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Fahrerflucht ist der Super-GAU - Teil 2

Rechtsanwalt Klaus M. Kobold über die Folgen von Fahrerflucht

Es scheppert kurz laut und dann ist es passiert. Unfälle, egal ob Lackschäden oder Schlimmeres, sind für die Beteiligten nie angenehm. Doch noch verheerender ist es, sich anschließend unerlaubt vom Unfallort zu entfernen. Verkehrsrechtsexperten wie Claus M. Kobold warnen immer wieder vor den unangenehmen Folgen der Fahrerflucht. Lesen Sie auf den folgenden Seiten warum.

Fahrerflucht ist der Super-GAU. Sollten Sie sich jemals in einer Situation befinden, bei der Sie auch nur kurz überlegen, Fahrerflucht zu begehen: Lassen Sie es! Denn ab etwa 1.300 Euro Sachschadenhöhe beim Gegner bedeutet Fahrerflucht den Verlust des Führerschein. Das ist kein bloßes Fahrverbot, sondern der Führerscheinentzug für mindestens sechs Monate. Wenn Sie wegen Fahrerflucht verurteilt werden, dann ist das eine vorsätzliche Tat. Ihre Rechtsschutzversicherung zahlt nicht. Wenn ein Gutachter und damit auch der Richter sicher sind, dass Sie den Unfall bemerkt haben müssen, dann werden Sie wegen Vorsatz verurteilt. Denn unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gibt es nur vorsätzlich. Außerdem wird auch Ihre Versicherung Geld verlangen (in der Regel bis zu 5.000 Euro) und Sie hochstufen.

Sie glauben außerdem gar nicht, wo Sie überall gesehen werden! Die alte Dame, die am Fenster sitzt, die Arme auf dem Kissen hat und den ganzen Tag auf die Straße schaut, die gibt es! Ich kann Ihnen wirklich nur empfehlen, auf jeden Fall am Unfallort zu bleiben. Alles, was kommt, ist nicht so schlimm, wie wenn Sie es hinterher aufrollen müssen.

Noch ein Tipp am Rande:
Wenn die Polizei bei Ihnen klingelt und von Ihnen Details zum Fahrzeug oder zu Ihrer letzten Fahrt wissen möchte, dann sagen Sie nicht mehr als Ihre Personalien. Wenn Sie zum Beispiel erklären, dass Ihre Frau gerade mit dem Auto beim Einkaufen war, dann notiert sich der Polizist, dass Sie Ihre Frau als Fahrzeugführerin angegeben haben. Vielleicht wird Ihrer Frau dann vorgeworfen, Unfallflucht begangen zu haben und Sie haben gerade gegen Sie ausgesagt. Deswegen empfehle ich immer, nichts zu sagen und zurück zufragen, worum es überhaupt geht.

