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Initiative gibt abhängigen Müttern eine Chance

„Mama denk´ an mich“ bündelt Expertise von Geburtshilfe, Neugeborenenmedizin und Suchttherapie / Angebot für abhängige Frauen stärkt Familien in schwieriger Situation 


Dank einer fachübergreifenden Zusammenarbeit von drei Kliniken des Universitätsklinikums Carl Gustav Dresden steigen die Chancen drogenabhängiger Mütter – im Mittelpunkt steht der Konsum von Crystal –, um während beziehungsweise nach der Schwangerschaft aus der Sucht aussteigen zu können. Die innovative Initiative „Mama denk´ an mich“ verbessert auf diese Weise die Aussichten, dass die Neugeborenen weiter von ihren Müttern betreut werden können. 

Es gibt im Rahmen der Initiative eine Koordinatorin zur Betreuung der Abhängigen und ihrer Neugeborenen. Initiatoren und Ansprechpartner sind Mitarbeiter der Kliniken für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, für Kinder und Jugendmedizin sowie für Psychiatrie und Psychotherapie. In den ersten zehn Monaten des neuen Angebots ließ sich die Rate der ins ursprüngliche Zuhause entlassenen Babys von einem Drittel auf zwei Drittel erhöhen. Um mehr Betroffene, deren Angehörige, aber auch Institutionen auf das Angebot aufmerksam zu machen, hat das Klinikum nun einen Flyer herausgegeben. „Unser Ziel ist es, mehr von Sucht betroffenen Familien die Chance zu geben, komplett zu bleiben“, sagt Prof. Reinhardt Berner. Der Direktor der Klinik für Kinderund Jugendmedizin spricht auch im Namen von zwei weiteren Direktoren, deren Kliniken Kontakt zu drogenanhängigen Müttern haben. Das Klinikteam von Prof. Berner ist immer dann gefragt, wenn ein Neugeborenes aufgrund der Sucht der Mutter behandelt werden muss – das ist der späteste Moment, an dem sich eine Abhängigkeit offenbart. Oft aber zeigt sich das Problem bereits den Frauenärzten, die die Schwangeren betreuen. Doch es gibt eine Dunkelziffer, denn die betroffenen Frauen scheuen sich, ihr Suchtproblem zu offenbaren. Neben dem Nichteingestehen-Wollen und dem Schamgefühl ist es die Angst der werdenden Mütter, ihr Kind nicht behalten zu dürfen. Deshalb setzt die fachübergreifende Initiative „Mama denk´ an mich“ darauf, Vertrauen zu  schaffen und den Abhängigen eine konkrete Perspektive zu bieten. Erster Anlaufpunkt dieser Mütter sind häufig niedergelassene Gynäkologen. Um diese Fachärzte zu entlasten und den Patientinnen sowie den ungeborenen Kindern eine möglichst umfassende ärztliche Betreuung in der Schwangerschaft anzubieten, hat die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Dresdner Uniklinikum eine Spezialsprechstunde eingerichtet. In diesem Rahmen wird den abhängigen Müttern die Zeit eingeräumt, die notwendig ist, um alle Fragen in dieser schwierigen Situation zu klären und die auch aus medizinischer Sicht bestmöglichen Lösungen zu finden. „Mit unserem Angebot, über das wir unsere niedergelassenen Fachkollegen informiert haben, wollen wir den Frauen ohne jede Vorverurteilung helfen, dass sie und ihre Babys gesund durch die Schwangerschaft kommen“, sagt Dr. Katharina Nitzsche. Die Oberärztin der Geburtshilfe an der Uni-Frauenklinik ist für diese Spezialsprechstunde verantwortlich. „Wir verstehen uns dabei auch als Tor zu weiteren Betreuungsangeboten, die den Frauen im Rahmen unserer Initiative ‚Mama denk´ an mich‘ am Uniklinikum offenstehen“, so die Oberärztin weiter. „Ein Kind zu erwarten und Mutter zu werden, ist ein guter Anlass, sein Leben zu ändern“, sagt Privatdozent (PD) Dr. Jörg Reichert. Der Psychologe leitet den im Fachbereich Neonatologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin angesiedelten psychologischsozialmedizinischen Versorgungsbereich – kurz „FamilieNetz“, der seit mittlerweile acht Jahren vor allem Eltern zu früh oder krank geborener Kinder betreut. In diesen Fällen geht