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Wie geht's den Disy-Mitarbeitern?

Disys Unternehmensstruktur im harten Burn-Out Präventionstest

Stress, Burnout, Erfolgsdruck - Probleme am Arbeitsplatz haben viele Namen und vielfältige Ursachen. Doch diesen Problemen kann man vorbeugen. Die Disy-Redaktion trat an und nahm am „Psy.Res - Motivation durch gesunde Arbeit“ - Programm von Dr. Ulla Nagel teil. Lesen Sie hier zwei unterschiedliche Erfahrungsberichte - den von Disy-Chefin Anja K. Fließbach und von Disy-Mitarbeiter Maximilian Walter.

Die Büchse der Pandora

Der Disy-Unternehmenscheck aus Sicht der Chefredakteurin Anja K. Fließbach

 

„Na, ob das wohl gut geht“, denke ich und lasse mir von Dr. Ulla Nagel erklären, dass es ab diesem Jahr Pflicht aller Arbeitgeber ist, Burn-Out-Präventionsmaßnahmen für die Mitarbeiter vorzunehmen. Das sei gesetzlich verankert. Ich bin skeptisch, denke mir aber: Augen zu und durch!

 

In der Hoffnung, dass die Aktion mehr nützt als schadete, erkläre ich mich bereit, mit Disy einer der ersten Arbeitgeber zu sein, der das auch wirklich durchzieht. Schon beim Info-Event, das Nagels Sohn Rutger durchführt, rutsche ich ein wenig unter die Tischplatte. Was sollen meine Mitarbeiter alles bewerten? Wie zufrieden sie mit den sozialen Einrichtungen bei der Disy sind, wie die Bezahlung so ist, wie wir uns um Familenangehörige kümmern und ob wir einen Betriebskindergarten hätten. Bis jetzt dachte ich immer, ich sei ein wirklich guter Arbeitgeber und würde alles für mich Mögliche tun, damit es meinen Leuten gut geht. Aber hier wird der Maßstab sehr weit oben angesetzt. Will ich, dass man meinen Leuten erklärt, was sie alles nicht haben? Will ich, dass sie zwischen den wirklich, wirklich, ganz wirklich supervielen guten Sachen die paar Dinge hervorsezieren, die noch nicht ganz stimmen? Habe ich nicht in meiner Coach – Ausbildung gelernt, man soll Stärken stärken und die positiven Dinge hervorheben? Nun, ich akzeptiere schnell, dass hier bei Dr. Nagel unterschiedliche Ansätze verfolgt werden. Sicher hat jeder seine Berechtigung. Aber ich mache mir Sorgen um die Moral der Truppe, wenn ich es mal so nennen darf.

 

Rutger Nagel erklärt den Fragebogen, den alle meine Leute, auch ich und Marketingdirektor Andreas, 40 Minuten lang ausfüllen sollen. Bei ein paar Fragen bin ich recht beruhigt, zum Beispiel, wieviele Tage der Woche die Mitarbeiter länger als zehn Stunden arbeiten würden. Das kommt bei uns nie vor. Im Gegenteil, es hat sich in den letzten Monaten eher eine „pünktlich den Stift fallen lassen“ - Mode durchgesetzt. Die einzigen Zwei, die manchmal 20 Stunden arbeiten und die Wochenenden durch, sind... Na, sie wissen schon! Dafür sind wir Chefs geworden. Wobei, je länger ich höre, wie Rutger von Mitarbeiterparadiesen schwärmt, die es bei angenommen Arbeitgebern angeblich geben soll, werde ja selbst ich neidisch. So ein Mitarbeiter hat es doch wirklich gut... Die Auswertung der Tests am nächsten Tag zeigt, dass es unsere Leute bei uns aber auch gut haben. Einer, der für mich wichtigsten Punkte, ist ein gutes Teamklima.

