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Ulrike Folkerts: Auf den Spuren der Indianer

Schauspielerin Ulrike Folkerts (fast) allein unter Indianern.... Die Tatort-Kommissarin begab sich jüngst auf ein neues Terrain und „ermittelte“ im Juli bei den Indianern. Nicht für die Krimi-Reihe, sondern für eine Episode der neuen mehrteiligen Doku „Guardians of Heritage – Hüter der Geschichte“ des TV-Senders „History“ (Ausstrahlung ab 26. November). Die neue Eigenproduktion, in der als einer der Protagonisten u.a. auch Hannes Jaenicke „Retter der Kulturen“ trifft, behandelt ein brandaktuelles Thema: den kulturellen Genozid und die Bedeutung des Erbes der Menschheit. Die spannende Reise führte Ulrike Folkerts zuerst nach Vancouver in Kanada und danach nach Seattle in den USA. In Vancouver wurde sie mit der Geschichte der Überlebenden der Indianer-Internate konfrontiert: Es handelt sich um die so genannten „Residential Schools“, welche die Indianerkinder früher zur Assimilation in die weiße Gesellschaft besuchten und wo Misshandlungen an der Tagesordnung waren. Spannend und ergreifend waren auch die Dreharbeiten in Seattle: Ulrike Folkerts besuchte dort die Heimat der Quinault-Indianer in deren Heimat an der Pazifikküste des Bundesstaats Washington: eine Region, die aufgrund des Klimawandels enorm in Bedrohung geraten ist. Zurück in Deutschland haben wir Ulrike Folkertszum Interview getroffen und mit ihr über ihre Erlebnisse gesprochen.

 

Sie ermitteltengerade anstatt für den Tatort in den USA und in Kanada für „Guardians of Heritage. Wie waren die Dreharbeiten?

UF: „Es waren sehr bewegende und lehrreiche Tage. Viel kleiner und unaufgeregter als beim Spielfilm natürlich, dafür authentischer und näher dran an den Menschen und ihren Geschichten. Es war ein absolutes Privileg, so tief in die Schicksale der Protagonisten eindringen zu dürfen.“

 

Was genau war Ihre Mission? Sie waren auf den Spuren der Indianer unterwegs?

UF: „Ja, wir haben uns der Frage gestellt, was die Zerstörung des kulturellen Erbes der nordamerikanischen Indianer in deren Gesellschaften angerichtet hat und welche Folgen bis heute spürbar und sichtbar sind.“

 

Warum gerade das Thema Indianer? Hatten Sie davor schon Berührung mit diesem Thema?

UF: „Ich hatte zwar keine direkte Berührung mit der Thematik. Aber mir geht das Schicksal der indigenen Völker schon lange sehr nahe. Die Zerstörung ihres Lebensraumes und ihrer kulturellen Identität geht uns als Europäer alle etwas an. Sie sind die Opfer unserer kolonialistischen Bestrebungen und zahlen natürlich auch den Preis des Klimawandels, da ihre Kultur untrennbar mit Mutter Natur verbunden ist.“

 

Warum ist es in Ihren Augen wichtig, die Kulturstätten der Indianer zu erhalten?

UF: „Wie wir vor Ort gelernt haben, geht es gar nicht im Speziellen um die Erhaltung der Kulturstätten, es geht viel mehr um die Erhaltung bzw. den Wiederaufbau ihrer Identität. Im Zuge der Kolonialisierung Nordamerikas wurde den Ureinwohnern alles genommen was ihnen wichtig ist und was sie ausmacht. Ihnen wurde das Land geraubt, ihre Sprache und Bräuche verboten und ihnen eingeredet, dass ihre Kultur minderwertig sei. Es entstand ein Vakuum, das durch den Verlust der Identität entstanden ist und durch Drogen- und Medikamentenmissbrauch, Alkoholismus sowie Gewalt gefüllt wurde. Ein kultureller Genozid, der dazu geführt hat, dass die Menschen bis heute zu den gesellschaftlichen Verlierern zählen und Traumata über Generationen vererben. Erst in den letzten Jahrzehnten, so habe ich erfahren, gibt es eine Bewegung, die die verlorene Kultur wiederherzustellen versucht und den Menschen das wiedergibt, was ihnen genommen wurde. Ein Heilungsprozess, der durch Wissens- und Geschichtsvermittlung den Indianern hilft, sich in der heutigen Gesellschaft wieder zurechtzufinden.“

 

Wie lange waren Sie unterwegs?

UF: „Wir waren eine Woche gemeinsam unterwegs.“

 

Welches war das Highlight, welches das beeindruckendste Erlebnis?

