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Editorial Herbst 2018
Wer hat da an der Uhr gedreht? Mensch Leute, die Zeit vergeht! Gefühlt läuft sie immer schneller. Als ich mich über meine Pläne für den Sommerurlaub unterhielt und mich schon fast überreden ließ, ihn wegen der Arbeit wieder abzusagen, formulierte mein Mund einen Satz, über den ich selbst erschrak: „So läuft ein Leben auch ab.“
Wie unangenehm das Bewusstsein doch ist, dass das Leben wie eine Uhr rückwärts läuft bis auf den Nullpunkt. Oder eine Sanduhr, die dann oben leer ist. Habe nur ich dieses Problem oder denken alle Menschen so? Und wie machen die das, die sich daran nicht stören?
Ausblenden? Entspannende Dummheit? Coolness?
Mich setzt dieses Bewusstsein unter einen gewissen Druck. Ich will schnell vorankommen, schnell unangenehme Dinge abarbeiten, Routineaufgaben im Sprint erledigen, um genug Zeit für die vielen schöne Dinge zu haben. Ich kann das auch. Doch kaum einermacht mit. Och, sind die Menschen langsam! Verflixte Kiste! In meiner Wahrnehmungagieren die meisten Menschen in Zeitlupe. Diese langsamen Handgriffe, diese umständlichen Formulierungen, diese vielen unsinnigen Sätze und irrelevanten Informationenbeim Kommunizieren. Wenn mein Gegenüber eine Antwort nicht weiß oder eine erfragte Information nicht hat, wäre ich mit einer 3 Sekunden-Antwort („Ich weiß es nicht.“)zufrieden. Stattdessen minutenlanges Herumschwatzen. Verschwenden meiner Lebenszeit.
Das birgt natürlich auch gehöriges Kon iktpotenzial. Denn es macht mich doch latent wütend, wenn Menschen mich über die Maßen aufhalten. Ich bin nicht sauer auf die, die es nicht können. Aber die, die behaupten oder von sich selbst denken, sie hätten bestimmte Fähigkeiten, die ihnen letztlich fehlen, für die kann ich nur unter Mühe Respekt aufbringen. Und da dieses Abmühen mein Leben auch schon wieder auf eine Weise füllt, die ich nicht möchte, bin ich noch ungeduldiger.
Um diesem Editorial nun doch noch einen positiven Schwung zu geben, sollte ich die andere Seite dieser Medaille noch erwähnen. Sie können sich vielleicht schon vorstellen, wie euphorisch ich bin, wenn ich Menschen treffe, die mitziehen. Und wenn sie das dannnoch mit Struktur und Überblick tun, schließe ich sie für immer in mein Herz. Dann binich genauso überschwänglich in meiner Dankbarkeit diesen Menschen gegenüber wie in meiner Ungeduld den anderen.
Ein Instagram-Freund hat in seinem Profil als Motto stehen: „Das beste Leben mit den besten Menschen.“
Ist das auch Ihr Motto? Die Uhr tickt!
Herzlichst
Ihre Anja K. Fliessbach