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Freitag ist Waschtag

Auf der Jagd nach dem Mythos - Eine Kolumne von Sascha Martin

Die Frisur sitzt, das Outfit ist top und das Parfüm tut sein Übriges. Es ist Freitagabend und ich bin bereit, mein Singledasein der Vergangenheit zuzuordnen. Aus mehreren sicheren Quellen habe ich die Informationen bekommen, die mein Herz schneller schlagen lassen: „Freitag ist Waschtag, da triffst du die schönsten Frauen." Na klar, wieso bin ich nicht selber darauf gekommen? Letzte Woche erst hatte eine Hollywood-Komödie im Abendprogramm die Hauptdarsteller via Waschsalon zusammenfinden lassen. Wieso sollte das nicht auch im beschaulichen Dresden funktionieren? Mit mir in der Hauptrolle.

Mit einer Mischung aus Socken und Hosen im Gepäck betrete ich gespannt den Salon. Nach prüfendem Blick stelle ich fest: Ich bin zu früh und allein. Ein Mausklick ins Internet hatte mir eine breite Auswahl an Waschmöglichkeiten offenbart, aber leider wurde dabei die Kategorie Flirtfaktor nicht bedient. Nur die Ruhe, sage ich zu mir und suche erst einmal den strategisch besten Platz im Raum. Nachdem ich meine Wäsche in einer der Maschinen verstaut habe, nehme ich direkt neben dem Eingang auf einer Bank Platz. Wer zuerst gesehen wird, flirtet zuerst. Die Tür springt auf und holt mich aus einem Sekundenschlaf. Eine rundliche Dame mittleren Alters stampft zielstrebig auf eine Waschmaschine zu und füllt die Trommel mit wütender Stimme. Ständig würde ihre eigene Maschine kaputtgehen, aber ihrem Mann sei das völlig egal. So schnell wie sie kam, verschwand sie auch wieder.

Stille. Meine Wäsche ist schon lange fertig, aber außer einer spielenden Gruppe Kinder war niemand hier gewesen. Mein Parfüm verliert langsam den Kampf gegen den schweren Geruch alter Waschmaschinen. Von flirtwilligen Frauen keine Spur. Ein Mythos bröckelt.

Langsam werde ich unsicher. Habe ich mir den falschen Salon ausgesucht? Nix da, Freitag ist Waschtag. Definitiv. Aus Langeweile beginne ich, ein paar Runden durch den Raum zu laufen. Dabei versuche ich mir markante Sprüche einfallen zu lassen, viele Chancen zum Üben werde ich nicht mehr bekommen. In einer Stunde schließt diese Einrichtung und ich bin vom Flirten so weit entfernt wie das Blaue Wunder von der Reeperbahn. Auf meiner Tour durch den Salon entdecke ich ein paar Flyer auf dem Fensterbrett. „Freitag ist Waschtag" steht drauf – „selten so gelacht", denke ich. Bei genauerer Betrachtung muss ich dann wirklich lachen. Über mich selber.

Die Straßenbahnlinie 8 fährt mich direkt vor das Industriegelände. Nur ein paar Schritte von der Haltestelle prangt von einem hell beleuchteten Gebäude ein Banner. „Freitag ist Waschtag" – der Washroom. Eine der schönsten Locations von Dresden mit einem exzessiven Publikum, dekoriert mit ausgeleuchteten Waschmaschinen. Mit einem Getränk in der Hand lehne ich mich an eines der zweckentfremdeten Objekte und bestaune die wunderschönen Tänzerinnen. Unter einem Wasserstrahl tanzen sie in einer gläsernen Dusche zu heißen Rhythmen.

Freitag ist Waschtag – definitiv!

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