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Mit Ingrid Biedenkopf Ohr an Ohr

Die überwaltigende Herzlichkeit von Ingrid Biedenkopf, Gattin des ehemaligen Ministerpräsidenten Sachsens Kurt Biedenkopf, überrascht immer wieder. So auch Christine Salzer beim höchstoffiziellen Interview, nachdem die beiden mehrere Jahre in Hosterwitz unmittelbar Nachbarn waren, ohne sich jemals gesehen zu haben.

Na, wie hat Ihnen der SemperOpernball gefallen?
Ingrid Biedenkopf:
Alles, was ich hier tue, verbinde ich mit den Sachsen. Der SemperOpernball ist für mich, die ich das zerstörte Dresden vor über zwanzig Jahren erlebt habe, eine Hommage an Sachsen. Er ist für mich ein Ausdruck von Freiheit und dem, was geschehen kann, wenn die Menschen frei handeln können, nachdem sie sich in eine Freiheit hineingefunden haben, die sie vorher nicht hatten. Auch Freiheit muss man erst lernen, auch die Fallstricke, aber vor allem das Schöne: dass man vieles erreichen kann. Was aber auch zur Freiheit gehört ist, dass man lernt, sich zu begrenzen. Darum müssen wir alle uns immer wieder bemühen - und wie wir heute sehen, ist das nicht ganz leicht.

Woran spüren Sie besonders, dass die Sachsen sich an ihre Freiheit gewöhnt haben?
Ingrid Biedenkopf: An der Art, in der sie das Leben meistern, wie sie mit dem Umbruch vor mehr als 20 Jahren fertig geworden sind, der doch riesengroß war. Es waren unglaubliche Veränderungen, die auf die Menschen zukamen. Die haben sie - wie man sieht - mit Bravour gemeistert.

Welche Veränderung war für Sie besonders erstaunlich?
Ingrid Biedenkopf:
Für mich sind die Menschen das Wichtigste. Erstaunlich und bewundernswert war für mich, wie schnell sie sich in die große Veränderung nach der Wiedervereinigung hineingefunden haben. Das war eine ganz wunderbare Erfahrung: dass sie keine Angst hatten und sich in ihrer großen Mehrheit nicht verschlossen, sondern bei der Bewältigung der Veränderungen optimistisch zusammengearbeitet haben. Mein Mann hat vorausgesagt, was auf die Sachen zukommen werde: "Wir werden eine Generation brauchen." Wir hatten damit gerechnet, dass die Erneuerung des Landes rund dreißig Jahre dauern werde. Nach dieser Schätzung hätten wir heute noch ein paar Jahre übrig. Viele haben an der Verwirklichung der Ziele mitgewirkt und schnell gelernt, vorauf es ankommt. Der Freistaat Sachsen hat sich hervorragend entwickelt, darüber freuen wir uns sehr.

Wo spürt man beim SemperOpernball diese Freiheit besonders deutlich?
Ingrid Biedenkopf: Man spürt sie überall. Vor allem daran, dass die Dresdner auch vor dem Opernhaus auf dem Theaterplatz feiern, tanzen und singen. Heute steht das glanzvolle Opernhaus allen offen. Ein Jahr vor dem Fall der Mauer war das noch nicht so. Als wir damals als Gäste der Körber-Stiftung in Dresden waren, standen der Stiftung zwar alle Türen zur Semperoper offen; für die Sachsen selbst war der Zutritt zum Opernhaus allerdings fast unmöglich. Heute steht das Haus für jeden Besucher offen. Auch das ist ein Stück Freiheit. Sie haben in Dresden schon einiges bewegt.

Was füllt Sie im Augenblick aus?
Ingrid Biedenkopf: Ich hatte in der Zeit, in der mein Mann Ministerpräsident war, ein Büro mit vier Mitarbeiterinnen, die mich bei meiner Arbeit, den Menschen zu helfen, unterstützt haben. So habe ich beispielsweise helfen können, das Kurbad Schlema wieder aufzubauen. Viele Zuschriften aus ganz Sachsen von Menschen, die Hilfe brauchten, haben mich erreicht. Ich habe versucht, ihnen zu helfen. Wenn Sie vom Kurort Bad Schlema sprechen: der Ort ist bekannt für das radonsichere Bauen und überhaupt für das Radon-Problem.

War das auch ein Problem, mit dem Sie selbst konfrontiert wurden, während Ihrer Unterstützungsarbeit für den Ort?

