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Die Volkskrankheit der Industrienationen - Das Metabolisch-Vaskuläre Syndrom

Diabetes, erhöhter Cholesterinspiegel, Übergewicht und Herz-, Kreislaufprobleme. Jeder zweite Deutsche ab dem 50. bzw. 60. Lebensjahr ist davon betroffen. Prof. Dr. Hanefeld der GWT-TU in Dresden forscht und arbeitet mit seinem Team an diesem Cluster von Risikofaktoren und fasst es unter dem Begriff des Metabolisch-Vaskulären-Syndroms zusammen.

"Immer weniger körperlich anstrengende Arbeit bei gleichzeitiger Zunahme von energiereicher und an Ballaststoffen armer Nahrung sind ebenso Faktoren."

Das Syndrom erreicht inzwischen ein pandemisches Ausmaß im mittleren und höheren Lebensalter. Dabei sind Männer stärker betroffen als Frauen. Schon jetzt sind ca. 50 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen übergewichtig. Doch hohes Gewicht ist nur ein Faktor, wie Prof. Hanefeld weiß: "Das metabolische Syndrom ist ein Bündel von Zivilisationskrankheiten, das in der Regel mit Übergewicht beginnt und schon seit den 80er Jahren bekannt ist." Weil sich aus den Folgekrankheiten, wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und hoher Blutdruck, kardiovaskuläre Probleme (Herzinfarkt, Schlaganfälle) ergeben, erweiterte er die Definition zum Metabolischen-Vaskulären-Syndrom (MVS). Die Gefäßkrankheiten können im Alter auch zu Demenz führen. Studien zeigen, dass weltweit in den letzten 20 Jahren eine deutliche Zunahme des MVS vorliegt, vorwiegend bei Menschen über 40. Doch schon bei fünf bis zehn Prozent der Kinder lässt sich MVS nachweisen.

Ursächlich für die Entwicklung sind fast zu gleichen Teilen genetische Faktoren und falsche Lebensgewohnheiten. Kinder von Eltern mit MVS haben ein deutlich erhöhtes Risiko zu erkranken. Doch ebenso ausschlaggebend ist falsche Ernährung. "Immer weniger körperlich anstrengende Arbeit bei gleichzeitiger Zunahme von energiereicher und an Ballaststoffen armer Nahrung sind Schlüsselfaktoren", so Hanefeld. Dieser Trend geht von den Ländern der ersten Welt aus und lässt sich inzwischen auch bei den Schwellenländern vermehrt beobachten. "Die Menschen werden innerhalb von sehr kurzer Zeit aus ihrem ursprünglichen Lebensstil herausgerissen und bekommen dann Fast Food", ärgert sich der Experte.

Über die konkrete Entstehung und den Verlauf des MVS ist wegen des Fehlens prospektiver Studien, insbesondere im Jugendalter, wenig Verlässliches bekannt. Klar ist nur, dass Bewegungsmangel und Über-, bzw. Fehlernährung in erheblichen Maß verantwortlich sind. Am Anfang steht das Übergewicht. Dieses geht den weiteren Erkrankungen meist fünf bis zehn Jahre voraus. Die ersten Vorzeichen für eine MVS sind also ein erhöhter Taillenumfang. Intraabdominales Fettgewebe ist außerdem insulinresistent. Bei der Entwicklung des MVS spielt diese Resistenz deshalb eine zentrale Rolle, kann aber nicht als alleinige Ursache aller Komponenten des MVS gelten. Denn auch psychosoziale Störungen und depressive Reaktionen, sowie Verschiebungen in der Darmflora wurden als treibende Kraft erkannt. Ist bei den Patienten bisher nur eine Manifestation der Vorerkrankungen festgestellt, sollten Ärzte auch auf die anderen Faktoren schauen. Häufig lassen sich hier primäre Präventionen anwenden, so dass zum Beispiel spätere Gefäßkomplikationen ausgeschlossen werden können.

»Im Idealfall fängt man mit einer Lebensstil-Intervention an. Intensive Diätschulung und Bewegungsprogramme sorgten für eine Diabetes- Risikoreduktion von 46 Prozent.«

Doch wie wird MVS therapiert? "Um Fehl-, Unter- und Überversorgung zu vermeiden, ist eine sorgfältige Risikostratifizierung vor Einleitung einer effektiven und angemessenen Therapie sowie für Festlegung der individuellen Therapieziele notwendig", erklärt Hanefeld. Um das individuelle Risiko zu senken, müssen bei Therapieansätzen auch das Geschlecht und Alter sowie beeinflussbare Faktoren (Rauchen) mit einbezogen werden. Die größte Gefahr geht für Patienten von Erkrankungen der Gefäße aus. Schlaganfälle und Herzinfarkte können hier die Folge sein. Deswegen sollte hier zuerst angesetzt werden. Ziele der Therapie sind die Vermeidung einer weiteren Fortschreitung der Erkrankungen. Die Patienten sollen Schritt für Schritt aus dem Risikobereich herausgenommen werden. Behandlungsziele sind demnach die Verringerung des Taillenumfangs, die Behandlung der Blutfette, des Blutdrucks und des Blutzuckers. Konkret bedeutet zum Beispiel eine Gewichtreduzierung von zehn Kilo eine Senkung des Blutdrucks um zehn bis 20 Prozent, eine Abnahme des Nüchternblutzuckers um 30 bis 50 Prozent und eine Reduktion von Diabetes-assoziierten Todesfällen um mehr als 30 Prozent.

Wichtiger ist natürlich die Prävention von MVS. Zwar wurde in den letzten Jahren durch verbesserte Behandlungsmethoden viel erreicht, doch durch die stetige Zunahme an Patienten offenbart sich auch ein soziales und ökonomisches Problem. "Im Idealfall fängt man mit einer Lebensstil-Intervention an. Intensive Diätschulung und Bewegungsprogramme sorgten zum Beispiel für eine Diabetes-Risikoreduktion von 46 Prozent", erklärt Hanefeld. Zwar gibt es auch Erfolge auf der Basis von Medikamententherapie, von entscheidender Bedeutung wird jedoch sein, die Risikopatienten zu motivieren, ihren Lebensstil zu ändern. Dabei lässt sich auf drei einfache Säulen aufbauen: Ernährung, körperliche Aktivität und das Meiden von schädigenden Noxen wie Rauchen oder Alkohol.