es vor allem darum, die elterlichen Bindungen zu den lange im Krankenhaus behandelten Kindern zu fördern und die Eltern darin zu begleiten, mit der daraus resultierenden schwierigen Situation umzugehen. Angesichts der Zunahme von Kindern, die infolge des Crystal-Konsums ihrer Mütter am Klinikum behandelt werden müssen, sah das Team um PD Dr. Reichert Handlungsbedarf und aufgrund der eigenen Erfahrungen auch Ansatzpunkte, den Süchtigen neue, innovative Angebote einer fachübergreifenden Betreuung zu unterbreiten. Die Initiative nutzt die Tatsache, dass die Schwangere beziehungsweise frisch entbundene Mutter mit ihrem Neugeborenen regelmäßig im Universitäts Kinder-Frauenzentrum ambulant oder stationär behandelt werden. Damit befinden sich die Betroffenen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ambulanz für Suchterkrankungen der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Diese Klinik bietet den Müttern im Rahmen des Klinikaufenthalts ihrer Kinder erste Therapiesitzungen an, um den Weg aus der Abhängigkeit zu finden. „Das ist unsere beste Chance, wenn wir junge Frauen und deren Familien weg von der Sucht führen wollen“ sagt Prof. Ulrich Zimmermann, Arzt und Suchtforscher am Dresdner Uniklinikum. Vor allem die Geburtsmediziner des Uniklinikums, die sich ebenfalls in der Initiative „Mama denk´ an mich“ engagieren, werben bereits vor der Geburt für diese Option. Die Zahlen der ersten zehn Projektmonate zeigen, dass diese besondere Form der Betreuung erfolgversprechend ist: Erfahrungsgemäß entscheiden die zuständigen Jugendämter in zwei Dritteln der Fälle, dass das Kind nach der Krankenhausbehandlung nicht in den Haushalt der Eltern entlassen werden kann, sondern in eine Pflegefamilie kommt. Bei den insgesamt 20 Müttern, die bisher das Angebot der fachübergreifenden Betreuung am Dresdner Uniklinikum wahrgenommen haben, drehte sich das Verhältnis um: Hier konnte in zwei Dritteln der Fälle das Kind in der eigenen Familie bleiben. „Wir nehmen die Frauen als Mütter und nicht als Süchtige an“, betont PD Dr. Reichert und hofft so, dass es durch  diese Haltung und den bisherigen Erfolg des Projekts für die Frauen attraktiv wird, sich der Sucht zu stellen. Der Wille, sich nach der Geburt neu zu orientieren und einen Weg aus der Abhängigkeit zu finden, reicht allein für den Ausstieg aus der Abhängigkeit nicht aus. Erst wenn Betroffene Hilfe annehmen und an einer Therapie teilnehmen, können sich Ärzte, Therapeuten, Sozialarbeiter und Jugendamt ein verlässlicheres Bild davon machen, ob das Kind in der eigenen Familie gut aufgehoben sein könnte. Deshalb werden die an der Betreuung beteiligen Klinikumsmitarbeiter angehört, bevor das Jugendamt entscheidet, wie es mit den Kindern weitergeht. „Der Umstand, dass diese vom Jugendamt anberaumten Fallkonferenzen im Universitätsklinikum stattfinden, ist ein großer Vertrauensbeweis für unsere Arbeit“, sagt Prof. Berner. Wie erfolgreich das Projekt „Mama denk´ an mich“ langfristig ist, soll in einer Studie untersucht werden, die alle betreuten Familien einschließt und deren weiteren Lebenswege untersucht. „Der finanzielle Aufwand für die Koordinatorin des Projekts und seine wissenschaftliche Begleitung wird derzeit noch aus Drittmitteln bestritten,“ so Professor Dr. Mario Rüdiger, Leiter des Fachbereichs Neonatologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, „Um diesen besonderen Betreuungspfad über die Grenzen des Großraums Dresden ausrollen zu können, bedarf es neben dem Beweis für die Wirksamkeit weiterer Projektpartner und Unterstützer. Unter den Müttern, die es nicht geschafft haben, gibt es einige, die an ihren weit von Dresden entfernten Heimatorten keine adäquaten Hilfsangebote finden konnten. Wenn deshalb ihre Kinder in eine Pflegefamilie müssen, tut es uns sehr leid, dass wir nicht helfen konnten“, sagt PD Dr. Reichert.