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Spazierganz mit den "mëdlz"

Sie wurden als beste weibliche A-cappella-Pop-Band Europas ausgezeichnet und haben schon vor dem chinesischen Staatspräsidenten gesungen. Noch können die mëdlz auch im Fünferpack fast unbehelligt durch ihre Heimatstadt Dresden laufen. Das könnte sich bald ändern.ine, Mary, Nelly, Lydia und Silli wollen uns ihre Lieblingsorte in der Dresdner Neustadt zeigen.Wir treffen uns in der Kunsthofpassage, im Hof der Elemente. Das passt zu den mëdlz.

Einer meerblauen Fassade mit abenteuerlich angebrachten Regenrohren steht eine sonnengelbe, mit goldenen Aluelementen verzierte Häuserwand gegenüber. Zwischen beiden scheinen sich die Farben zu einem Grün zu vermischen. Läuft Wasser durch die Rohre, erklingt Musik – ein farbenfrohes Architekturschauspiel. Farben sind das Stichwort für Mary. Sie vergleicht die Charaktere ihrer Kolleginnen: „Wir sind wie fünf Farben, die sich im Farbkreis unterschiedlich beeinflussen und gegenüberstehen. Wir beißen, lieben, übertönen, ergänzen, erwärmen und erkalten uns. Unsere Aufgabe ist es, ein Bild zu malen.“
Gut gelaunt und unkompliziert einigen sich die fünf schnell auf unsere heutige Route.

mëdlz stehen immer vor Klamottenläden – singen sie in einem ihrer neuen, eigenen Lieder. „Zuerst Mrs. Hippie“, sagen sie wie aus einem Mund. Es ist der Lieblingsladen für alle. Lydia und Nelly outen sich als Shoppingfreaks: „Wir machen das so oft wie möglich.“ Für Mary, Bine und Silli ist der Zwang, ein neues Outfit finden zu müssen, „eher schrecklich – wir sind da wohl keine typischen Frauen“. Einigkeit in Kleiderfragen? Nicht immer. „Bühnengarderobe zu finden, nervt am meisten. Sich auf einen einheitlichen Stil zu verständigen, kann Diskussionen auslösen“, sagt Nelly. „Ein beliebtes Thema ist schwarz-weiß“, schmunzelt Bine. „Aber wir sind eine junge Band, wir dürfen auch Buntes anziehen.“

Weiter geht es in Richtung Hof des Lichts. Ein kurzer Stopp im „Youghal-Design“, einem Laden mit orientalischem Flair. Hier gibt es Schmuck, Windspiele, Ketten, Spiegel und Tücher zu bestaunen.
Ein Blick zur Tanzschule in der ersten Etage erinnert Bine und Silli an Zeiten, in denen sie hier Modern Jazz Dance trainierten. Durch den Hof der Fabelwesen erreichen wir die Alaunstraße. Hier biegen wir links ab. Vor einem Geschäft für Wohnaccessoires kommt Nelly ins Schwärmen: „Wenn ich viel Geld hätte …“ Die anderen schmunzeln. Anders als gecastete Bands kennen sie sich seit dem Grundschulalter, haben über ein Jahrzehnt gemeinsam im Philharmonischen Kinderchor Dresden gesungen und teilweise sogar in einer WG gelebt. Sie wissen um ihre Stärken und Schwächen und können möglicherweise deshalb souverän damit umgehen. Am meisten werden sie nach Zickenterror gefragt.

mëdlz müssen immer noch mal drüber reden. Das ist ihr Geheimnis. Thomas vom Management bestätigt: „Sie kennen sich so lange. Kommt eine herein, sehen die anderen schon, was los ist.“

mëdlz sind immer auf Diät. Aber auch: mëdlz essen die ganze Schokolade auf. „Das stimmt eher“, sagt Nelly, „Wir haben immer Hunger und essen für unser Leben gern.“ Wir biegen links in die Louisenstraße ein. Vor dem Kebab-Haus Istanbul ist der nächste Halt - Zeit für einen Dürüm. Nach einem kurzen Schwatz mit Hakan und Azeddin kehren wir um und laufen die Louisenstraße in Richtung Königsbrücker Straße entlang. Ehe wir den anvisierten Musikshop erreichen, wird das BROZZAS, ein angesagtes Schuh- und Klamottengeschäft, gestürmt. Wir kommen auf Sport zu sprechen. Die mëdlz interessieren sich für Fußball: „Das ist cool wegen der Typen“, lacht Silli. Wieder ernster erzählen die fünf über ihre Leidenschaft für die Volleyballerinnen des DSC, denen sie zuschauen, so oft es geht.

