• Dezember 10, 2021
  • 3640 Aufrufe

Willkommen Goodbye

Joris im Interview über Verluste, Trauer, Hoffnung und ein gutes Leben

"Es gibt ganz oft im Leben die Situation, wo man gerade den schönsten Tag hat, im normalen Leben steht und dann klingelt das Telefon, Du gehst ran und alles bleibt stehen.“ 

Ein Jahr Corona und noch kein Ende in Sicht. Keine Konzerte, keine Tourneen. Bist Du genervt von diesem Coronajahr?

Joris: Absolut! Ich durfte die letzten sechs Jahre wirklich große Bühnen kennenlernen und mit ganz großen Bands und Musikern die Bühne teilen. Das war natürlich für mich ganz besonders. Seit über einem Jahr nicht mehr richtig spielen zu können, das tut weh und ist extrem herausfordernd. Auch dass man als Musiker keinen Applaus bekommt, tut weh. Und wenn man die Leute so lange nicht mehr um sich hat, das tut auch weh.

Viele haben kreative Ideen entwickelt, wie sie diesen Lockdown irgendwie anders nutzen. Wie war das bei Dir? Du bist immerhin für Dein neues Album produktiv gewesen?

Joris: Natürlich ist im Lockdown auch viel passiert. Mit vielen Schnelltests konnten wir uns auch ab und zu mal treffen. Aber es war eine Zeit, die geprägt hat. Ich schreibe Musik über Dinge, die mich interessieren, mich beschäftigen.

Entstanden im Lockdown andere Titel als zu normalen Zeiten? Es war ruhiger und nachdenklicher. Ich denke an „Game Over“. Für diese Hits ist es doch schwer, sich eine Umgebung vorzustellen, wenn man so alleine im Studio ist.

Joris: „Game Over“ ist, Du hast es eben gesagt, weil wir schwankend im Stadion zusammenstanden, natürlich eine ganz große Nummer, wo ich auch sofort im Studio Bilder im Kopf habe, wie man die auf einer Hauptbühne präsentieren kann und zwar im fettesten Gewand. Aber es gibt natürlich auch die Songs wie „Steine“ beispielsweise, die da den kompletten Kontrast dazu zeigen. Das Album heißt „Willkommen Goodbye“. Einen größeren Kontrast mag man auf den ersten Blick gar nicht bekommen. Aber wenn man diese eine Tür weiter geht, dann versteht man, dass die Dinge alle zusammengehören.

Dein neues Album „Willkommen Goodbye“ ist schon im Titel melancholisch, traurig. Goodbye - wir alle kennen Verluste. Wir alle haben geliebte Menschen verloren. Du hast sehr viel über Abschied gesungen. Warum?

Joris: Es gibt ganz oft im Leben die Situation, wo man gerade den schönsten Tag hat, im normalen Leben steht und dann klingelt das Telefon, man geht ran und alles bleibt stehen. Wenn Jemand geht, ist das nie so, dass ich mich irgendwann dran gewöhnen könnte.

Nein! Da gewöhnt man sich niemals dran. Es ist schlimm, dass das Leben von solchen Erlebnissen geprägt ist. Hat man es ein Mal , zwei Mal, drei Mal erlebt, man wird nie wieder so leicht und glücklich.

Joris: Und es gibt so viel Mucke, die vorgibt, dass sie den Schmerz abnehmen kann. Nach dem Motto: „Komm, ich trag Dich“. Das ist Bullshit. Man kann Niemandem diesen Schmerz abnehmen, aber man kann füreinander da sein. Und als das das letzte Mal passiert ist, habe ich gemerkt, ich kann gerade nichts machen, aber ich kann da sein. Und dann hatte ich diese Zeilen im Kopf „Ich kann nicht für Dich fallen, aber ich kann Dich auffangen.“.

Wohl dem, der Dein Freund oder Deine Freundin ist. Das klingt sehr fürsorglich. Aber nun lassen wir mal dieses sehr traurige Thema. Das Leben geht weiter. Das Leben geht immer weiter und wir machen das Beste draus. In Deinem Lied „Willkommen und Abschied“ geht es auch darum, dass man sich von alten Gewohnheiten verabschiedet. 

Joris: Ich habe vor zwei Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Ich gebe zu, gerade im Moment lasse ich es ein bisschen schleifen. Ich habe davor wirklich sehr lange geraucht. Dann war dieser Song da. Mist, jetzt werde ich erwachsen. Aber schön ist, glaube ich, dass er auch die Lockerheit feiert. Es gehört mit dazu, dass wir auch ein paar Dinge ablegen und ein paar andere, etwas langweilige Dinge, wie die Spaziergänge, annehmen.

Sag nicht, dass Du jetzt auch immer so viel spazieren gehst. Man sieht das bei Social Media: die echt coolen Typen und die Mädels, die gehen neuerdings alle immer spazieren.

Joris: Doch, doch. Ich gehe auch spazieren.

Was ist besonders an Deinem neuen Album?

Joris: An der neuen Platte mag ich, dass die Dinge einfach so kommen durften, wie sie kommen wollten. Da ist so viel drin, was ich normalerweise niemals zugelassen hätte.  Zum Beispiel einen Chor, den wir auf der A7 im Tourbus mit dem Handy aufgenommen haben. Das klingt füchterlich. Aber wenn man das in dem Zusammenhang bringt, dann bringt das genau diese Farbe mit rein, die man haben möchte: eine gute Zeit, eine gute Stimmung und zwar da aufgefangen, wo sie tatsächlich war.