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Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz über ihre Reise in die Vergangenheit und ihren komplizierten Namen
Sie ist gebürtige Grazerin, lebt mit ihrer Familie sei vielen Jahren in München: Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz (49). Die Wurzeln der Österreicherin mit dem komplizierten Namen liegen aber im ehemaligen Jugoslawien. Und so begab sich die Schauspielerin, die man aus TV-Formaten wie „Tatort“ oder „Einsatz in Hamburg“ sowie aus Kinofilmen wie „Das Sams“ oder „Klimt“ kennt, nun auf eine spannenden Reise. Auch in ihre eigene Vergangenheit. Für das neue Doku-Format „Guardians of Heritage – Die Hüter der Geschichte“ des TV-Senders History reiste sie nach Sarajevo. Die neue Eigenproduktion, in der als einer der Protagonisten Hannes Jaenicke zu sehen ist, behandelt ein brandaktuelles Thema: den kulturellen Genozid und die Bedeutung des Erbes der Menschheit. Aglaia Szyszkowitz begab sich In der bosnischen Hauptstadt für das neue TV-Format auf eine spannende Reise: Sie besuchte u.a. die Sporthalle, wo 1984 die Olympischen Winterspiele stattfanden, das benachbarte Olympische Museum, die Nationalbibliothek im Rathaus von Sarajevo, die im Bosnienkrieg zerstört und wieder aufgebaut wurde, aber heute leer steht. sowie ein „War Hostel“ und traf dort Zeugen des Bürgerkriegs. Zurück in München erzählt sie beim Interview nicht nur von den spannenden und aufwühlenden Dreharbeiten und ihrem neuen Job als „Botschafterin der Kulturen“, sondern auch von ihren persönlichen Erinnerungen an den Balkan. Und sie verrät, warum sie ihrem 50. Geburtstag im Januar nächsten Jahres nur positiv entgegen sieht und warum sie auch eine “Partymaus” ist.
Wie kam es dazu, dass Sie in Sarajewo für den Sender History vor der Kamera standen?
AS: Ich habe einen Anruf vom Sender bekommen – und das Projekt hat mir von Anfang an gefallen. Dadurch, dass ich Österreicherin bin, genauer gesagt Steirerin, habe ich natürlich eine andere Verbindung zum ehemaligen Jugoslawien als beispielsweise eine deutsche Schauspielerin. Ich bin an der Grenze zu Slowenien aufgewachsen. Wir hatten früher viel Kontakt zu Kroaten, Slowenen und Bosniern, von Graz aus ist es ja nur ein Katzensprung. Ich bin zudem sehr interessiert an Geschichte im Allgemeinen, ich habe mal überlegt, das zu studieren. Und ich reise sehr gerne, insofern war dieses Projekt für mich perfekt. Was ich ganz besonders spannend fand: Menschen zu treffen, die „Guardians of Heritage“ sind, d.h. die das Kulturerbe schützen, das ist eine sehr schöne und ehrenhafte Aufgabe. Die drei Drehtage waren von Anfang bis Ende sehr interessant und vor allem auch sehr berührend. Ich habe viele Menschen getroffen, die nach diesen vier Jahren des Bosnienkriegs nach wie vor traumatisiert sind, die aber eine ungeheure Kraft entwickelt haben, damit umzugehen.
Welche Begegnung hat Sie besonders berührt?
