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Das Punktesystem: Fluch oder Segen?

Verkehrsrechtsexperte Claus M. Kobold erklärte beim großen Disy-Vortrag, worauf Sie auf der Straße achten müssen. 

Seit 2014 gilt in Deutschland die vom ehemaligen Verkehrsminister Peter Ramsauer erdachte Bußgeldreform. Doch was bedeutet das für Sie als Autofahrer genau? Wie wurden die Punkte des alten Systems ins neue umgerechnet? Wofür gibt es überhaupt noch Punkte? Die Antworten auf diese Fragen lesen Sie auf den nächsten Seiten! 

Im Zuge der Reform seit 2014 wurde das Verkehrszentralregister umbenannt. Es heißt jetzt Fahreignungsregister und hat Ihre Punkte übernommen. 

 

Das neue Punktesystem 

Das neue System unterscheidet zwischen schweren Verfehlungen, besonders schweren Verfehlungen und Straftaten. In den Bußgeldbereich fallen schwere bis besonders schwere Vergehen. Im alten System sammelte man die meisten Punkte übrigens mit Fahrerflucht. Dafür gab es sieben Punkte und eine Strafanzeige. Bei fahrlässiger Tötung waren es nur fünf Punkte. In fast jedem Bußgeldbescheid stehen die Punkte, die Sie bekommen. Bei Strafverfahren, wie zum Beispiel einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Fahrerflucht, stehen die eingetragenen Punkte nicht im Bescheid. Aber kommen wir nun zu den Änderungen im neuen System. Mittlerweile sammelt man maximal acht Punkte, dann ist der Führerschein weg. Unterschieden wird nun zwischen Vormerkung (ein bis drei Punkte), Ermahnung (ab vier Punkten), Verwarnung (ab sechs Punkten) und Entziehung (mit acht Punkten). Die alten Punkte werden entsprechend umgerechnet. Hier ist allerdings die Staffelung etwas ungerecht. Hatte man bisher einen bis drei Punkte, bekommt man im neuen System einen. Mit vier bis fünf Punkten bekommt man zwei, bei sechs bis sieben Punkten sind es drei. Wenn man bisher zwischen acht und zehn Punkte sind es nun vier, bei elf bis 13 Punkten werden es fünf, bei 14 bis 15 Punkten sechs, bei 16 bis 17 sieben und hatte man über 18 Punkte, werden es acht. Alle Punktestände wurden umgerechnet. Es gibt keine Amnestie. Normalerweise sind Punkte nach zwei Jahren tilgungsreif. Kommen innerhalb dieser Zeit neue dazu, kumuliert sich das bis zu einer Dauer von maximal fünf Jahren. Mit dem neuen System wurde eingeführt, dass die schweren Verstöße von vornherein zweieinhalb Tilgungsfrist haben, die besonders schweren Verstöße fünf Jahre. Das heißt, wenn Sie zur Zeit des alten Systems eine rote Ampel überfuhren und dafür vier Punkte kassierten, dann sind die nach zwei Jahren löschungsreif und auch nicht mehr verwertbar. Jetzt bleiben solche Taten immer fünf Jahre stehen. Allerdings gibt es im neuen System auch nicht mehr die Möglichkeit, dass eine neue Tat die alte hinsichtlich der Tilgung hemmt. Aber es gibt noch die Überliegefrist: Die bleibt, um zu sehen, wie sich das Fahrverhalten entwickelt hat. Nichtsdestotrotz ist die Tilgungsfrist um das Zweieinhalbfache gestiegen. Nach dem neuen System gibt es Taten, die nach dem alten System einen bis drei Punkte einbrachten und die jetzt nur noch mit einem Punkt bringen. Die Vergehen, die nach altem System mit vier Punkten geahndet wurden (hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen), werden als zwei Punkte neu eingetragen und bleiben fünf Jahre stehen. Straftaten unterscheidet man inzwischen danach, ob sie mit einem Fahrverbot oder dem Entzug des Führerscheins geahndet werden. Der Unterschied? Bei der Entziehung muss die Fahrerlaubnis neu beantragt werden. Bis vor einigen Jahren musste man den Führerschein neu machen, wenn er länger als zwei Jahre weg war. Diese Frist wurde aufgehoben. Selbst wenn Sie jetzt nach vier Jahren wieder einen Führerschein haben wollen, müssen Sie ihn nur beantragen. Entziehung heißt also: alter Führerschein weg, ungültig gemacht, neuer Führerschein zurück. Beim Fahrverbot heißt es: alter Führerschein weg, und gleicher Führerschein wieder zurück - je nach Schwere des Vergehens entweder nach einem, zwei oder drei Monaten. Zurück zur Strafsache: Zwei Punkte gibt es für Straftaten, beidenen nur ein Fahrverbot ausgesprochen wurde. Drei Punkte erhält man für Straftaten, bei denen auch eine Entziehung der Fahrerlaubnis stattgefunden hat. Im neuen System fallen allerdings auch bestimmte Eintragungen weg, zum Beispiel die  Punkte für die fehlende Erfüllung der Fahrtenbuchauflage. Ebenso fallen auch die Punkte für Kennzeichenmissbrauch und Beleidigungen im Straßenverkehr aus. Sie können dafür immer noch verurteilt werden, bekommen aber keine Punkte mehr. Bei einer Verwarnung müssen Sie im neuen System auch ein Aufbauseminar machen. Ab acht Punkten erfolgt der Entzug für mindestens sechs Monate und Sie müssen zur MPU. Viele Taten wurden teurer, weil sie nur noch ab 60 Euro eingetragen werden. Ein Handyverstoß stieg zum Beispiel von 40 auf 60 Euro und gibt einen Punkt. Ein weiterer Punkt ist das Thema Umweltzonenplakette. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Steinschlag im Winter und lassen Ihre Scheibe wechseln. Dann fahren Sie beispielsweise nach Leipzig und wundern sich über den Strafzettel. Deswegen sollten Sie unbedingt daran denken, immer auf diese Plakette zu achten! Gleiches Prinzip übrigens bei Vignetten. Allerdings werden diese Verstöße nicht mehr eingetragen und wurden am 1. Mai automatisch gelöscht. Wer so einen Punkt hatte, muss sich nicht mehr darum kümmern. Zusammengefasst: Punkte wurden umgerechnet, die Löschungsfristen haben sich geändert, manche Verstöße werden nicht mehr eingetragen, manche eingetragenen Verstöße werden automatisch gelöscht und einige Bußgelder wurden erhöht. 