Im Musikinstrumenten-Laden 2.Pi.M angekommen, greift sich Nelly eine Gitarre und Bine bearbeitet einen Cajon, eine Art Sitz-Würfel, als Schlagzeug-Ersatz. Lydia, Mary und Silli amüsieren sich über kastagnettenartig klingende Früchte aus Plaste und singen dazu. Ladenbesitzer Peter freut sich über die spontane Session. Während Gurke, Banane, Paprika und Zitrone Töne entlockt werden, sinniert Thomas grinsend über den Titel eines möglichen nächsten mëdlz-Programms: „Querbeet – oder was man mit Obst noch so alles machen kann“.

mëdlz nehmen alberne Jungs in Kauf. Das ist kein Seitenhieb. Das Verhältnis zu den Kollegen vom Management-Büro ist locker und humorvoll, aber achtsam. Seit sieben Jahren werden sie von ihnen betreut und auf Termine fast immer begleitet. „Wir nennen sie liebevoll unsere Heimleiter“, verrät Lydia. Weil Männer ferngehalten werden?

Mëdlz müssen immer vernünftig sein. Singen sie und sind es wohl auch. Drei von ihnen sind in festen Händen. Mehr darüber soll nicht an die Öffentlichkeit, ebenso wie ihre bürgerlichen Namen. Warum auch? Viel Persönliches ist in die neuen mëdlz-Lieder eingeflossen. Tobias Künzel von den Prinzen ermunterte sie dazu und produzierte ihre neueste CD. Zu hören sind Erlebnisse, „die Mädchen ab zehn Jahren, aber auch Frauen bis zur Omi ansprechen“, fasst Bine die bisherige Resonanz zusammen. Treffsicher beobachtet und direkt, ironisch und augenzwinkernd, melancholisch und sexy klingen ihre musikalischen Geschichten über sich selbst („mëdlz“), über Betrug und Trennung, über Verbote und den Reiz des Verbotenen, über die Liebe mit allen Facetten. Natürlich.

Erlebnisse wie im Kino. Die mëdlz lieben Filme. Sie wollen uns unbedingt die Filmgalerie Phase IV auf der Königsbrücker Straße zeigen. „DIE Dresdner Programmvideothek!“, schwärmen sie. Tatsächlich finden wir hier alles, was das Kino-Herz begehrt: Filmklassiker, Dokumentarfilme, Musikfilme, Dramen, Komödien, Thriller und vieles mehr. Auf einer Empore begrüßen sie den „Anti-Mann“, eine Skulptur im Fernsehsessel mit Schlabber-Shirt und Bierbauch. Kein Anblick, den man lange ertragen möchte.

„Ein Kaffee wäre jetzt schön“, schlägt Silli vor. Die anderen stimmen zu, und so lassen wir uns an einem Tisch vor dem Café Europa nieder. Die Nachmittagssonne wärmt. Bei Latte Macciato, Milchkaffee, Cappuccino oder Kräutertee frage ich nach Lieblingskollegen der mëdlz. „Die Männer von K… (ehemals Karat)“, sind sich alle einig. Mit ihnen waren sie auf WINTERZEIT-Tour und mit ihnen verstehen sie sich auch menschlich gut. Die mëdlz sind dabei, der deutschen Musikszene eine gehörige Portion neuen Wind einzuhauchen.

Autorin: Dagmar Möbius (Disy Frühling 2007)

Daten und Fakten zu den "mëdlz"

• Bine, Mary, Lydia, Nelly und Silli, geboren
   zwischen 1980 und 1981,
• 1988 bis 1999 alle feste Mitglieder im
    Philharmonischen Kinderchor Dresden
• 1996 Gründung der „nonets“, Repertoire
    vorwiegend Coversongs
• 2003 das A-cappella-Album „samtweich“,
   Auszeichnung auf der internationalen
   „A Cappella Competition 2003“ in Graz mit
   Bronze, seitdem gelten sie als beste weibliche
   A-cappella-Pop-Band Europas
• Oktober 2005 Umbenennung der Band „nonets“
   in „mëdlz“
• August 2006 - das erste Album der mëdlz

Mehr Infos: www.medlz.de