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Frauenkirche & Co. - kein Perpetuum Mobile

Im Editorial der letzten Disy hatte Chefredakteurin Anja K. Fließbach die Leser aufgefordert, ihre Meinung zum Thema Dresden abzugeben.

Schon die große Anzahl an Zuschriften und Mails zeigt, wie interessiert und energiegeladen Dresdner, Zugezogene und Gäste bei dem Thema sind. Lesen Sie heute Meinungen von Tourismusexperten, Hotelchefs, Disy-Lesern, Reiseführern, internationalen Journalisten und erfahren Sie, was der Chef der neuen Dresdner Marketing Gesellschaft in Sachen Tourismus tun will.

Höheres Budget fürs Stadtmarketing

 

Dirk Gruhn, Direktor vom „art‘otel" und „Park Plaza", hatte kurz vor dem Abitur die Schule abgebrochen, um Page zu werden, und die Ausbildung zum Hotelkaufmann absolviert. Der gebürtige Hannoveraner ist zum zweiten Mal verheiratet, Vater und begeistert sich für chinesisches Boxen.

 

Leider ist bei vielen noch weitgehend der Standpunkt vertreten, dass Dresden nicht viel für die Vermarktung tun muss, denn die Gäste kämen sowieso. Das ist leider nicht der Fall.

Dresden ist in der Gästestruktur zu 2/3 touristisch veranlagt und wird auch immer den Schwerpunkt im Tourismus haben. Wir hatten im Oktober 2005 die Wiedereröffnung der Frauenkirche, deren Gästeboom noch 2007 zu spüren war. Jedoch ist mit der Frauenkirche, 800 Jahre Dresden, dem Historischen Grünen Gewölbe vieles zusammengekommen, welches sich äußerst positiv auf den Tourismus ausgewirkt hat. Das reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um die Gästezahlen über mehrere Jahre auf einem hohen Niveau zu halten.

Deswegen muss für die Vermarktung von Dresden noch einiges getan werden, denn es gibt kaum eine vergleichbare touristische Stadt, in welcher die Sehenswürdigkeiten so konzentriert zusammenliegen und vieles zu Fuß erreichbar ist. Dazu die unglaublich vielen Möglichkeiten im Dresdner Umland, der Sächsischen Schweiz und die hohe und sehr gute Qualität der Dresdener Hotellerie und Gastronomie machen Dresden zu einer einzigartigen Stadt.

Jedoch müsste dieses noch wesentlich mehr vermarktet werden, damit mehr Gäste aus den alten Bundesländern und dem europäischen Ausland nach Dresden kommen. Dazu wäre auch ein höheres finanzielles Engagement der Stadt im Bereich Marketing dringend notwendig. Ideen sind hierfür genügend vorhanden, jedoch haben andere vergleichbare Städte ein wesentlich höheres Budget für Stadtmarketing.

Auch im Bereich Wirtschaft muss mehr passieren, denn auf Dauer kann keine Stadt nur mit Tourismus wirtschaftlich überleben. Hier wird schon einiges getan, jedoch wirken sich Arbeitsstellenabbau oder Schließungen der Chip Industrie von z.B. Qimonda und AMD negativ auf das Übernachtungsvolumen aus. Denn auch bei Firmenübernachtungen sowie Tagungen und Events in Dresden ist noch sehr viel Potenzial nach oben vorhanden.

Es wird auch sehr viel darüber gesprochen, dass Dresden ein schlechtes Image hat durch Themen wie Waldschlößchenbrücke, Rechtsradikalismus, lange Wartezeiten Frauenkirche etc. Daran muss natürlich gearbeitet, bzw. mehr über die aktuellen Verhältnisse informiert werden, jedoch können viele Dinge auch positiv gestaltet werden, denn wir haben z.B. die berühmteste Brückenbaustelle in Deutschland.

Es ist müßig, darüber zu diskutieren, was alles in der Vergangenheit falsch oder nicht gemacht wurde, denn wir sollten positiv nach vorne schauen und das unglaublich große Potenzial, was uns Dresden und das Umland bietet, nutzen und es weiter in andere Städte und Länder vermarkten. Und das alle gemeinsam.

Das Image muss verbessert werden.

 

Jürgen Hammer ist in Süddeutschland geboren, hat dort bis zu seinem 31. Lebensjahr gelebt. Seit 13 Jahren wohnt und arbeitet er in Dresden. Er ist verheiratet mit einer Dresdnerin, hat drei Kinder und arbeitet als Business Development Manager.

Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Es scheint sehr schwer zu sein, in Dresden positiv zu denken, positiv zu schreiben und positiv zu sein.