Die Behördenauskunft vor Gericht und die Überliegefrist 

Sollten Sie vor Gericht sein, und dieses holt sich einen Auszug aus dem Fahreignungsregister, dann bekommet das Gericht eine Behördenauskunft. Darin sind zwei wesentliche Dinge nicht enthalten, die in einer Privatauskunft stehen. In der Privatauskunft fi nden sich die Verwarnungen und die Aufbauseminare. Das bedeutet, wenn Sie Punkte abgebaut haben, dann sieht das der Richter nicht. Außerdem ist die Überliegefrist für den Richter nicht einsehbar. Was ist die Überliegefrist? Wenn ich heute meinen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid zurücknehme, dann ist der heute rechtskräftig. Nach dem alten System löschte sich ein Punkt nach zwei Jahren, die Tilgungsfrist für einen Punkt betrug also zwei Jahre. Das Register jedoch hing immer noch ein Jahr dran, das war dann die Überliegefrist. Der Sinn dahinter ist, zu erkennen, dass wenn innerhalb der zwei Jahre eine Tat dazu gekommen ist, diese dann nach der Tilgungsfrist eingetragen wurde. Früher gab es das nicht, sodass man die Verhandlungen in die Länge ziehen konnte. So konnte man im Fall des Falles die zwei Jahre bis zur Löschung überdauern.  Im Moment ist es noch so, dass sich die Punkte kumulieren. Normale Vergehen sind allerdings nach fünf Jahren immer tilgungsreif. Alles, was im Jahr 2011 passiert ist, ist bei Ihnen am entsprechendem Jahrestag bereits gelöscht. Mich rief neulich ein Mandant an und sagte, er habe in den letzten sieben Jahren so und so viele Punkte gesammelt. Ich meinte, die sieben Jahre könne er vergessen, wir müssen nur über die letzten fünf reden. Nach fünf Jahren findet die Löschung automatisch statt.