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Die Disy Sprache

Sina hätte auch ´ne gute Lehrerin werden können. Mit klarer Stimme hielt sie ihren Vortrag über gute Texte im Allgemeinen und Disy-Spezialitäten im Besonderen. Ich mag es gern, wenn ich nicht immer vorn stehe und doziere. Außerdem finde ich es nachhaltiger, dass das, was die Einzelnen gerade lernen oder gelernt haben, nochmals in Form eines Vortrages allen präsentiert wird. Erst einmal festigt sich das bei den Vortragenden, zweitens ist es meist für alle anderen auch interessant oder zumindest eine sinnvolle Wiederholung oder Auffrischung. Und manchmal - aber auch nur manchmal - ist etwas von einem Kollegen Erklärtes schneller im Gehirn, als wenn ich das Gleiche immer und immer wieder sage.

 

Sie beginnt mit Wortwiederholungen. Ich lehne mich entspannt zurück. Eines meiner Lieblingsthemen. Gnadenlos kringle ich immer die Wiederholungen ein. Ich mag es nicht, auch nicht wenn sich Worte im Folgesatz wiederholen. Synonyme finden! Zum Glück erzählt Sina etwas über Bedeutungsnuancen. Wer ein anderes Wort für "veraltet" sucht, muss unterscheiden ob er "überholt" für Technik oder zum Beispiel "altmodisch" für Kleidung sagt. Das sollte man nicht verwechseln. Dann geht es um überflüssige Formulierungen wie "Geduld und Langmut" und Pleonasmen wie "alter Greis". Satzanfänge sollen variieren, inhaltliche Wiederholungen gestrichen werden und holperige Sätze vermieden. Und Füllwörter, die keine Funktion haben, müssen raus. Meine Lieben bei Disy schreiben besonders gern "auch", "ziemlich", "doch" und "eigentlich". Da wollte ich schon mal eine Kaffeekasse aufstellen. In Kolumnen und Editorials ist das nicht so streng - möchte ich an dieser Stelle mal klarstellen. So sicherheitshalber. Aber in "normalen" Texten müssen die raus.

 

Schwache Verben sollen durch starke ersetzt werden, erklärt Sina gerade. Ihr Beispiel: Statt "ist froh", "strahlt vor Freude". Ich erinnere mich an die Zeiten an der Journalistenschule: "Machen", "Sein" und "Haben" waren No Gos. Genau wie Anglizismen, right?

 

Dann geht es um Adjektive. Wie ich finde, werden die zu leichtfertig eingesetzt oder eben weggelassen. Wenn einer meiner Redakteure zu viele verwendet, ist mein Lieblingsspruch: "Wie sind hier nicht in der Schule und schreiben Gruppenbücher." Kennt ihr die noch? Schön auf Linienpapier geschrieben, ausgeschnitten und eingeklebt: "Am 11. März gingen wir ins Theater. Wir sahen ..." Alle Texte hatten den gleichen Anfang. Meine Leute im Konferenzraum schreiben aufmerksam mit. Sie sind eifrig. Ich erkläre mal dazwischen, dass sie lieber zuhören sollen - Sina hat Handouts vorbereitet (siehe Anglizismen). Es geht noch um abgenutzte Redewendungen wie "in einem Affenzahn", lustige Metaphern à la "regelrechtes Chaos" und dass man den Nominalstil vermeiden soll (nicht "er war der Überzeugung", sondern "er war überzeugt"). Sie erzählt außerdem über Passiv und Aktiv, Verben am Satzanfang, kurze Sätze und Zitateinfügungen.

 

Die letzte halbe Stunde verbringen wir damit, uns um einheitliche Schreibweisen für Disy zu kümmern. Da wo die Deutsche Rechtschreibung Varianten zulässt, müssen wir uns zumindest innerhalb der einzelnen Magazine einigen. Wir unterhalten uns über Zeitangaben, Jahreszahlen, Abkürzungen und die immer wieder diskutierten Unterschiede zwischen Münchner und Münchener, Dresdner und bayerisch, Portrait und Phantasie etc. Es folgen noch Diskussionen über Absätze, Zeichensetzung bei Zitaten und Bildunterschriften. Und ich finde es schön, so ein bisschen als Gast dabei zu sein. Hat sie gut gemacht, die Sina. Nun könnt ihr mal die nächste Disy kaufen, die aktuelle habt ihr ja garantiert schon und mal den stilistischen Unterschied feststellen. Das wird ein Wahnsinnsheft, sage ich euch!