Ingrid Biedenkopf: Natürlich hätte ich diese Aufgabe allein niemals bewältigen können. Aber ich hatte die Möglichkeit zu helfen. Die treibende Kraft war der Bürgermeister Konrad Barth, viele engagierte Bürger von Schlema, aber auch Professoren, Ärzte und Mitarbeiter der Wismut. Sie alle habe ich bei meinem ersten Besuch in Schlema getroffen. Mit dabei war auch der Staatssekretär im Umweltministerium Herr Angst. Er war bereit, mich zu unterstützen. Wir haben damals viele Stunden diskutiert und nach Lösungen gesucht. Am Ende war ich überzeugt, dass es gelingen könnte, Bad Schlema wieder zu seiner früheren Bedeutung zu verhelfen. Dafür brauchte ich die Hilfe meines Mannes. Heute ist Bad Schlema ein blühendes, staatlich anerkanntes Kurbad. Ein Ort, der seinen Besuchern Gesundheit und eine Traumlandschaft bieten kann, sogar einen Golfplatz.

„Aber zu einem erfüllten Leben gehören nicht nur Gesundheit und Aufgaben, sondern auch ein Ort, an dem man sich zu Hause fühlt. Für uns sind das Dresden und Sachsen.“

Gibt es noch andere Episoden, an die Sie sich gerne erinnern?
Ingrid Biedenkopf: Ja, derer gibt es viele. Wir könnten mit Ihnen ein Buch füllen. Ein Beispiel: als das Kempinski Hotel Taschenbergpalais in Dresden wieder aufgebaut war, habe ich dort den ersten großen Benefizball organisiert. Da fehlte noch manches. Aber viele kamen und haben mich unterstützt. Sie haben dazu beigetragen, dass die folgenden Bälle immer schöner, heller und fröhlicher wurden. Die Menschen haben sich zusammengefunden und ich weiß, viele Freundschaften sind dort entstanden und viele Geschäftskontakte wurden geknüpft.

Haben Sie Ihr Büro heute noch?
Ingrid Biedenkopf: Nein, ich habe kein eigenes Büro mehr. Auch deshalb habe ich mich von fast allen meinen Schirmherrschaften getrennt. Mein Mann ist wieder als Anwalt und vor allem als Wissenschaftler tägig. Er hat ein Büro in Dresden und unterstützt mich, wenn es nötig ist. Der Umfang meiner Arbeit hat sich jedoch wesentlich reduziert. Trotzdem habe ich - als frühere Schirmherrin - zum Beispiel, gerade ein Grußwort für das 20jährige Jubiläum der Domus Rumänienhilfe verfasst, das im Rahmen eines wundervollen Treffens in Flöha gefeiert wurde.

Was ist das für ein Verein?

Ingrid Biedenkopf: Dieser Verein hat großartige Hilfsarbeit in Rumänien geleistet. Da gab es Kinderheime, die Kindern, die auf der Straße gelebt haben, Zuflucht boten. Allerdings hatten die Kinder dort nicht die Möglichkeit zu lernen, wie man das eigene Leben selbst in die Hand nimmt. Sie wurden lediglich mit dem Notwendigsten versorgt und wussten nicht, wie man einkauft oder kocht. Die Kinderheime wurden geschlossen. So saßen die Kinder wieder auf der Straße. Inzwischen reisten Unterstützer des Vereins, die Pfarrer Klaus Rudolph gewinnen konnte, nach Rumänien und setzten sich dort für den Bau neuer Heime ein. Sie übernahmen die Leitung dieser Häuser, so dass die Kinder nicht auf der Straße leben mussten. Ich habe ein Grußwort an den Verein gerichtet und eine Spende zur finanziellen Unterstützung überwiesen - deshalb ist mir die wichtige Arbeit des Vereines gerade so gegenwärtig.

Welche Schirmherrschaften haben Sie momentan inne?
Ingrid Biedenkopf: Ich habe vor Jahren die Schirmherrschaft für die Multiple Sklerose Gesellschaft in Sachsen übernommen und habe sie bis heute. Allerdings hoffe ich, dass ich sie in naher Zukunft in jüngere Hände geben kann. Gerade bin ich damit beschäftigt, Vorträge für die von der Krankheit Betroffenen zu organisieren. Dabei kümmere ich mich vor allen Dingen um gesunde Ernährung, weil ich überzeugt bin, dass viele Zivilisationskrankheiten durch die Art hervorgerufen werden, wie wir essen, und dass man mit gesunder Ernährung eine Menge richten kann. Dank der von mir favorisierten Ernährungsweise nach Schaub bin ich mit fast 83 Jahren noch genau so leistungsfähig, wie ich es mit 60 war.

Was hat Sie das Leben gelehrt?