 

Bei den Vorstellungsgesprächen habe ich immer darauf geachtet, gute Persönlichkeiten für eine harmonische Gruppenzusammenstellung auszusuchen und habe bei der Auswahl auch die Alteingesessenen einbezogen. Das hat gefruchtet: Im gegenseitigen Mögen, Helfen und Unterstützen haben wir die besten Bewertungen. Unterfordert ist auch keiner. Überfordert inhaltlich auch nicht, aber strukturell und zeitmanagementmäßig ist noch Potenzial. Sofort setzte ich zwei Zeitmanagementseminare an. Die werde ich selbst führen, schließlich habe ich das gelernt und wir können das gleich in der Folgewoche umsetzten. Strukturell hat meine Super-Truppe von Topmitarbeitern (ich meine das absolut ernst) mit Dr. Ulla Nagel in 2, 5 Stunden die noch ausbaufähigen Dinge analysiert und Vorschläge gesammelt. Diese werden mir in einem weiteren 2,5 Stunden – Gespräch unter vier Augen mit Dr. Nagel präsentiert. Einiges ist nicht schlecht, anderes halte ich nicht für sinnvoll oder gar effektiv. Zum Beispiel soll immer das aktuelle Skripple aller Magazine, die gerade in Arbeit sind, ins Intranet gestellt werden und für alle sichtbar sein. Das würde aufgrund der Datenmengen viel Zeit kosten und was bringt das, wenn doch jeder seine Aufgaben gut kennt und seine Seitenlayouts bekommt.

 

Außerdem führen wir zweimal täglich um 9 und um 17 Uhr Gesamtkonferenzen durch, so dass alle grob Bescheid wissen, was bei allen läuft. Ich gehe einen Kompromiss ein und setze einmal wöchentlich eine Skripple-Präsentation an, obwohl mir das nicht gefällt. Ehrlich gesagt, bin ich sicher, dass sich das Interesse schnell erledigen wird, aber ich will im Moment kein Spielverderber sein. Na, und so gibt es mehrere Ideen, die ich zum großen Teil „mal“ umsetzen werden. Der große Durchbruch ist nicht dabei. Den braucht es aber auch nicht, bei uns läuft „der Laden“ ja schon seit nunmehr 14 Jahren ganz gut. Trotzdem war es wichtig, mal wieder von außen „draufschauen“ zu lassen. Jeder Mitarbeiter wurde auch mal wieder in Punkto Sport und gesunder Ernährung erinnert und wir haben nun eine schöne Urkunde mit einem Siegel in Gold als „Vitales Unternehmen“. Na, wenn das nicht den Stress wert war...

Bei uns doch nicht...

Der Disy-Unternehmenscheck aus Sicht von Mitarbeiter Maximilian Walter

 

Als Mitarbeiter in Redaktionen steht man immer unter einem gewissen Druck. Damit alle Zahnräder ineinandergreifen können, müssen die Termine gehalten werden. Das ist bei journalistischen und redaktionellen Tätigkeiten ganz normal. Natürlich frage ich mich, ob wir als Team funktionieren und was wir bei unserer Zusammenarbeit verbessern können, um effektiver und eventuell auch stressfreier handeln zu können. Ich bin gespannt, ob der Test uns Aufschluss gibt.

 

Zu Beginn des mehrtätigen Kurses besucht uns Rutger Nagel. Uns wird das Programm in einer halbstündigen Präsentation vorgestellt. „Wir haben unser System zusammen mit der TU Dresden entwickelt“, erzählt er. „Wir sind der Überzeugung, dass ein gesundes Unternehmen auch eine gesunde Organisation braucht. Negative Einflüssenmüssen reduziert werden. Erst dann kann ein Arbeitnehmer seine maximale Leistung abrufen.“ Wir hören ihm gespannt zu und stellen ein paar Fragen.

