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Karl Lagerfeld: Modeschöpfer mit tausend Gesichtern

Ob Pret-à-porter, Opernkostüme, Parfüm oder Coca Cola Flaschen, dieser Mann konnte!

Der visionäre, vielseitige und ikonische Karl Lagerfeld ware zweifelsohne ein großer Geist des aufklärerischen Zeitalters gewesen. Der Modeschopfer, Fotograf, Verleger, Designer und Regisseur hat ein Universum aufgebaut, in dem jede Linie genau durchdacht ist und es auf jedes Detail ankommt. Lesen Sie das Portrait eines der außergewöhnlichsten Mode-Genies unserer Zeit.

Karl Lagerfeld - dieser rationelle Geist hat einen einschneidenden, hochmodernen, durch und durch strukturierten Stil hervorgebracht. Klasse und Haltung drücken sich in grafischen Zeichen aus, die den Namen der Mode ein unverwechselbares Gepräge verleihen. Karl Lagerfeld erfasst instinktiv jedes Molekül der Atmosphäre und verwandelt es in Stimmung. Sein Stil wurzelt in einer kosmopolitischen Kultur, in der perfekten Kenntnis der Sprachen, die er sich in Hamburg aneignete, wo er 1938 geboren wurde. Nach Abschluss seiner Schulausbildung wandte er sich der Modebranche zu und wurde bereits im Jahr 1954 mit dem Woolmark Prize ausgezeichnet. Der von ihm zu diesem Anlass kreierte Mantel, der die Aufmerksamkeit der Jury auf sich zog, wurde von Pierre Balmain angefertigt, der das Talent des Neulings sofort erkannte und ihn zu seinem Assistenten machte. Drei Jahre später wurde Kar! Lagerfeld der künstlerische Leiter des Hauses Jean Patou. Karl Lagerfeld fasziniert, spricht an und lässt nie gleichgültig. Seine Fähigkeit, die Dynamik von Morgen zu erfassen, ihr zuvorzukommen und sie zu verarbeiten, ist bewundernswert. In einer Zeit, in der das Pret-àporter noch in den Kinderschuhen steckte, begann er seine Karriere als freier Modeschöpfer und arbeitete in Frankreich, Italien, England und Deutschland. In Paris verlieh er Chloe seine persönliche Note, in Rom den Pelzen von Fendi neue Impulse. Die Zusammenarbeit mit dem italienischen Modehaus begann im Jahr 1965 und weitete sich im Laufe der Jahre bis heute auf alle Kollektionen des Pret-à-porter aus. Trotz der Vielseitigkeit seines Stils hat Karl Lagerfeld sein ganz eigenes Gepräge, das er seiner persönlichen und seinen Namen tragenden Linie seit 1984 verleiht. Ein Jahr zuvor erhielt er den Auftrag, den Namen Chanel aufzufrischen. Allmählich wandelte er das alte Erscheinungsbild um, gab dem Namen ein neues Image und brachte frischen Wind in das Haus, das dadurch seine führende Stellung in den Bereichen Luxusartikel und Mode behielt. Von 1992 bis 1997 kreierte der unermütliche Haute Couturier und Designer erneut Kollektionen für Chloe, eröffnete ein neues Kapitel unter seinem eigenen Namen und gründete 1998 die Lagerfeld Gallery (das Modehaus kehrte 2006 zum Namen seines Gründers zurück: Karl Lagerfeld). Lagerfeld ist für alles offen, was seine Umwelt ihm bietet. Er nimmt auch Herausforderungen an, die der Massenmarkt an ihn stellt, und kreierte dreißig Modelle für H&M. Diese Erfahrung bildet den Grundstein für eine neue Idee, einen "Neuanfang", dessen Fundamente 2010 gelegt werden und der für das Jahr 2011 eine vollkommen neuartige Auslegung des Begriffs Linie verspricht: ein Pret-à-porter für jedermann, durchdrungen vom Luxus und der Qualität des Stils von Lagerfeld. "Ein Elitedenken für alle, davon habe ich schon immer geträumt( ... ), das ist der Weg des Modernen. Mir gefällt das, was ich noch nicht ausprobiert habe", sagt Karl Lagerfeld, und da ihm der Erfolg, den er im Laufe seiner Karriere in der Mode erzielt hat, nicht ausreicht, sucht er nach neuen Ausdrucksformen, darunter die Kreation von Opernkostümen, die Neugestaltung der Flaschen von Coca Cola Light, ein neuer Look für Bearbrick von Medicom Toy und die Steiff-Tiere, die Eröffnung der Buchhandlung 7L im Jahr 1999 und die Gründung des gleichnamigen Verlags im darauf folgenden Jahr. Im Jahr 1975 fand er mit dem Parfum von Chloe eine weitere Form des Ausdrucks. Weitere Düfte kamen hinzu: Lagerfeld pour Homme (1978), Jako (1998), Kapsule (2008) und 1991 Photo, eine freche zitrusfruchtige Duftnote, die jenem Lagerfeld zuzuzwinkern scheint, der seit einigen Jahren hinter das Objektiv getreten ist. "Es hat mich schon lange, bevor ich mit dem Fotografieren begann, beeindruckt, meine Anschauung der Dinge über ein anonymes "Gerät" ausdrücken zu können, so als sei es ein Pinsel oder ein Bleistift." Von da an entwirft Karl Lagerfeld persönlich alle Werbekampagnen für die Markennamen, für die er auch als Designer tätig ist. Unter seiner Leitung zeigen Claudia Schiffer, Vanessa Paradis, Diane Kruger, Lilly Allen, sowie die Topmodels Freja Beha Erichsen, Coco Rocha, Elisa Sedanoui oder Baptiste Giabiconi ein neues Gesicht und bekommen eine neue Rolle. Aus dieser Leidenschaft für die Fotografie heraus entstanden zahlreiche Werke, die bei Steidl erschienen (darunter Beauty of violence, 2010) sowie Dutzende von Fotoserien für Zeitschriften. "Die Fotografie ist zu einem Teil meines Lebens geworden. Ein Leben ohne sie ist für mich nicht denkbar. Ich betrachte die Welt und die Mode mit dem Auge des Fotoapparates. Dadurch gewinne ich bei meiner Arbeit einen kritischen Abstand, der mir mehr hilft, als ich es jemals erwartet hätte." Karl Lagerfeld ist nicht nur wegen seines Sinns für Stil und Klasse so gefragt, sondern auch für seinen Sinn fürs Bild, für die visuelle Identität, die sein Werk auf dem Papier ausstrahlt. Sei es für Werbekampagnen und Modezeitschriften oder für Ausstellungen bei Art Basel, in der Maison Europeenne de Ia Photographie, im Schloss Versailles, in Tokio, New York oder Berlin: Sein unverkennbarer Stil dringt immer wieder durch, "eine besondere Anschauung der wirklichen Welt", wie Anne Cartier-Bresson es ausdrückte. "Papier ist das Material, das ich bevorzuge. Es ist Ausgangspunkt einer Zeichnung und Ziel einer Fotografie." Dieses Gespür für die Fotografie und der Sinn für die szenische Darstellung führten Karl Lagerfeld unweigerlich zur Regie für das Kino. Ergebnis dieser neuen angewandten Kunstform sind die Kurzfilme Remember Now, Vol de Jour, Shopping fever und schließlich La Lettre, die Lagerfelds Auffassung von Ästhetik zum Ausdruck brachte.