Ingrid Biedenkopf: Man sollte ein Ziel haben, das man nie aus dem Auge verlieren darf. Dass man von dem Glück, das man bekommt, so viel wie möglich an Andere weiter geben sollte. Ich bin sehr dankbar dafür, weil ich einen großartigen Mann habe. Mich hat das Leben gelehrt, dass man dankbar sein sollte. Ich möchte jedem raten, niemals aufzugeben und vor allem nicht den Mut zu verlieren. Viele Menschen in Sachsen haben ihn auch in schweren Zeiten nicht verloren. Man sollte nie aufgeben - es wird immer eine Möglichkeit kommen, die in die richtige Richtung weist. Den Optimismus und zuversichtlichen Blick in die Zukunft zu bewahren, dies rate ich jedem. Ja nicht aufgeben und so in eine Stimmung geraten, in der alles kaputt, aus und zu Ende zu sein scheint. Es gibt immer einen Weg, wenn man etwas wirklich will.

Sie sind viel in Bewegung und unterwegs. Befindet sich Ihr Lebensmittelpunkt noch in Dresden oder hat sich daran etwas geändert?

Ingrid Biedenkopf: Mein Mann arbeitet vor allem in Dresden. Ungefähr ein Viertel des Jahres verbringen wir uns in unserem Haus in Bayern. Wir konnten das Haus während seiner Zeit als Ministerpräsident Sachsens halten. Aber ich konnte mich nicht um das Haus kümmern. Nach dieser Zeit war nun eine Menge zu tun. Wir wollten das Haus gerne für die Nutzung im Alter erhalten. Wann dieses Alter beginnt, und ob wir dann wirklich ausschließlich dort leben werden, weiß ich heute noch nicht.

Das heißt, Sie sind oft in Dresden ...
Ingrid Biedenkopf:
Ja, wir sind oft in Dresden, allerdings haben wir hier keine Wohnung mehr. Während unserer Aufenthalte nutzen wir eine Suite in einem hübschen kleinen Hotel in der Nähe der Frauenkirche. Es wird sehr gut geführt und wir fühlen uns dort sehr wohl. Manchmal bleibe ich auch in Bayern, wenn mein Mann nach Dresden reist, um dort zu arbeiten. Wir besuchen beide viele Veranstaltungen, an denen mein Mann auf verschiedene Weise mitwirkt. Ich bemühe mich auch heute noch, ab und an zu helfen - vor allem Multiple Sklerose Erkrankten. Doch ich beschäftige mich auch mit anderen Dingen. Mein Mann besucht auch Veranstaltungen mit medizinischen Themen, die uns beide interessieren. Wir halten es für wichtig, Wege zu finden, die den Menschen zeigen, wie sie bis ins hohe Alter gesund leben können. Die Menschen müssen auch selbst für die Erhaltung ihrer Gesundheit sorgen. Aber sie müssen wissen, was genau sie dafür tun können.

„Mich hat das Leben gelehrt, dass man dankbar sein sollte. Man sollte nie aufgeben. Es wird immer eine Möglichkeit kommen, die in die richtige Richtung weist.“

Was müssen Sie den tun?
Ingrid Biedenkopf: Ich zum Beispiel esse kein Brot und keine Nudeln mehr, nichts was aus Mehl hergestellt wird. Stattdessen esse ich Kartoffeln in allen möglichen Versionen. Natürlich auch keinen Kuchen und nichts Süßes, weil diese Produkte nach meiner Erfahrung zur Übersäuerung des Körpers beitragen.

Das wundert mich ein bisschen. Es sind ja langstreckige Kohlenhydrate in der Kartoffel wie im Weizen ...
Ingrid Biedenkopf: Stimmt, aber die Kartoffel ist eine basische Ernährung und ein paar Kohlenhydrate benötigt der Körper. Mit der Kombination von 60 Prozent Eiweiß und 40 Prozent Kohlenhydrate bin ich hervorragend gefahren. Aber man muss sich allmählich an die Umstellung gewöhnen.

Das ist aber traurig.

Ingrid Biedenkopf: Weshalb?

Ich finde es traurig gar nichts Süßes zu essen.

Ingrid Biedenkopf:
Schön. Die Traurigkeit über eine Krankheit wäre sicher größer, als die über den Verzicht auf Süßigkeiten.

Das ist wahr.
Ingrid Biedenkopf: Ich weiß nicht, ob Sie mich in der letzten Zeit gesehen haben, aber ich bekomme immer wieder gesagt, dass ich nicht wie eine fast 83jährige wirke. Ich freue mich darüber und möchte den Menschen mitteilen, was mich so gesund hält - das ist eine besondere Aufgabe, die ich mir gestellt habe. Aber zu einem erfüllten Leben gehören nicht nur Gesundheit und Aufgaben, sondern auch ein Ort, an dem man sich zu Hause fühlt. Für uns sind das Dresden und Sachsen. Mein Mann bekleidet zwar kein politisches Amt mehr. Dennoch kennen uns die Menschen und viele mögen uns. Darum sind wir so gern hier und fühlen uns hier aufgehoben.