Es gibt hier ein gigantisches Potenzial, egal ob in der Kultur, in der Unterhaltung, im Einkaufsleben oder auch an Firmen - ABER Dresden ist negativ und überhaupt nicht selbstbewusst. Das negative Denken und Schreiben trifft sowohl zu auf die ansässigen Tageszeitungen, auf die Stadtverwaltung und auf einen Großteil der Bevölkerung.

Das geht los mit der unsäglichen Diskussion über die Waldschlößchenbrücke. Woanders werden Brücken gebaut, das bekommt man mit, wenn diese fertiggestellt sind, z.B. in Stralsund - diese gigantische Brücke nach Rügen. In Dresden wird Jahrzehnte geplant, Jahre gestritten und damit ein Negativimage in die Welt getragen, was nicht wieder gutzumachen ist auf lange Zeit.

Und das Thema mit den Rechten, im Landtag und den zahlreichen Übergriffen auf die Bevölkerung. Wieso wird das ständig in den Medien breit diskutiert und publiziert? Die Rechten freuen sich doch über jede Nachricht, egal in welchen Medien, weil das kostenlose Werbung ist für diese Chaoten. Was denken sich die Tageszeitungen in Dresden mit ihren kurzfristigen Negativschlagzeilen? Umsatzplus, klasse für kurze Zeit. Aber es wird vergessen, dass Negativschlagzeilen von 20 Personen multipliziert werden und positive Nachrichten nur von einer Person. Langfristig zu denken scheint in dieser Stadt und auch in diesem Bundesland ein nicht überwindbares Hindernis zu sein.

Ich frage mich: Was will man denn? Man will innovative Firmen mit sicheren Arbeitsplätzen, man will zahlende Touristen, volle Kulturstätten und volle Kaufhäuser. Aber das passiert nicht von alleine. Da muss positive Werbung gemacht werden. Und zwar ständig. Da haben wir schon das nächste Hindernis. Es will keiner etwas entscheiden, es will keiner Verantwortung übernehmen. Denn Verantwortung übernehmen heißt, Ideen umzusetzen und dafür geradezustehen. Das Tor zur Welt sind nun mal die Medien. Und dort ist der Schlüssel zur Imageverbesserung von Dresden und von Sachsen.

Wenn ich da die Dresdner Zeitungen nehme, muss ich leider feststellen, dass dort auch nach fast 20 Jahren Wiedervereinigung immer noch unterschwellig sehr zynisch und negativ das Bild des Westdeutschen gezeichnet wird. Was soll diese Hetze?

 

Eine neue Fokussierung der MARKE und die Dresdner als Werbeträger nutzen.

Dirk Hilbert ist Wirtschaftsbürgermeister von Dresden, Projektmanagement-Fachmann, Diplom-Wirtschaftsingenieur, Elektronik-Facharbeiter, Mitglied der FDP und verheiratet. Zur OB-Wahl trat der inzwischen 37-Jährige dafür ein, dass Dresden bis 2020 schuldenfrei wird, einerseits weniger Arbeitslose und andererseits mehr Einwohner und Firmen hat. Dirk Hilbert ist im Vorstand des City-Management Dresden e.V.

Ich wollte mit meiner Einladung zu einem Ideen-Austausch verschiedenen Interessenvertretern ein Podium für ihre Ideen zur Ausrichtung der Dresden Marketing Gesellschaft geben. Die organisatorische Neuaufstellung bietet die Chance einer neuen Fokussierung der Marke und der Schwerpunkte in der Vermarktung Dresdens. Dafür hat die breite Diskussion wichtige Impulse gebracht. So sollten wir bei der Profilierung der Marke die externe Perspektive wesentlich stärker berücksichtigen. Auch die Kommunikation nach innen, innerhalb der verschiedenen Akteure in der Stadt muss verbessert werden, um die Dresdner als Werbeträger und Multiplikatoren nutzen zu können.

Es darf nicht immer nur die Frauenkirche sein.

ANDREAS OTTO wurde in Südthüringen geboren, hat in Ilmenau Medienmanagement studiert. Danach war er in der internationalen Hotellerie in verschiedenen frankophonen Ländern tätig. Er lebt seit der Eröffnung des Hotels Suitess im Oktober 2007 in Dresden und ist dort als Marketing und Sales Manager tätig.

