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Horst und die gute Kartoffel

Horst Lichter erzählt über gutes Essen Teil 2

Von Horst Lichter

 

Ich liebe Kartoffeln. Sie sind aus meiner Küche nicht wegzudenken.Die vielen Gerichte, die durch die Kartoffel veredeltwerden, sind längst Klassiker und haben bis heutejeden modischen Trend überstanden:„Himmel un Äd“ aus meinerrheinischen Heimat, das legendäre Wiener Schnitzel mit lauwarmemErdäpfelsalat oder die Berliner Kartoffelsuppe– um nurein paar zu nennen.

 

Ich liebe Kartoffelpüree!

Aber wer mich wirklich kennt oder schon mal in einer meiner LiveShowswar, der weiß noch mehr über meine große Liebe Kartoffeln. Denn ich würde sogar so weit gehen und mich an dieser Stelle eindeutigund mit ganzem Herzen festlegen: Ich liebe vor allem Kartoffelpüree.Was gibt es Schöneres, als mit einer Gabel voll des herrlichfrischen, fluffigen und köstlichen Kartoffelpürees durch ein leckeres,sämiges Bratensößchen zu pflügen? Das war schon als Kind für michdas größte Schlemmervergnügen. Herrschaften, Kartoffelpüree gehtimmer! Und wer es mal anders probieren will, der hebt einfach einLöffelchen frisches Pesto unter. Herrlich! Oder verfeinert das Püreemit einem Schuss leckerem Olivenöl,frisch gehacktem Rosmarin undschwarzem Pfeffer. Mehr braucht es manchmal gar nicht, um meineGeschmacksknospen zu erfreuen.

 

Kindheitserinnerung Kartoffelfeuer

Als Kinder haben wir oft unter den wachsamen Augen unserer Väterim kalten Herbst bei anbrechenderDunkelheit ein Feuer gemachtund in die erlöschende Glut dann dicke Kartoffeln gelegt. Mit einemordentlich angeschnitzten Stock haben wir die schwarzen Kartoffelnnach 15 endlosen Minuten aus der Asche gepiekst, mit dem Taschenmesserdie sauheiße Schale abgeschabt und dann vorsichtig das köstlichdampfende Fleisch verputzt. Wenn ich nur an das wärmende Feuer,unsere aufgeregte Vorfreudeund die leckeren Erdäpfel denke, wirdmir warm ums Herz.Leider hat die Kartoffel nicht immer den besten Ruf, ich erinnere hiernur ungern an verunglimpfendeSprachkreationen wie „Sättigungsbeilage“!Auch „Hausmannskost“ klingt für viele nicht gerade nachGourmetfreuden auf dem Teller – ganz zu schweigen von der unsinnigenBehauptung, Kartoffelnwürden dick machen. Sicher, als frittierte,doppeltePommes mit Mayo ist sie diätuntauglich – aber dasliegt ja nicht an der Kartoffel. Wer sich jeden Abend eine Tüte Chipseinverleibt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn sich der Bauchumfangirgendwann in Richtung Braunkohlebagger verabschiedet. Die Kartoffel ist gesund, reich an Mineralstoffenund Vitaminen. Kinders,für mich ist die Kartoffellage völlig eindeutig: Das Wort Kartoffelleitet sich von tartufolo ab, dem italienischen Wort für Trüffel. Undgenau so kostbar und lecker ist mir die Kartoffel. Ich erinnere michgerne an ein Sprichwort der alten Marktfrauen aus meiner Heimat:„Lorbeer macht nicht satt – besser,wer Kartoffeln hat.“

 

Gesund, lecker, echt

Und da ist viel Wahres dran. Von Ruhm und Protz allein kann ich nichtleben. Ich brauche das Bodenständige, Ehrliche und einfach Gute. Das erdet mich. In Zeiten, in denen die Gemüseund Obsttheken voll sind mit exotischem Gemüse und sechs Sorten Paprika kann ich mich über ein Kilo bester Kartoffeln wie Bolle freuen. Am liebsten beim Bauern aus der Region gekauft. Dazu eine ordentliche Frikadelle aus der Pfanne, ein lecker Bierchen und meine Süße am großen Küchentisch. So einfach kann Glück für mich sein. So kenne ich es von zu Hause und so bleibt das auch bei mir.

 

Gute alte Sorten kaufen

Aber ich sehe auch mit Kummer, dass die moderne Kartoffel zwar schön aussieht, aber immer mehr an Geschmack verliert. Die großen Supermarktketten wollen preiswerte, polierte, formschöne und innen gelb eischige Kartoffeln. Für den Geschmack ist das aber nicht die beste Lösung. Kartoffeln, die beim BioBauern naturbelassen aus Sandböden wachsen und mit dreckiger, elefantenartiger Schale auf dem Markt verkauft werden, sehen zwar nicht schön aus, schmecken aber oft viel leckerer als die glatten, sauberen und mit zu viel Stickstoff gedüngten Kartoffeln aus Tonböden. Was lecker aussieht, ist eben nicht unbedingt geschmacklich besser. Und so sterben viele der guten alten Kartoffelsorten langsam aus. Neulich sagte mir ein Bauer auf dem Wochenmarkt: Der Mensch täte gut daran, die Kartoffel einfach Kartoffel sein zu lassen. Die würden sich in den ach so praktischen Plastiktüten vielleicht nicht so lange halten wie die modernen, formschönen Superzüchtungen, aber der Geschmack sei unvergleichlich. Kinders, tut euch selbst einen Gefallen: Kauft auf dem Markt mal ein Kilo Kartoffeln. Guckt euch die Menschen an, die sie geerntet haben und verkaufen, bei Wind und Wetter. Diese Menschen sehen auch nicht poliert und formschön aus. Meistens sehen sie eher nach harter und ehrlicher Arbeit aus. Ihre Kartoffeln liegen lose auf dem Tisch oder in alten Körben. Dann seht und begreift ihr auch, woher die Kartoffel kommt. Aus der guten, alten Mutter Erde, aus dem Dreck. Diese Kartoffeln machen Arbeit, denn sie sind hart zu schälen. Sie sehen nicht perfekt aus. Aber sie schmecken zum Verlieben gut. Und was das Kartoffelschälen angeht: Ich mag es. Es ist wie bei uns Menschen. Manchmal ist es anstrengend und nicht einfach, an den guten Kern zu kommen, der sich unter der harten Schale des Lebens verbirgt. Aber eben der gute Kern entschädigt doch für jede Anstrengung. Wie sagte einst ein berühmter Dichter: „Wenn du Liebe hast, spielt es keine Rolle, ob du Kathedralen baust oder in der Küche Kartoffeln schälst.“ Hauptsache ist: Liebe!