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Editorial Winter 2008
Was läuft schief in Dresden? Psst! Ich weiß, wir sollen Positives schreiben. Aber sollte man nicht in aller Freude über Dresden, bei allem Patriotismus und Stolz, auch den objektiven Blick behalten? Es nützt nichts, verklärt zu glauben, nur weil wir Dresden einmalig und sehenswert finden, dass automatisch die Menschen dieser Welt das auch wissen und in Scharen zu uns strömen. So wenig, wie man ein Unternehmen, das gute Produkte zu bieten und über viele Jahre moderat funktioniert hat, einfach dem Selbstlauf überlassen kann. Unsere Stadt braucht Hilfe: eine gute Führung, ein Team, das zusammenarbeitet und Diskussionen nicht über die Sache stellt. Unsere Stadt braucht Visionen, die Schritt für Schritt realisiert werden, und wie jedes Unternehmen neben einer guten wirtschaftlichen und politischen Leitung Marketing, PR und Menschen zum Repräsentieren, die diese Position mit Stil, Intelligenz und Würde ausfüllen.
Wir haben mit Dresden so eine gute Grundlage. Salopp würde ich sagen: „... eine irre Hardware". Daraus lässt sich viel machen. Sehr viel und auf jeden Fall sehr viel mehr als bisher. Ich war gerade in Prag und habe mich mit den führenden Tourismus-Leuten unterhalten. Die in Prag haben es schon lange vermasselt. An der Stelle, wo Dresden jetzt ist, haben sie die Kurve nicht gekriegt, und heute? Zwischen 35 und 45 Prozent Rückgang im Tourismus. Die Prager Hotels sind leer, die Taxifahrer sauer und die Kneipen nur noch halb so voll wie früher. Ein Schicksal, das Dresden in ein paar Jahren auch blühen kann. Noch ist nicht zu viel verloren, aber die Zeiten werden nicht besser, und wir sollten handeln.
Es braucht Menschen mit Weitblick. Jemanden, der die Übel endlich erkennt, benennt und praktisch dagegen vorgeht. Frauenkirche, Grünes Gewölbe und Co. sind keine Bestandteile eines Perpetuum Mobile. Dresden braucht jemanden, der den Blick vom Flughafen und seinen mangelhaften oder nicht vorhandenen Verbindungen, über das Überangebot an Hotelbetten, bis zu Großevents, Kongressen und Messen, die diese Bezeichnung verdienen, lenkt. Dem auffällt, dass die Deutsche Bahn Dresden verbindungstechnisch mehr und mehr isoliert. Der neben den alten Gemäuern auf die Jugend setzt, Familien und Geschäftsleute einbezieht, das Potenzial im Ausland bedenkt, Menschen mit Stil und Kapital in die Stadt bringt. Russen, die Araber, Asiaten – her damit. Wir haben inzwischen fast alle internationalen Kleidermarken hier, und im Gegensatz zu anderen Städten oder Ländern zu moderaten Preisen. Jemand sollte mal Dresdens Wettbewerbsvorteile neben und inklusive Kunst und Kultur analysieren und herausfiltrieren. Dresden sollte endlich eine klare Marke werden, gern mit einem Hauch der guten alten Zeit, aber auch mit modernem Stil, Esprit und einer Dynamik, die sich im Baugeschehen ja bereits zeigt. Image und Marke müssen neu kreiert und dann vor allem kommuniziert werden. Dresden kann nicht nur für Oma und Opa mit Bus aus dem Sauerland attraktiv sein, sondern muss auch für o.g. Klientel viel mehr bieten, und dann sollten die das möglichst auch noch erfahren. Die Menschen haben doch keine auf Dresden gepolte Wünschelrute, die sie magisch herzieht.
Jedes Dresdner Unternehmen, jede Institution, jeder Politiker und Wirtschaftsmann, jeder Schüler, Student und Bürger, jeder Rentner und jedes Kind ist doch bereit, etwas für seine Stadt zu tun. Wir brauchen nur führende Leute, die diese Power bündeln und ihr klug eine Richtung geben. Das kann doch nicht so schwer sein … Schreiben Sie uns Ihre Meinung zum Thema (redaktion@disy-magazin.de) und lassen Sie uns in der nächsten Ausgabe ausgiebig darüber diskutieren.
Alle für Dresden und Disy ganz vorn mit dabei!
Herzlichst,
Ihre Anja K. Fliessbach