen, z. B. bei der Entsorgung von Wärmedämmung, sind ungeklärt und es gibt eine starke kritische Tendenz bei der Bewertung der Energieeinsparverordnung. Wir als Architekten müssen teilweise mit dem Bauvorhaben Klimmzüge und Kopfstände machen, um die Vorgaben einhalten zu können. Im Verhältnis zu großen Nationen wie China ist der Anteil an CO2-Emissionen bei neuen Bauvorhaben verglichen z. B. mit neu gebauten Kohlekraftwerken marginal. Ob die Energieeinsparpolitik den richtigen Weg geht oder in eine Sackgasse führt, wird man sehen. 

 

Welchen Einfluss hat das Thema Gebäudesicherheit und Einbruchschutz auf Bauvorhaben?

Furkert: Gebäudesicherheit wird in der Öffentlichkeit nicht so groß diskutiert, aber durchaus realisiert. Bei der Planung setzt man gern auf passiven Schutz wie einbruchhemmende Fenster und Türen, Rollläden und Gitter. Technik wie Beleuchtung, Bewegungsmelder und Überwachungskameras können das ergänzen, erfordern aber einen gewissen Betreuungsaufwand. 

 

Was ist Ihre Prognose für den Dresdner Wohnungsmarkt?

Furkert: Da ist schon noch genug Luft nach oben, aber eines Tages wird der Wohnungsmarkt in Dresden eine gewisse Sättigung haben. Die Zunahme der Bevölkerung steigt nicht in den Himmel. Die Objekte, die jetzt überwiegend an der oberen Preisgrenze realisiert werden, entlasten den Markt insgesamt. Es erfolgt eine Art „Durchrücken“ der Wohnungen. Ein Abnehmen des Baubooms sehe ich kurzfristig nicht, auch wenn große städtische Projekte wie das Kraftwerk Mitte und der Kulturpalast, bald keine Baustellen mehr sein werden.

 

Welcher Immobilientyp hat eine hohe Wertstabilität?

Furkert: Wichtig sind eine solide Bauweise und ebenso eine gute Raumstruktur, die eine gewisse Flexibilität der Nutzung zulässt. Es ist die hohe Funktionalität einer Immobilie, die eine Nachhaltigkeit der Investition und somit eine gewisse Wertstabilität schafft. Die gründerzeitlichen Wohnhäuser in der Neustadt, in Striesen, Plauen oder Löbtau lassen beispielsweise eine lange Nutzung zu. Dass sie nach ihrer teilweise 120-jährigen Standzeit immer noch unseren Lebensbedürfnissen entsprechen bzw. dahingehend gut zu sanieren sind, finde ich immer wieder beeindruckend.

 

Wie gut sind die sächsischen Architekten?

Furkert: Die sächsischen Architekten sind oft überregional tätig und haben sich in der nationalen Szene etabliert. Sie belegen in bundes- und europaweiten Wettbewerben nicht selten vordere Plätze. Eines dieser Architekturbüros ist CODE UNIQUE aus Dresden, welches sich mit Bauten wie dem Neubau der Architekturfakultät der Hafencity Universität in Hamburg und mit zahlreichen Wettbewerbsgewinnen bundesweit einen Namen machte. Ein anderes führendes sächsisches Architekturbüro ist Schulz & Schulz aus Leipzig, die u. a. für das Wolkenlabor und viele Bauten bundesweit verantwortlich zeichnen.

 

Was macht einen erfolgreichen Architekten aus?

Furkert: Ein erfolgreicher Architekt ist derjenige, der es schafft, einen hohen architektonischen Anspruch zu realisieren, der aber gleichzeitig mit seinem Gebäude eine über den individuellen Entwurf hinaus gehende Bedeutung seines Vorhabens erzielt. Er muss den Spagat zwischen optimaler Erfüllung der konkreten Bauaufgabe und städtebaulicher Wirkung seines Bauvorhabens zu meistern wissen. Ein Gebäude schaffen, das sich nicht nur selbst genügt.

 

Sie sind freier Architekt. Welche Projekte stehen als nächstes an?

Furkert: Mit Stephan Hänel arbeite ich über zehn Jahren in einer Partnerschaftsgesellschaft. Wir sind seit 25 Jahren selbstständig. In der Zeit haben wir viele Gebäuden realisiert: Hochschulgebäude, Wohnungen und Pferdeställe. Aktuell beschäftigen wir uns u. a. mit dem Beyer-Bau an der TU Dresden. Das ist ein anspruchsvolles Sanierungsvorhaben und ein Bau mit fast schlossartigen Dimensionen. Wir haben auch das Einkaufszentrum mit dem Hochhaus am Albertplatz fertig gestellt.