AS: Die mit einer Maskenbildnerin vor Ort. Sie hat mir erzählt, dass eine ihrer besten Freundinnen damals angeschossen wurde. Man hat versucht, ihr sowohl in die Beine als auch in den Kopf zu schießen. Nach dem ersten Schuss in die Beine wurde ihr Kopf aber Gott sei Dank verfehlt und sie konnte in Sicherheit gebracht werden. Mit der Verletzung der Beine kämpft sie heute noch, ebenso mit der Tatsache, dass die Sniper damals bewusst auf ein 15-jähriges Mädchen gezielt haben, das auf dem Weg in die Schule war. Sie haben jahrelang immer wieder auf wehrlose Zivilisten geschossen, Kinder, alte Menschen, die sich am Markt für Wasser oder Brot angestellt haben. Und die Menschen mussten ihre Häuser verlassen, sie wären sonst zu Hause verhungert und erfroren, sie mussten versuchen, etwas zu essen und Holz zu organisieren. Mit unserem Team vor Ort haben wir am zweiten Tag ein sogenanntes „Kriegshotel“ besucht, das „War Hostel“, ein wirklich absurder Schauplatz, der bei uns allen sehr widersprüchliche Gefühle hervorgerufen hat. Der Beschuss der Stadt und die Granateneinschläge von damals werden dort von einem Tonband abgespielt. Unsere bosnischen Begleiter haben es dort verständlicherweise kaum eine Minute lang ausgehalten. Interessant war der Besuch des Historischen Museums von Bosnien und Herzegowina. Dort gibt es eine Ausstellung der Bewohner Sarajewos, in der gezeigt wird, mithilfe welcher Gegenstände die Menschen damals überlebt haben. Alles in allem haben mich die Geschichten der Menschen, mit denen wir dort gearbeitet haben, am meisten berührt. Sie haben uns alle so tapfer oder wie nenne ich das ... so gefasst von Ort zu Ort geführt. Und man merkt, dass immer noch eine Wunde in der Gesellschaft klafft, die wohl niemals ganz heilen wird.
Warum ist es in Ihren Augen wichtig, ein solches Thema ins Fernsehen zu bringen?
AS: Ich denke, dass jede Form der Kunst eine Chance bietet, etwas zu verarbeiten, was traumatisierend war, für die Beteiligten wie auch für die, die von außen zusehen mussten. Es gab viele Künstler, die in dieser Zeit nach Sarajewo gereist sind: Die Regisseurin Susan Sontag zum Beispiel hat vor Ort ein Theaterstück realisiert. Kultur bietet die Möglichkeit, Dinge zu verarbeiten und darauf aufmerksam zu machen, was ein Krieg anrichten und zerstören kann, was Brutalität anrichten kann. Es ist wichtig, allen klar zu machen, dass es diese Kulturstätten gibt und dass sie erhalten werden müssen.
Welche positiven Momente gab es während dieser Dreharbeiten?
AS: Die Reise nach Sarajewo war für mich ein wunderbarer Impuls. Ich habe wieder mal gesehen, dass Europa voller Schätze steckt, die es zu heben gilt! Man kann hier so viel tun, indem man zum Beispiel den Kulturaustausch vorantreibt. Die Direktorin des Historischen Museums hat mir erzählt, dass es überhaupt kein Budget für Kultur in Bosnien gibt. Zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen gibt es kaum Verbindendes. Ich bereite derzeit in Graz ein Festival mit slowenischen Musikern und steirischen Schauspielern vor. Man muss innereuropäisch zusehen, dass man die Grenzen öffnet und mit den Künstlern aus den Nachbarländern zusammenarbeitet. Durch den kulturellen Austausch kann man viel bewegen! Gerade mit Musik kann man über die Grenzen der Sprache hinaus sehr viel erreichen.
Es war auch eine Reise in Ihre eigene Vergangenheit, richtig?
AS (nickt): Mein Großvater wurde in Kroatien geboren. Er hat sich sein ganzes Leben lang an die warme Mittelmeer-Küste zurück gesehnt. Als der Krieg damals ausbrach, musste er mit seinem Vater nach Graz flüchten. Mein Urgroßvater hat damals die kroatischen Inseln für den Kaiser aufgeforstet. Er war kaiserlicher Beamter und musste, als das ganze System auseinander fiel, natürlich das Land verlassen. Ich selbst verstehe die Sprache nicht, leider! Aber als Kinder – von Graz aus ist es ja nicht weit nach Kroatien – haben wir viele Urlaube dort verbracht. Ich kenne die Gegend demnach sehr gut. Die vielen Urlaube, aber auch die Menschen von dort, die bei uns in Graz gelebt und gearbeitet haben – auf diesen Erinnerungen basiert meine Verbindung dorthin.
Kommt daher auch ihr komplizierter Nachname?