 

Auf den Folien finden wir alle von ihm genannten Punkte noch einmal schriftlich. Wichtige Faktoren sind demnach die Kommunikation zwischen Unternehmensführung und Basis. Werden Mitarbeiter bei Entscheidungen mit eingebunden oder zumindest rechtzeitig informiert? Hat der Arbeitgeber Verständnis für meine privaten Angelegenheiten? Kann mein Arbeitgeber die Ziele des Unternehmens rüberbringen? Wird Kritik im angemessenen Ton geäußert? Themen wie die Frage, ob ich mit meiner Arbeit über- bzw. unterfordert bin, wie meine Chancen auf Weiterbildung sind und ob alle technischen Vorrausetzungen erfüllt sind, spielen ebenfalls eine Rolle. Es sind viele Faktoren, die offenbar über das erfolgreiche Zusammenarbeiten entscheiden. Sind einige dieser Kriterien im roten Bereich, drohen uns Krankheiten: Stress, Aggressionen, Arbeitssucht, Burnout und Depressionen sind Schlagworte, die kein Arbeitgeber über seine Mitarbeiter hören möchte. Wir natürlich auch nicht. „Sind die Kriterien im grünen Bereich, sind die Arbeitnehmer selbstbewusst, wissen zu überzeugen, sind inspiriert und können sich auch nach der Arbeit angemessen erholen“, erzählt uns Nagel weiter.

 

Herzstück des ganzen Seminars ist der Fragebogen. Um eine schnelle Auswertung zu ermöglichen, sollen wir diesen online ausfüllen. Dafür bekommt jeder Mitarbeiter persönliche Zugangsdaten per Mail zugesandt. Auf der Homepage geben wir unsere Daten an und beantworten die Fragen mit „ja“, „eher ja“, „eher nein“ oder „nein“. Hinterher soll niemand mehr nachvollziehen können, wer welche Antwort gegeben hat. Einzig das Ergebnis der Gruppe wird am Folgetag ausgewertet. Am Ende des rund 30 bis 40-minütigen Tests bekommt jeder Mitarbeiter eine persönliche Auswertung. Über die Ampelfarben Rot, Gelb und Grün sehen wir auf einen Blick, wo möglicherweise der Schuh drückt und ob wir dagegen etwas tun sollten. Zugegeben: Der Fragebogen besitzt keine Versteckmöglichkeiten. Alle Fragen sind klar und eindeutig.

 

Das führt jedoch dazu, dass man sich schon während des Ausfüllens auf das Ergebnis einstellen kann. Eine tiefenpsychologische Auswertung gibt es nicht, ist aber letztendlich auch nicht gewünscht. Es geht darum, Strukturen zu verbessern und nur bei wirklich eindeutigen Zeichen für eine Depression oder Überarbeitung die Reißleine zu ziehen. Am nächsten Tag steht die große Auswertung mit Frau Dr. Nagel an. Sie zeigt uns mit ihrer Präsentation das Ergebnis. Bei Faktoren, wo die Bewertungen optimal sind, fragt sie die Gruppe nach möglichen Lösungen. Viele der Dinge bewertet sie zudem gar nicht negativ. „Das Interesse der Mitarbeiter am Unternehmen ist genauso groß, wie der Wunsch, sich aktiv einzubringen.“ Wir diskutieren Ansätze und Frau Nagel schreibt diese auf Karteikarten und hängt sie an eine große Pinnwand. Dr. Nagel hört vor allem zu und versucht die richtigen Fragen zu stellen statt sie zu beantworten. Immer wieder hören wir den Satz „das ist eigentlich gut so, denn...“

 

So bildet sich eine rege Diskussion, die auch tatsächlich zu sachlichen Ideen und Lösungen kommt. Die angesetzten zwei Stunden überziehen wir um eine gute halbe Stunde. Am Ende freuen sich alle Mitarbeiter über die konstruktive Diskussion. Dr. Nagel hingegen setzt sich nun noch mit unserer Chefredakteurin zusammen. Doch was dort geredet wird, bleibt auch für uns geheim.