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Josep Guardiola: Der erste Gang

"Nichts ist gefährlicher,als nichts zu riskieren."

Josep Guardiola

 

Der erste spanische Trainer beim FC Bayern München trat seinen Job an. Dazu noch der beste und smarteste Trainer der Welt! Charmant verführte er uns bei seiner Vorstellung beim FC Bayern, glänzte mit seinen Deutschkenntnissen und umgarnte die letzten Zweifler. "Dass ich hier sein kann, ist für mich ein Geschenk, für das ich mich bedanke." Ein Geschenk, dass er mit seiner Frau und seiner Tochter teilte. Auch die Bayernbosse freuen sich auf eine neue Ära: "Es ist für Bayern München eine wunderbare Geschichte, dass Guardiola hier ist. Ausländische Trainer haben den deutschen Fußball immer befruchtet."

 

Auch beim Golf besticht er

 

Spätestens in seiner Zeit in Italien reifte Guardiola zu einem Mann von Welt. Weitere fußballerische Stationen führten ihn nach Katar und Mexiko. In der Wüste entwickelte er auch seine Leidenschaft fürs Golfen, er selbst bemerkte über die Jahre bei Al-Ahli schelmisch: "Diese Zeithabe ich vor allem genutzt, um Golf zu spielen." In seiner einjährigen Auszeit vom Fußball, die er in den USA verbrachte, konnte Guardiola sein Handicap offensichtlich weiter verbessern und ist mittlerweile bei einer stolzen 14,4 angelangt. Ein paar Kniffe hat er sich dabei vielleichtbei den besten Golfern der Welt abgeschaut. Im vergangenen September war er nämlich Gast beim Ryder Cup in der Nähe von Chicago. "Ich erhielt eine Einladung meines Freundes Jose-Maria Olazabal, des Kapitäns der Europäer, und konnte unsere Jungs so vor Ort unterstützen", sagt Pep. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern wurde er auch in diesem Jahr beim US Masters in Augusta gesichtet.

 

Kein Medienmensch

 

Die Entspannung, die ihm Golf bereitet, fand er in seiner Trainerkarriere vielleicht zu selten. So schien ihn der Job vor seiner selbst auferlegten Pause "aufzufressen". Er begann selbst im Schlaf von Fußball zu sprechen. Enthusiasmus und gar Besessenheit sollen für Guardiola typisch sein. Pep Guardiola ist kein Medienmensch. Auch hier findet sich echte Bescheidenheit. Die Konkurrenz wird dabei gehuldigt und beglückwünscht, anderweitige Auskünfte bleiben allgemein  und wertfrei. Sein Hauptmetier bleibt der Fußball! Dort wird er allerdings offensiv: "Nichts ist gefährlicher, als nichts zu riskieren", sagt er über seine Denkweise. Man kann die Vorstellungen Johan Cruyffs riechen und dennoch war es Pep Guardiola, der Barças Tiki-Taka-Stil zur Perfektion getrieben hat. Man kann also davon ausgehen, dass auch die Bayern offensiver werden. Aber dieser Trainer wär nicht ein besonderer, wenn er nicht gleichzeitig mahnen würde: "Ich muss mich hundertprozentig unseren Spielern anpassen. Fußball gehorcht den Spielern. Die Fans kommen, um die Spieler zu sehen, nicht mich als Trainer. In Barcelona waren es andere Spieler als hier. Ich muss mich anpassen."

 

Der neue Bayerntrainer ist aber auch ein großartiger Motivator. Da gibt es dann vor großen Duellen auch mal Motivationsvideos, wie "inch by inch" zu sehen. Auch ist im Vereinsbus ab und zu die Lieblingsband Guardiolas, Coldplay, zu hören. Eine weitere Neuerung für die Spieler ist es wohl ebenso, die Nacht vor Heimspielen zu Hause verbringen zu dürfen. "Die Leute verbringen den Tag, bevor sie zur Arbeit gehen auch nicht eingesperrt im Hotel", hat Guardiola erklärt. Er sei kein Polizist. Lars Voigt

Ein Coup. Denn die Konkurrenz war groß - Manchester United, Manchester City, der FC Chelsea, Paris St. Germain - alle wollten sie Guardiola. "Er hat sich für Bayern entschieden, weil der Klub unter allen Interessierten das beste Projekt war", sagte Berater José Maria Orobitg.

Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, dass die Münchner mit drei Titeln die Saison abschließenwürden. Zwar rangieren sie in der Klub-Weltrangliste hinterdem FC Barcelona "nur" auf dem zweiten Rang, aber sie haben in diesem Jahr eindrucksvoll den Thron Europas bestiegen. Die Herausforderung fürden spanischen Trainer ist dadurch sicher nicht kleiner geworden. Freilich lockten den Erfolgstrainer aber nicht nur die Erfolgsaussichten und Münchens Golfplätze zum FC Bayern. Auch wenn er auf der Insel oder beiden Scheichs von Paris hätte mehr verdienen können, wird er mit den 15 Millionen Euro brutto im Jahr gut klarkommen. Pep Guardiola ist allerdings kein Mann, der den Trainerberuf des Geldes wegen ausübt. Bescheidenheit steht für ihn auf und neben dem Platz im Vordergrund. Er ist ein Mann klarer Worte, er geht voran. Auch deshalb hat er Europa einen neuen Fußball beigebracht, der von allen Seiten bewundert wird.

 

Stilsicher im Auftreten

 

Aber dieser Josep Guardiola zeigt uns nicht nur, wie Fußball funktioniert. Er beweist ebenso, dass Fußballehrer keine Jogginganzüge tragen müssen. Stilsicher bewegt er sich auf und abseits des Rasens. Dabei darf es sowohl schick mit seinen maßgeschneiderten Anzügen von Antonio Miro, als auch mal lässig mit Sneakern und mutigen Farben sein. Pep Guardiola findet, das Leben darf nicht nur aus Fußball bestehen. Er ist ein Typ, der mal eben mit Woody Allen in New York zum Essen geht oder seine Kinder Maria, Valentina und Marius mit der U-Bahn zur Schule bringt. In New York besuchte er gern Vorlesungen in Ökonomie an der Universität oder segelte bei schönem Wetter mit seiner Frau über den Hudson River. Pep Guardiola hat die Auszeit in Amerika sichtlich genossen, sich darin sogar einen Traum erfüllt. Nun ist er zurück auf der Bühne Fußball und das in München! Alle Fragen zu seinen Freizeitplänen in unserer schönen Stadt wiegelte er ab und erklärte, dass in den nächsten Zeit die Arbeit im Vordergrund steht.


Vom Straßenfußballer zum Profi

 

Aufgewachsen ist Pep Guardiola als Straßenfußballer in seinem Geburtsort Santpedor in Katalonien. Täglich kickte er mit seinen Kumpels. Frühzeitig wurde der introvertierte und ruhige Junge von den Spähern des großen FC Barcelona entdeckt, doch seine Mutter wollte sich ihren "kleinen Engel" Pep zunächst nicht wegnehmen lassen. Mit 13 Jahren folgte er dennoch dem Ruf in die legendäre Fußballschule La Masia. Auch wenn Pep Guardiola immer als schmächtig und unauffällig daher kam, sahen alle Trainer in ihm ebenfalls mehr - Genialität!

 

Der Denker auf dem Platz

 

Dieser Mann philosophiert Fußball, er spielt mit den Figuren auf dem grünen Rasen Schach. In seiner Freizeit liest er gern Hermann Hesse oder Immanuel Kant. Und man kann seine Denkweise als Spieler wie als Trainerbewundern. Diese teilt er mit seinem ehemaligen Trainer und Mentor Johan Cruyff. Der forderte die Jugendtrainer des FC Barcelona auf, eine neuartige Position im Zentrum des Spielgeschehens auf dem Fußballplatz zu besetzen. Ein neuer Spielertyp war gefordert, einer wie Pep Guardiola - ein Lenker und Denker, der nicht durch Athletik, sondern durch Technik und Führungsqualität bestach. Um in Spaniens Eliteliga Fuß zu fassen, bedurfte es allerdings deutlich mehr Robustheit und so dauerte es bis zu seinem 20. Lebensjahr, ehe sein Pflichtspieldebüt im Trikot des FC Barcelona bevorstand. Dafür schmiss er auch sein Jurastudium. Folgen sollte eine Karriere mit Höhen wie Tiefen.

 

Lars Voigt