Das Bußgeldverfahren

Jedes verkehrsrechtliche Schreiben, das Sie bekommen, stammt von einer Verwaltungsbehörde. In Thüringen kommen diese aus Artern, in Sachsen ist es die Landesdirektion Chemnitz, sofern der Verstoß auf einer Autobahn stattfindet. Meistens sind das (Zeugen-)Anhörungen, da es in jedem Bundesland eine zuständige Stelle für die Autobahnen gibt. Wenn Sie auf den Landstraßen oder innerhalb der Städte erwischt werden, sind es immer die Landkreise bzw. die (kreisfreien) Städte. Ein Verwaltungsverfahren bedeutet ein Bußgeld ab nunmehr 60 Euro. Bis 55 Euro sollten Sie einfach bezahlen, denn es gibt dafür keinen Punkt und Sie haben keinen Stress. Erhalten Sie jedoch einen Bogen über 60 Euro, dann kann es sich schon lohnen, über einen Anwalt nachzudenken. Ist das Fahrzeug zum Beispiel auf eine Firma zugelassen, bekommen Sie immer einen Zeugenfragebogen, denn Fahrzeughalter ist ja die Firma und somit keine natürliche Person. Die Halterauskunft kommt aus Flensburg. Wenn die Behörde also weiß, dass es sich beim Fahrzeughalter um eine Firma handelt, weiß sie auch, dass ein Zeugenfragebogen erforderlich ist. Dabei muss die Behörde vom Tag der Tat bis zum Erlass des Bußgeldbescheides eine Frist von drei Monaten einhalten. Durch eine Anhörung wird diese Frist unterbrochen, was juristisch bedeutet, dass die drei Monate neu anfangen. Sollten Sie zum Beispiel nach einer Lasermessung angehalten werden, dann ist die erste Befragung durch den Polizisten schon die erste Anhörung. Der Zeugenfragebogen unterbricht die Frist übrigens nicht, denn dieser richtet sich nicht gegen eine natürliche Person oder zumindest nicht gegen den tatsächlichen Fahrer. Deswegen sollte man dann über einen Anwalt nachdenken, um die Behörde unter Umständen ins Leere laufen zu lassen. Das Problem ist: Die Landeshauptstadt Dresden schreibt dann die Betroffenen an und fragt nach einer Zeugenaussage, zum Beispiel vom Geschäftsführer. Dieser wird dann vorgeladen und mit dem Gesuchten verglichen. Meine Mandanten nehmen solche Termine meist gar nicht erst wahr. Auf den Vorladungen steht zwar, dass im Falle des Nichterscheinens ein Verwarnungsgeld von bis zu 1000 Euro verhängt werden kann, bisher kam das jedoch erst in zwei von etwa 6000 Fällen vor. Letztendlich muss es aber jeder selber wissen. Ich kann nur sagen, dass nicht viel passiert, wenn Sie dort nicht hingehen - maximal 250 Euro. Die Behörde prüft, ob sie das Verfahren einstellt oder einen Bußgeldbescheid erlässt. Dieser Bescheid wird Ihnen persönlich und auch dem Verteidiger zugestellt. Sie haben jetzt die Möglichkeit, diesen zu bezahlen oder Einspruch einzulegen. Das geht per Telefon, Fax und mittlerweile sogar per E-Mail. Wichtig ist, dass Sie den Einspruch nachweisen können. Haben Sie Einspruch eingelegt, bekommen Sie eine erneute Aufforderung. Nehmen Sie dann den Einspruch zurück, wird die Entscheidung rechtskräftig und die Punkte werden eingetragen. Wird der Einspruch allerdings fortgeführt, dann werden Sie aufgefordert, diesen zu begründen. In der Regel wird das erst bei gerichtlichen Verfahren spannend - nicht, weil es für mich als Anwalt lukrativer ist, sondern weil dort dann auch Sachverständige zu Wort kommen.

Das gerichtliche Verfahren

Beim gerichtlichen Verfahren gilt das so genannte Tatortprinzip. Das bedeutet, dass dort, wo Sie geblitzt wurden, auch verhandelt wird. Geblitzt auf der Waldschlösschenbrücke? Verhandlung in Dresden. In Leipzig geblitzt heißt, es wird in Leipzig verhandelt usw. Eine Ausnahme gibt es bei Heranwachsenden. Wenn ein 17-Jähriger beim begleiteten Fahren zu schnell unterwegs war, dann kann an seinem Wohnsitz verhandelt werden. Das passiert in der Praxis aber so gut wie nie. Sollte man also in Stuttgart geblitzt werden, müsste man für das Verfahren auch nach Stuttgart reisen. Wird ein Hamburger auf der A9 bei Ingolstadt geblitzt, wird er sicherlich nicht dort vor Gericht erscheinen wollen, es sei denn, es geht beispielsweise um ein Fahrverbot. Das Amtsgericht ist eine Tatsacheninstanz. Dort wird der Bußgeldbescheid verlesen und es wird geprüft, ob Sie als Fahrer in Betracht kommen, wenn Sie sich bisher noch nicht eingelassen haben. Ist das Foto sehr schlecht, kann der Richter von sich aus das Verfahren einstellen. Er kann die Akte auch an einen Sachverständigen übergeben. Ein weiterer möglicher Grund für das Einstellen eines Verfahrens ist die technische Seite, wenn also beispielsweise bei einer Lichtschranke die Fotolinie nicht dokumentiert ist oder andere technische Details anfechtbar sind. Dann gibt es die Möglichkeit der zweiten Instanz. Das ist eine reine Revisionsinstanz. Hier gibt es keine neue Beweisaufnahme, sondern es werden nur noch Rechtsfragen geklärt (formale oder materielle Rechtsfragen, den Inhalt betreffend). Endet das Verfahren mit einer Geldbuße von unter 250 Euro und ohne Fahrverbot, dann können Sie nur den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde stellen. Wenn ein Fahrverbot verhängt wird, können Sie direkt in die Rechtsbeschwerde gehen. Dann muss das Oberlandesgericht (OLG) die Beschwerde annehmen. In den anderen Fällen muss das OLG erst prüfen, ob Sie überhaupt entsprechend vorgetragen haben, dass sie das Urteil annehmen könnten oder ob Sie letzten Endes nur Lust auf eine Revision haben.

