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138. Beitrag: "Good bye, Freunde - Letzter Beitrag, letzter Teil" (12. Juli)
Untertitel: Das Feuerzeug
Es liegt ganz oben im Regal, damit Louisa es nicht erreichen kann. Jeden Abend nehme ich es in die Hand. Ich brauche es, denn es erhellt mein Leben. Wenn Louisa schläft und ich abends allein in meiner Wohnung sitze, zünde ich mir damit eine Kerze an. Eine. Mehr brauche ich nicht. Ein Licht im Dunkel. Ein kleiner heller Schein, entfacht durch ein blaues Feuerzeug mit weißer Schrift...
Dann halte ich das Feuerzeug für einen Augenblick in der Hand und umschließe es mit meinen Fingern. Sofort ziehen die Bilder an mir vorbei. Ich sehe die Person, der das Feuerzeug gehört hat auf der "Amadea". Ich sehe, wessen Zigaretten es entzündet hat, wie es reihum gegangen ist abends und nachts bei den Feiern an Deck, auf welchen Tischen es gelegen hat. Auf Schreibtischen und Tresen, Tischen in der Kopernikusbar, in der Havanna Bar, der Jupiterbar und in Harry´s Bar. Da lag es oft. Es lag auf Bora Bora am Strand und auf Saipan im Club. Es wurde in einer Tasche herumgeschüttelt und zum Schluss vergessen. Jetzt liegt es in meinem Regal. Ganz oben. Wo ich es nicht ständig vor Augen habe, nicht immer daran denken muss. Aber ich hole es jeden Abend herunter, weil ich es brauche, um wenigsten ein kleines Licht im alltäglichen Leben zu entfachen. Das Licht der Kerze mildert die scharfen Konturen, beruhigt und gibt Hoffnung.
Meine Musik höre ich dazu immer noch nicht. Der iPod verstaubt langsam. Das Radio im Auto (es ist das Cabrio geworden), stört mich nicht. Aber an die Titel, die ich auf dem Schiff gehört habe, kann ich noch nicht ran. Ich habe meine Musik verloren...
Diesen letzten Beitrag hier konnte ich nicht gleich schreiben. Jemanden in meiner engsten Familie hat die Gesundheit verlassen. Der eigene Körper arbeitet plötzlich gegen sich selbst. Schock! Und ich stelle mir die Frage: "Muss man Glück immer bezahlen?"
Was einen in solchen Momenten etwas beruhigt, wenn man das Wort in einer solchen Situation überhaupt verwenden kann, ist ein erfülltes Leben. Seine Zeit nicht vergeudet zu haben, nicht auf bessere Zeiten oder Chancen gewartet zu haben, ist wohl der einzige Trost.
Doch es ist schwer, im normalen Leben nicht das Gefühl zu haben, seine Zeit zu vergeuden. Ich wundere mich immer wieder, dass schon der gleiche Wochentag ist wie gerade eben. Eine ganze Woche liegt dazwischen? Nie im Leben. Zwei Tage, nicht mehr.
Umso erstaunlicher, wie man scheinbar mit einer Weltreise sein Leben verlängern kann. Man erlebt so viele verschiedene Dinge in so rascher Folge, dass die Zeitspanne viel länger erscheint. Zuhause flutscht einem die Zeit nur so durch die Finger.
Dieser letzte Beitrag hier heißt: "Good bye, Freunde." Es ist ein "Auf Wiedersehen" an die Freunde auf dem Schiff, die immer noch mitlesen. Ich weiß es. Die Feinde auch, die mir nicht weniger wert und wichtig sind. Und es ist ein "Auf Wiedersehen" an euch, ihr lieben Blogleser und Kommentatoren. Ihr habt den persönlichen Wert dieser Weltreise für mich mit bestimmt. Ich habe etwas gelernt, was für mich sehr wichtig ist: Mit konstruktiver Kritik umzugehen, sie zu verarbeiten und daraufhin etwas zu ändern. Außerdem habe ich gelernt, unpassende Kritik zu erkennen und sie zu ignorieren, ohne Energie zu verbrauchen. Beides hilft mir nun im "normalen Leben". Denn unser Blog hat meiner Meinung nach das "wahre Leben" sehr authentisch gespiegelt. Und ist es nicht unglaublich interessant zu erfahren, was die Mitmenschen denken? Sonst ahnt man nur das Hetzen und Tratschen, das Staunen und Schimpfen, das Beneiden und Loben, das Lästern und Klatschen. Hier hat man es lesen können. Als "Grundlage für Studien über das Verhalten von Menschen in der Anonymität" würde ich unseren Blog empfehlen. Für "Studien über den Umgang miteinander und das Fällen von Urteilen ohne Kenntnisse der Fakten" wäre auch eine gute Idee. Empfehlen würde ich auch "Studien über die Vielfalt von Interpretationsmöglichkeiten eines Gegenstandes, einer Aussage oder eines Zitates". Oder man könnte versuchen Personenprofile zu erstellen auf der Grundlage von Kommentaren in einem Blog oder über Gruppendynamik schreiben. So vielschichtig war unser Blog - alles das hatte er zu bieten und gerade das ist die Begründung für den Erfolg: 250 Kommentare auf einen Eintrag habe ich nur bei uns gesehen, sonst nirgends.
Zum Abschluss möchte ich zusammenfassen, was diese Reise für mich ausgemacht hat:
* Das Wichtigste und Schönste war die intensive Zeit mit meiner Tochter.
* Das Kennenlernen toller Menschen, die Freude mit Freunden, auch wenn ich sie wieder verlieren musste.
* Die intensive, komprimierte Lebenszeit.
* Das bewusste Leben im Moment.
* Das Naturerlebnis und die damit verbundene tiefe Ehrfurcht.
* Die verschiedenen Mentalitäten in den Ländern wie die Freundlichkeit in Japan und die Ruhe in Taiwan.
* Das persönliche Erschließen neuer Gebiete der Welt.
* Das Reinschnuppern in einen sehr exklusiven Lebensstil.
* Das Relativieren von Problemen und Sorgen zu Hause mit zunehmendem Abstand.
* Das Reaktivieren einer fast verlorenen, kindlichen Leichtigkeit, Fröhlichkeit und Ausgelassenheit.
* Die Erfahrung der Angst während der Sturmtage im Atlantik.
* Viel lachen, viel weinen. Emotionen pur und intensiv.
* Die Entwicklung einer Coolness gegenüber Feinden.
* Das Training, schnell mit neuen Situationen fertig zu werden, sich schnell in unbekannten Umgebungen zurecht zu finden und schnell mit fremden Leuten vertraut zu werden.
* Eine ideale Kombination aus Mutterschaft, Arbeit, Reise und Freundschaften.
* Luft, Licht, Wasser, Musik, Sterne, Sonne, Lächeln, wehendes Haar, Weite, Tanzen, Tränen, Melancholie, Albernheit, Spaß und Nähe
Meine lieben Freunde! Es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Vielleicht treffen wir uns im Blog auf www.disy-magazin.de wieder. Wenn nicht, vielen Dank für eure Treue, die Mühe mit den Kommentaren, für´s Lesen und Reinklicken. Wer ein blaues Feuerzeug mit weißer Schrift vermisst, kann sich bei mir melden...
Good bye, Freunde!
Eine Weltreise ist nun zu Ende.
Genau
JETZT!
Anja Fließbach: Donnerstag, 12 Juli 2007, 2:11 Uhr