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Editorial Frühjahr 2019

Es gibt Menschen, die stöhnen den ganzen Tag. Nicht, weil sie gebrechlich oder alt sind, auch nicht, weil sie ein freudvolles Gewerbe betreiben. Sie stöhnen aus Gewohnheit.

 

Hach, das Leben sei so schwer! Die Mitmenschen wären doch alle doof. Der Chef schikaniert. Die Kunden wären zu anspruchsvoll. Die Familie eine Belastung. Und die ganze Welt würde einen schlecht behandeln, obwohl man es doch anders verdient hätte.

 

Kennen Sie so Jemanden? Sie kennen viele?

 

Ich auch. Das Unangenehme ist, man kann sich diesem Einfluss nicht ganz entziehen. Denn schon, wenn ich anfange, mich darüber zu ärgern, übernehme ich genau das Muster. Ich finde diesen Menschen doof, ich halte ihn für zu anspruchsvoll, er wird zur Belastung und aus diesem Grund habe ich das Gefühl, dieser Mensch behandelt mich schlecht, obwohl ich es besser verdient hätte.

 

Und so geht das wie ein Domino von einem zum anderen. Was daraus folgt, ist bekannt. Am Ende sind alle umgefallen und hängen schwer aufeinander, unfähig, selber wieder aufzustehen.

 

Ich suche schon lange nach einer Strategie, damit umzugehen und den Domino-Effekt zu unterbrechen. Mit Ignorieren habe ich es probiert. Es funktioniert aber nicht, einfach nicht hinzuhören. Man hört es. Ob man will oder nicht. Und selbst, wenn man das ständige Lamentieren versucht,  innerlich abzuwehren, man nimmt die schlechte Stimmung auf und das Unterbewusstsein auch die Worte. 

 

Kann man diese Leute meiden? Viele erfolgreiche und kluge Menschen, die ich in den Jahren interviewt habe, behaupten, das sei die Lösung. Ich finde das schwer. Es gibt zu viele. Und manchmal zeigt sich das auch erst im Laufe der Zeit und dann bin ich zu höflich.

 

Was ich seit Jahren versuche, und das raubt unglaublich viel wertvolle Lebenszeit, ist, diese Menschen von der Einmaligkeit und der großen Ehre, zu leben, zu überzeugen. So lange man keine körperlichen oder geistigen Einschränkungen hat und man gesund ist, solange man in relativer Sicherheit leben kann, Leute – da gibt es doch ÜBERHAUPT KEINEN Grund, sich über irgendetwas zu beschweren. Erstrecht nicht gewohnheitsmäßig.

 

Wir sollten uns alle mal beobachten, wie oft und über was für banale Dinge wir uns täglich beklagen. Denn letztlich kann nur Jeder bei sich selbst anfangen. Ich natürlich auch.

Achten wir auf die schönen und guten Dinge im Leben!

Herzlichst!

Ihre Anja K. Fließbach