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Das Amt weitet den Blick

Alf Furkert ist freier Architekt, leitet seit über zehn Jahren mit Partner Stephan Hänel ein Architekturbüro in Dresden. Zu ihren Projekten gehören das sanierte Hochhaus und der Neubau des Einkaufszentrums am Albertplatz Dresden, Kindergärten, Schulen und Wohnhäuser in ganz Sachsen. Furkert wurde erst in den Vorstand der Architektenkammer Sachsen gewählt, dann zum Vizepräsidenten. Seit 2009 ist er deren Präsident.

 

Welche Aufgaben haben Sie als Präsident der Architektenkammer?

Die Architektenkammer ist die Berufsstandsvertretung und Selbstverwaltung für ca. 3.000 Architekten, Innen- und Landschaftsarchitekten sowie Stadtplaner in Sachsen. Neben der Förderung des Bauwesens und der beruflichen Belange der Kammermitglieder gehören der Titelschutz und die Überwachung der Berufspflichten wie Fortbildungs- und Versicherungspflicht zu den Hauptaufgaben. Diese Regularien schützen auch den Bauherren und gewährleisten die fachlichen Qualitäten. Die Mitglieder der Organe und Ausschüsse der Architektenkammer sind ehrenamtlich tätig und per Wahl legitimiert. Als Präsident vertrete ich diese in vielerlei Belangen und arbeite auch mit den anderen deutschen Länderkammern, der Bundesarchitektenkammer in Berlin und deren Vertretung in Brüssel zusammen.

 

Da haben Sie viel zu tun im Moment. Und auch der Immobilienmarkt boomt. Haben die Architekten Hochkonjunktur?

Ja, es wird viel gebaut. Alle haben viel zu tun. Besonders bemerkt man das, wenn man versucht, passende Angebote von Handwerkern zu bekommen. Es boomt im Moment, und es ist so, dass viele gern ihr Geld in Immobilien aus Gründen anlegen, die nicht mit dem Bauen zu tun haben, sondern mangels anderer Ertragssicherheiten. Da wird man sehen, wie nachhaltig das ist, aber ich hätte hier gegenwärtig noch keine Angst vor einer Blase, da es eine große Nachfrage nach Wohnungen gibt. Die Preise für Einzelgrundstücke oder Einfamilienhäuser sind in den letzten Jahren explodiert. Es wird für Familien, die sich ansiedeln wollen, schwieriger. Ich kenne selbst viele Bauwillige, bei denen es oft am Grundstück scheitert.

 

Das war nicht immer so...

Stimmt. Die Branche wurde in den letzten Jahren nicht unbedingt verwöhnt. Es ging in der Vergangenheit immer auf und ab. Richtig gut lief es Anfang bis Mitte der neunziger Jahre.

 

Da war Dresden voller Kräne.

Weil man damals viele öffentliche Bauvorhaben wie Verwaltungsgebäude, Ministerien, Hochschulen und die Synagoge realisiert hat. Und auch der Aufbau der Frauenkirche hat lange das Stadtbild geprägt.

 

Und heute sind Kindergärten- und Schulneubauten gefragt?

Ja, aber nicht nur. Der Wohnungsbau hat enorm zugelegt. Eine aktuelle Tendenz ist, dass viele neue Wohnungen im Zentrum entstehen wie am Postplatz. Das ist durchaus nicht unumstritten. Ein Stadtzentrum braucht auch immer Gewerbeflächen zur Firmen- oder Büroansiedlung.

 

Ist der Boom im Wohnungsbau nicht positiv für Ihre Branche?

Die Entwicklung ist grundsätzlich zu begrüßen. Nicht der Tourismus allein belebt eine Stadt. Eine Stadt lebt von den Menschen, die in ihr wohnen. Trotzdem sollten wir nicht das gesamte Zentrum in 1A-Lage mit Wohnungen zubauen. Irgendwann fehlt Fläche für anspruchsvolle Gewerbeunterbringungen und für Firmen, die ihren Sitz jetzt schon hier haben, sich erweitern und Arbeitsplätze in Größenordnungen schaffen wollen. Die Stadtplanung muss beides ermöglichen.

 

Gibt es denn noch genug Potenzial?

Trotz der großen Wohnsiedlungen haben wir noch genügend freie Flächen. Wenn man sich den Schwarzplan anschaut, hat Dresden noch viele Weißanteile, verglichen mit dem Zustand vor dem Zweiten Weltkrieg.

 

Liegt das auch an den Eingemeindungen und der damit verbundenen Vergrößerung der Fläche?

Die zahlreichen Eingemeindungen haben die absolute Einwohnerzahl gesteigert, die Einwohnerdichte bleibt jedoch gering.

 

Also noch genug Platz für Grünflächen?