Zum Handyverstoß

Manche Handyverstöße sind bis zu den Oberlandesgerichten gekommen. Wenn Sie an einer roten Ampel stehen und Ihre Start-Stopp-Funktion macht den Motor aus, können Sie an dieser Ampel telefonieren oder eine SMS schreiben. Das hat ein OLG festgelegt. Ursprünglich kostete das nur 40 Euro und dennoch hat sich das OLG des Falles angenommen. Ich finde das Urteil allerdings fragwürdig. Ein anderes Gericht wiederum hat entschieden, dass, wenn Sie nachweislich die SIM-Karte entfernt haben und zum Beispiel in Ihrem Kalender blättern, es trotzdem einen Handyverstoß darstellt. Warum? Weil Sie das Handy mit seinen grundsätzlichen Funktionen benutzen. Häufig wird das Argument angebracht, es sei kein Handy, was man da in der Hand gehabt habe, sondern zum Beispiel ein Rasierapparat. Das funktionierte früher, heute aber eher selten. Gerne wurde auch behauptet, es sei ein Diktiergerät gewesen. Heute ist es der iPod touch, der aussieht wie ein iPhone, aber eben kein Handy ist. Noch eine kleine Anekdote dazu. Bei einem Fall in Düsseldorf, den ich als Zuschauer verfolgt habe, ging es um einen Piloten, der wegen eines Handyverstoßes aussagen sollte. Er gab an, er habe ein chronisches Zahnleiden, welches auch von seinem Zahnarzt attestiert wurde. Er habe also während der Fahrt einen Kühlakku an die Wange gehalten. Gute Idee, allerdings war der Richter auch nicht dumm. Er wollte die Adresse des Arbeitgebers haben. Er würde ihn gern anschreiben, weil der Angeklagte fluguntauglich sei. Er könne ja keinen Flieger steuern, wenn er die ganze Zeit seine Wange kühlen müsse.

Drei weitere Fragen

Wie erhalte ich Auskunft über meinen Punktestand?
Kobold: Das ist relativ einfach. Sie müssen eine Anfrage mit einer beglaubigten Kopie Ihres Ausweises nach Flensburg schicken. Dann bekommen Sie innerhalb von sieben oder maximal zehn Tagen, die sogenannte Privatauskunft zugeschickt.

Können Richter die schon gelöschten Punkte einsehen?
Kobold: Wenn die Bußgeldstelle die Ermittlungen aufnimmt und einen Fahrer im Visier hat, dann holen die sich immer einen Auszug aus dem Zentralregister. Wenn sich jetzt ein Verfahren hinzieht, dann kann in dieser Zeit die Tilgungsreife eintreten. Der Richter darf dies allerdings nicht verwerten. Allerdings werden nur alkoholinduzierte Vergehen bis zu zehn Jahre lang gespeichert. Bei allen anderen Bußgeldangelegenheiten werden die Informationen in Flensburg nach fünf Jahren vernichtet. Es gibt kein Archiv oder Ähnliches, die sind einfach weg.

Sind Radarwarner über eine Handy-App zulässig?

Kobold: Nein, werden Sie damit erwischt, gibt es drei Punkte und kostet 75 Euro. Allerdings nicht, wenn es der Beifahrer in der Hand hat.