- Januar 15, 2022
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Bei vielen Menschen mit Gelenkrheuma schmerzen nicht nur die Gelenke. Auch in den umliegenden Weichteilen und entfernteren Regionen kann es zu Schmerzen kommen, die trotz niedriger Krankheitsaktivität oder Remission bestehen bleiben, worauf eine aktuelle Studie aus Schweden hinweist. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) betont für diese Fälle die Bedeutung einer angemessenen, je nach Ursache auch schmerztherapeutischen Behandlung.
Schmerzen bei rheumatoider Arthritis (RA), auch als Gelenkrheuma bekannt, wurden lange Zeit ausschließlich auf eine Entzündung der Gelenkhaut zurückgeführt, die als Synovitis bezeichnet wird. Die Synovitis ist für die Rötung, Schwellung und Erwärmung der Gelenke verantwortlich, die für die Betroffenen sehr schmerzhaft ist und auf Dauer die Gelenke zerstört. „Eine frühzeitige Behandlung der Synovitis kann die Patienten vor dauerhaften Gelenkschäden bewahren, und mit modernen Medikamenten gelingt dies heute auch in den meisten Fällen“, erklärt Professor Dr. med. Christoph Baerwald, Leiter des Bereichs Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig.
Doch nicht bei allen Rheumapatienten verschwinden mit der Krankheitsaktivität – der Entzündung – auch die Schmerzen. In der Studie aus Schweden, deren Ergebnisse jetzt auf der Jahrestagung des American College of Rheumatology vorgestellt wurden, klagten nach einem Jahr noch 32 Prozent der Patienten über inakzeptable Schmerzen, obwohl sie im Stadium einer frühen RA mit wirksamen Medikamenten behandelt wurden. Bei zwei Dritteln dieser Patienten hatten die Medikamente die Entzündungsreaktionen im Körper weitgehend gestoppt. „Die inakzeptablen Schmerzen ein Jahr nach der RA-Diagnose hängen also nicht mit der aktuellen Krankheitsaktivität zusammen“, erläutert Baerwald. Es gelte daher andere Prädiktoren für die wahrgenommenen Nicht-Gelenk-Schmerzen zu finden.
Die Studie liefert hierfür einen Hinweis: Patienten, die zu Beginn der Erkrankung im HAQ-Fragebogen („Health Assessment Questionnaire“) eine stärkere Einschränkung im Alltag angegeben hatten, litten häufiger unter anhaltenden Schmerzen. Frauen waren in der Studie 2,5 Mal häufiger betroffen als Männer. „Der Zusammenhang zwischen weiblichem Geschlecht und anhaltenden inakzeptablen Schmerzen könnte auf Geschlechtsunterschiede in der Schwere der Erkrankung oder in der Neigung zu chronischen Schmerzen hinweisen“, fasst Baerwald die Studienergebnisse zusammen. „Möglicherweise kommt es infolge der starken Entzündung zu Beginn der Erkrankung zu einer Sensibilisierung der Nerven, die dann auf leichtere Reize hin weiter mit Schmerzen reagieren.“
„Auf jeden Fall müssen Patienten mit solchen Nicht-Gelenk-Schmerzen ernst genommen und konsequent behandelt werden“, betont der Rheumatologe. Erfahrungsgemäß führe eine Dosissteigerung der Rheumamedikamente zu keiner Schmerzlinderung und trage nicht weiter zum Erhalt der Gelenke bei, wenn die Krankheitsaktivität bereits niedrig ist. Zum Einsatz kommen dann Medikamente zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen, wie beispielsweise Koanalgetika oder Antidepressiva. „Die alleinige Betrachtung der Gelenke greift zu kurz“, betont auch Professor Dr. med. Hendrik Schulze-Koops, Präsident der DGRh und Leiter der Rheumaeinheit des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Rheuma ist eine systemische Erkrankung des gesamten Körpers, die Behandlung muss deshalb auch Symptome am ganzen Körper beachten.“ Die behandelnden Rheumatologen sollten bei ihren Patienten persistierende Schmerzen bei zurückgegangener Krankheitsaktivität im Blick haben und diese bei Bedarf auch interdisziplinär mit Schmerztherapeuten gemeinsam behandeln.