Gerade Wald- und Grüngebiete machen eine Stadt lebenswert. Es gibt Wohnviertel, die eine hohe Wohndichte haben wie Striesen, Löbtau und Plauen, wo wir aber durch die offene Gründerzeitbebauung immer noch genug freie Grünflächen haben. Das ist eine Besonderheit, die Dresden auszeichnet. Dazu die großzügigen Elbauen, die nicht nur eine Belüftung mit sich bringen, sondern auch genug Freiraum für Erholungszwecke.

 

Obwohl man als Fußgänger nicht sehr entspannt an der Elbe spazieren kann.


Der Elbradweg wird sehr stark in Anspruch genommen und als Fußgänger, aber auch als Radfahrer, merkt man, wie hoch der Druck auf die freien Flächen ist. Den Elbradweg deutlich breiter zumachen, halte ich für einen notwendigen und berechtigten Eingriff, auch wenn die Elbwiesen geschützt sind. Von daher sind wir gut beraten,wenn wir den Weg der freien Flächen weiter großzügig gehen, trotzdem aber die notwendige Bebauungsdichte gewährleisten.

 

Leipzig und Dresden sind für ihr Wachstum bekannt. Wie sieht es im Rest von Sachsen aus?

Chemnitz hat schon seit den 90er-Jahren viel in sein Zentrum investiert, aber es gibt immer noch einen großen Sanierungsrückstand und viele freie Flächen. Plauen ist eine sehr schöne Stadt, die in Vergessenheit geraten ist. Bautzen, Görlitz und Zittau haben zwar demographische Probleme, aber immer noch eine hohe städtische Dichte. Dort entstehen fast im Verborgenen sehenswerte Bauten.

 

Fehlen trotzdem immer noch private Investitionen?

Das ist ein Problem, was den Osten nach wie vor vom Westen unterscheidet. Private Investitionen fehlen vor allem im gewerblichen Bereich. Wir haben einen großen Anteil öffentlicher Investitionen am Gesamthaushalt des Landes. Die Staatsquote liegt in Sachsen bei über 40 Prozent, in Bayern oder Baden-Württemberg liegt sie bei 13 Prozent. Private Investoren bringen mehr Schwung auf den Markt.

 

Und sind gut für die Architektendichte...

Richtig. Das spiegelt sich im Gesamtbild wider und ist für uns sehr gut an der Architektendichte ablesbar. In Sachsen gibt es einen Architekten auf 1350 Einwohner, in Nordrhein-Westfalen einen auf 600 Einwohner und in Baden-Württemberg sind es 350 Einwohner pro Architekt. Dort haben die Kollegen auch gut zu tun. Da ist noch ein großer Unterschied.

 

Woher stammt das in Sachsen investierte Kapital?

Erfreulicherweise wird ein Großteil der Investitionen durch ansässige Bauträger getätigt. In Sachsen gibt es Bauunternehmen, die schon seit über 25 Jahren auf dem Markt agieren. Zusätzlich begünstigt eine gute Finanzierungssituation das Bauen.

 

Wie schätzen Sie den sächsischen Architektenmarkt ein?

Die Mitgliedschaft ist in elf regionale Kammergruppen aufgeteilt. Ein Drittel unserer 3.000 Mitglieder sind in der Kammergruppe Dresden organisiert und, obwohl Leipzig eine ähnliche Einwohnerzahl wie Dresden aufweist, gibt es dort nur die Hälfte an Architekten. Darauf hat auch die sächsische Hochschullandschaft mit zwei Einrichtungen in Dresden (TU und HTW) und nur einer Fachhochschule in Leipzig (HTWK) einen wesentlichen Einfluss. Die Dresdner Architekten profitieren auch davon, dass viele Verwaltungen, Ministerien und die Staatsregierung hier ihren Sitz haben. Außerdem hat sich eine Szene von sächsischen Architekturbüros entwickelt, die schon zehn bis zwanzig Jahre am Markt bestehen. Man kennt sich unter Kollegen,es herrscht natürlich Konkurrenz, aber es wird recht häufig und insbesonderebei größeren Projekten in Arbeitsgemeinschaften kooperiert.Dieser gefestigte Markt macht es jungen Kollegen leider nicht so einfach mit dem Berufseinstieg bzw. der Bürogründung.

 

Was sind für Sie die architektonischen Highlights in Dresden?

Neben der Synagoge, die ein gelungener Neubau ist, würde ich den Proben- und Konzertsaal der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden am Wiener Platz nennen, etwas versteckt zwar, aber ein schöner, moderner Bau mit einer fabelhaften Innengestaltung, der aber auch städtebaulich eine interessante Geste darstellt.Ein moderner Büro- und Gewerbebau, der eine hohe architektonische Affinität ausstrahlt, ist der Neubaukomplex der Theegarten-Pactec. Auch Hochschulbauten der TU Dresden sind gelungen, genau wie die Erweiterung des Amtsgerichts.