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Editorial Frühjahr 2006
Und es gibt sie doch - die Liebe!
Wenn Sie regelmäßig Disy lesen, wissen Sie, dass ich für ein ausgefülltes Leben plädiere, dafür, Chancen zu nutzen, nicht stillzustehen, sich nicht mit Mittelmaß zufrieden zu geben und dabei jeden Augenblick zu genießen. Wir haben über Kinder und Väter gesprochen, über Neid und Gerüchte, über das Lachen und den Sinn des Lebens.
Noch nie, liebe Leser/innen, habe ich so viel Resonanz bekommen wie nach meinem letzten Editorial. Ich habe die halbherzige Zweckliebe verurteilt und für Wahrhaftigkeit und Leidenschaft gesprochen. Meine Güte, was für ein Aufruhr! Anrufe, e-mails, Briefe. Ihr Fazit: 1. Die wahre Liebe gibt es nicht. 2. Liebe bringt immer Leid. 3. Ich wäre verrückt, noch an die Liebe zu glauben, und hätte keine Ahnung!
Wie meine kleine Tochter würde ich jetzt gern mit dem Fuß stampfen und sagen: „Und es gibt sie doch - die Liebe!“ Aber die Dinge, die ich von Ihnen in den letzten Wochen gehört und gelesen habe, liebe Leser/innen, die bringen mich sehr zum Nachdenken.
Worte von verzweifelten älteren Frauen, die ihr Leben einem Mann gewidmet haben und der es dankt, indem er sie nach 25 Jahren Ehe sitzen lässt. Zu spät für einen Neuanfang, zu früh für die Rente – ein Leben vergeben und vorbei.
Anrufe von verzweifelten Männern, die seit Jahren um eine große Liebe kämpfen. Die wissen, dass sie nie eine Chance haben werden. „Ich kann einfach nicht anders“, sagen sie und vergessen vor Verzweiflung das eigene, ablaufende Leben.
Briefe von verlassenen, plötzlich allein erziehenden Müttern, die neben ihrer eigenen Wut und Trauer auch noch die der Kinder mit ertragen müssen. Männer, die Geliebte haben und sowohl der Ehefrau als auch der Freundin mit einem Geflecht aus Lügen und Halbwahrheiten den Respekt verwehren. Lebenspartner, die offen zugeben, trotz ihrer Beziehung mit einem Auge stets nach etwas Besserem Ausschau zu halten.
Und, liebe Leser, fragen Sie mich nicht nach der Ehe! Was ich mir nach meinem Editorial alles über die Ehe anhören musste. Danach hat sie meiner Meinung nach überhaupt keine Existenzberechtigung mehr.
Es scheint keine Rolle zu spielen, ob jemand verheiratet ist oder nicht und wenn, mit wem. Selbst langjährige Freunde von mir, ein Paar mit zwei Kindern, verblüffte mich plötzlich mit dem Satz: „Weißt Du eigentlich, dass Silvy immer noch mit ihrem Ex verheiratet ist?“ Der Vater einer Freundin lebt seit acht Jahren von ihrer Mutter getrennt, hat eine feste Freundin und – ist nach wie vor mit ihrer Mum verheiratet. Ein Insider der Dresdner Gesellschaft lachte und behauptete, er könne mir zwanzig bekannte Personen der Stadt aufzählen, wo die Ehe nur noch auf dem Papier stehen würde. Eine Farce!
Bekanntlich meldet man sich eher zu Wort, wenn man etwas zu schimpfen hat. Also hoffe ich mal, dass das Ungleichgewicht deshalb so negativ ausgefallen ist und die Liebenden gerade mit ihren Partnern oder eben mit der Liebe beschäftigt waren, statt mir ihre schlechte Meinung über die Liebe mitzuteilen.
Das Verblüffende war außerdem: Bei fast allen war Trauer über den Verlust oder das Fehlen der großen Liebe herauszuhören. Alle wollen lieben und geliebt werden, ehrlich und aufrichtig. Da muss doch was zu machen sein!
In Liebe!
Ihre Anja K. Fließbach