AS: Nein, der Name hat einen polnischen Ursprung. Mein Urgroßvater ist damals von Schlesien nach Kroatien gezogen. Insofern liegt der Ursprung meines Nachnamens in Polen. Aber natürlich hat man durch diesen Namen eine Verbindung zu allem, was slawisch klingt. Es ist anders, als wenn man Müller (wie mein Mann lustigerweise), Schmidt oder Maier heißt.
Sie leben in München, kommen aus Graz und haben slawische Wurzeln. Wo fühlen Sie sich zu Hause?
AS: Ich bin ein Multi-Kulti-Mensch. Ich bin wie schon erwähnt unheimlich gerne auf Reisen. Momentan möchte ich unbedingt mein Italienisch und Spanisch verbessern. Als nächstes möchte ich dann mit Kroatisch und Bosnisch weitermachen. Ich spreche ganz gut Französisch und Englisch. Wie ich es auch immer meinen Kindern sage: Sprachen eröffnen uns die Welt. Ich lebe mittlerweile aber lange in Deutschland und habe eine deutsche Großmutter. Ich verdanke diesem Land sehr viel. Mein Mann ist Deutscher, meine Kinder wurden in Deutschland geboren. Ich würde mich selbst halb als Deutsche und halb als Österreicherin bezeichnen. Ich bin zur Zeit aber wieder öfter in Österreich, da ich dort wieder mehr arbeite. Meine österreichischen Wurzeln haben mich durchaus sehr geprägt. Meine Eltern leben in Graz und ca. einmal in zwei Monaten bin ich dort.
Wie wichtig ist es Ihnen, dass Ihre Kinder die Heimat ihres Großvaters bzw. Urgroßvaters kennen lernen?
AS: Sehr wichtig. Kindern ein Gefühl für ihre Heimat und ihre Wurzeln zu vermitteln, ist essentiell. Das sollten alle Menschen tun. Vor allem diejenigen, die ihr eigenes Land verlassen haben, wobei das gerade für diese Menschen oft unmöglich ist. Ich plane gerade eine Reise nach Polen mit meinen Kindern, meiner Schwester und meinem Vater. Es ist mir wichtig, dass meine beiden Kinder Europa kennen lernen.
Sind Ihre Kinder schon sehr selbstständig oder brauchen sie ihre Mutter noch sehr?
AS: Der Größere, er ist 19 Jahre alt, ist schon sehr selbstständig. Aber der Jüngere ist mit seinen 14 Jahren mitten in der Pubertät. Der braucht mich noch sehr, was er selbst aber anders sieht.
Wie bringen Sie Job und Familie unter einen Hut? Sind Sie Workaholic?
AS: Ein bisschen würde ich mich schon als Workaholic bezeichnen. Es gibt immer irgendetwas Berufliches zu tun... Ich bereite gerade eine Lesung in Graz vor und eine in Wien und zwei Filme. Wie die meisten kreativen Menschen bin ich eben immer mit irgendwas beschäftigt.
Wie geht es beruflich für Sie weiter? Welche neuen Projekte gibt es außer den „Guardians of Heritage“?
AS: „Ich würde sofort wieder ein solches Projekt machen! Ich habe jetzt den Dokumentarfilm für mich entdeckt... Nein, Spaß beiseite. Aber mit Emanuel Rotstein, dem Produzenten beim Sender History, würde ich mich sofort wieder auf eine Reise begeben. Mich hat das Fragenstellen fasziniert, zu einem Thema, das so spannend und besonders ist. Ansonsten bereite ich gerade einen neuen Kinofilm in Wien vor. Er basiert auf einem Theaterstück mit dem Titel „Die Wunderübung“. Außerdem drehe ich einen Fernsehfilm für die ARD hier in Bayern. Eine neue Reihe, in der ich die Hauptrolle spiele.
Sie feiern nächstes Jahr im Januar einen runden Geburtstag. Mit welchen Gefühlen gehen Sie an die 50?
AS: Ich freue mich sehr auf diesen Geburtstag. Ich weiß noch nicht genau, wie ich ihn feiern werde, vielleicht auf dem Land. Feiern werde ich ihn aber auf alle Fälle. Ich bin nämlich auch eine Partymaus.
Interview: Andrea Vodermayr