UF: „Es war sicherlich die Berührung mit den unbändigen Urkräften der Natur, die man im Nordwesten der USA fast überall spürt. Im Gebiet der Quinault-Indianer sind wir in einen Monsunregen gekommen was ganz ungewöhnlich für diese Jahreszeit ist und nach Ansicht der Menschen vor Ort ein klares Indiz für den Klimawandel. Wir haben am Strand über die steigenden Meeresspiegel und die Folgen für die Quinaults gesprochen und im Eifer des Interviews dabei die herannahende Flut unterschätzt, die uns beinahe erfasst hatte. Da ging es uns allen ‚nass rein’, im wahrsten Sinn des Wortes.“

 

Welche Begegnung mit einer Person dort hat Sie am meisten beeindruckt - und warum?

UF: „Wir trafen auf Vancouver Island Chief Robert Joseph, einen über achtzigjährigen First Nation Häuptling und Überlebenden einer Residential School, einem staatlichen Missions-Internat. Elf Jahre lang wurde er dort systematisch erniedrigt, geschlagen und misshandelt. Erklärtes Ziel der Kanadier war es, den Ureinwohnern das „Indianersein“ auszuprügeln. Eine unvorstellbare Tortur, die über 150.000 Kinder vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts durchleben mussten. Tausende kamen dabei ums Leben. Die Folgen der Politik dieser sozialen Marginalisierung und sexuellen Ausbeutung sind bis heute in den Familien spürbar und spalten die kanadische Gesellschaft. Doch Chief Joseph ist, trotz aller Schmerzen, die ihm und seinem Volk angetan wurden, nicht nachtragend. Ganz im Gegenteil: er ist ein Botschafter des Friedens und der Versöhnung, der durch das ganze Land reist, um die Wunden zu heilen. Sein Motto lautet „Namwayut“. Was so viel bedeutet wie: Wir sind alle eins. Wir sind alle Menschen mit einer gemeinsamen Geschichte.“

 

Warum waren Sie gerne bei Guardians of Heritagedabei? Und wie kam es überhaupt dazu?

UF: „Der Produzent der Dokumentationsreihe, Emanuel Rotstein, kam mit der Idee auf mich zu und ich war gleich begeistert von der Thematik.“

 

Was haben Sie von dieser Reise mitgebracht bzw. gelernt?

UF: „Ich glaube, die wichtigste Erkenntnis ist, dass wir ohne Kultur und Geschichte unsere Identität verlieren. Und das gilt für die amerikanischen Ureinwohner ebenso wie für uns.“

 

Welchen Bezug haben Sie zu den USA und Kanada?

UF: Nach dem Abi, 1980, war ich das erste Mal für drei Monate in den USA und auch in Kanada. Das war noch Abenteuer und Selbstfindungsreise. Danach war ich mehrfach in San Francisco und New York City: zwei Städte, die ich nach wie vor mag und wo heute der größte Gegenwind gegen Trumps Politik herrscht. Das gefällt mir.“

 

Wie stehen Sie zu Donald Trump als Präsident? Hat sich bei Besuchen in den USA nun etwas verändert bzw. hat man ein anderes Gefühl dort?

UF: „Das Land ist gespalten wie nie zuvor und mein Verhältnis zu den USA ebenso. Schon die Einreise macht jede/n zu einem Verdächtigen. Willkommen ist man in den USA nicht mehr. Ganz egal warum man dorthin reist.“

 

Sie fungieren in der Doku für History als diejenige, die "Hüter der Geschichte" trifft und mit ihnen über ihre Projekte spricht. Warum ist es in Ihren Augen wichtig, die kulturelle Vielfalt zu bewahren und sich dafür einzusetzen?

UF: „Es steckt alles in dem Begriff „kulturelle Vielfalt“. Die Ureinwohner Kanadas und Nordamerikas haben so intensiv und klug im Einklang mit der Natur gelebt. Wir hätten so viel von ihnen lernen können und könnten es immer noch. Es gäbe andere Lösungen in Sachen Klimaschutz, interessantere, weil Jahrtausende alt. Vielfalt heißt unterschiedlichste Fantasien und gelebte Erfahrungen zu einer Sache, das ist immer bereichernd und interessant. Es lohnt sich also, sich für diese Vielfalt einzusetzen, sie am Leben zu erhalten und weiter zu geben.“

 

Welche beruflichen Projekte gibt es außerdem?

UF: „Zur Zeit habe ich einen Gastvertrag am Nationaltheater Mannheim, „Für immer schön“ von Noah Haidle - eine Uraufführung, die Regie führt Burkhard Kosminski. Die Premiere ist im Oktober. Ein Stück aus den USA, was man durchaus spürt. Im Winter drehen wir wieder für den „Tatort“ und zwischendrin bin ich mit Günther Grass‘ „Blechtrommel“ auf Lesereise.

 

Steht vielleicht noch ein Urlaub an, und wenn ja wohin geht es?

UF: „Wenn man soviel beruflich unterwegs ist wie ich zur Zeit, dann freut man sich einfach nur auf zu Hause. Berlin ist großartig im Sommer. Und geschichtsträchtig.“

 

 

Andrea Vodermayr