Zu uns ins Hotel kommen viele nationale und internationale Größen aus Politik, Wirtschaft und dem Showgeschäft. Die zum ersten Mal in Dresden sind, sind fast immer euphorisch begeistert von der Schönheit der Stadt, und die zum wiederholten Mal da sind, loben die Entwicklung. Das ist also nicht das Problem. Was fehlt, sind die Informationen im Vorfeld über das, was Dresden zu bieten hat. Viele Erstbesucher bedauern, nicht mehr Zeit eingeplant zu haben. „Wenn wir das gewusst hätten", heißt es oft. Die durchschnittliche Zahl der Übernachtungen in Dresden ist zwischen 2006 und 2008 um mehr als 100 000 gesunken. Das sind 4 Prozent. Wir als Hotel versuchen, den Angebotsbogen von Kunst und Kultur auch über Wellness, Aktivitäten und Shopping zu ziehen. Am Neumarkt gibt es zum Beispiel viele gute Geschäfte, was die Besucher nie vermutet hätten. Auch über die Restaurants äußern sie sich erstaunt und loben. Es darf nicht nur die Frauenkirche sein, mit der geworben wird. Wir brauchen Attraktionen in der Stadt, damit Stammgäste regelmäßig wiederkommen und trotzdem Neues entdecken können. Wir brauchen auch guten Service in allen Einrichtungen: Shops, Lokale, Hotels, Taxis, Museen. Eine gut funktionierende Infrastruktur, einfaches Ticketing, kurze Wartezeiten, freundliche Servicekräfte – das macht einen großen Teil des Images der Stadt aus und sorgt für Mundpropaganda. „Eine schöne Stadt und so nette Menschen", das ist doch ein Statement eines Dresdenbesuchers, das andere motiviert, auch herzukommen. Auch der Preis-Leistungs-Faktor ist in Dresden sehr gut für die Besucher und sollte mehr kommuniziert werden. Dabei sollte ein gewisses Preisniveau nicht unterschritten werden, wie es im Dresdner Hotelmarkt in Ausnahmefällen geschieht. Denn durch unsolide Preise kann man auch schnell vom niveauvollen in ein „Ausverkaufsimage" rutschen. Das wäre für die Stadt fatal.

Gut klappt die Zusammenarbeit mit den Tourismus-Einrichtungen und Verbänden von Stadt und Land. Man sollte aufpassen, dass man nicht nur mit dem Finger auf eventuell Schuldige zeigt, sondern sich jeder selbst fragt, wie er den Einrichtungen helfen kann. Es ist alles ein Geben und Nehmen. Wir zum Beispiel unterstützen die Öffentlichkeitsarbeit für Dresden mit Übernachtungen und Einladungen in unser Restaurant „Maurice" und sorgen dafür, dass viele nationale und internationale Journalisten, Tourismusverantwortliche und Prominente zu uns kommen. Das sind Multiplikatoren, und das ist gut für Dresdens Ruf und Image.

Dresden braucht mehr Strahlkraft.

Andreas Searty ist Direktor im Hilton Dresden. 1959 in Bagdad geboren und mit einer Dänin verheiratet, beeindruckt der dreifache Vater durch sein fließendes Deutsch, Arabisch und Englisch. Der erfahrene Betriebswirtschaftler leitete unter anderem das „Grand Regency Hotel" in Kenias Hauptstadt, bevor er nach Europa kam.

Ich betone die Wichtigkeit, die neue Marketinggesellschaft DMG von städtischer Seite finanziell gut auszustatten und umgehend wieder auf Touren zu bringen, sowie dass alle touristischen und kulturellen Institutionen besser Hand in Hand arbeiten müssen, um Dresden gemeinsam wieder mehr Strahlkraft zu verleihen.

Es ist nötig, dass man selbst für dich wirbt.

Michael Lohnherr ist Geschäftsführer der Sächsischen Dampfschiffahrt. Er wurde 1943 in Amsterdam geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend in Düsseldorf, studierte in Freiburg und Bonn Volkswirtschaft, wo er den Bundesverband Junge Unternehmer leitete, und arbeitete bei verschiedenen Firmen, bevor er 1996 nach Dresden kam. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Werbung lässt sich nicht an Institutionen und Verbände delegieren. Wir schreiben regelmäßig an 16 000 Adressen von Reiseveranstaltern, Busunternehmen, Charter-Kunden, Firmen, mit denen wir schon öfter zu tun hatten, und an Reisebüros, was wir als Dampfschiffahrt bieten. Die Adressen haben wir über Jahre mühsam selbst gesammelt - die können Sie nicht kaufen, und die wird jeder selbst zusammenstellen müssen. Aber die Rückläufe bei uns sind äußerst erfreulich, sodass wir uns auf einem hohen Niveau stabilisiert haben und die Situation optimistisch sehen.

Alle scheinen sich in vergangenem Ruhm zu sonnen

Karolina Borowski ist seit 2006 Stadtführerin und arbeitete vorher als Einzelhandelskauffrau. Die 45-Jährige ist ledig und kinderlos. In Polen geboren und aufgewachsen, zog sie erst an den Bodensee, bevor sie sich 1992 bewusst für Dresden entschied. Schon ihre Urgroßmutter lebte in unserer Stadt.

Ihr Artikel spricht mir direkt aus dem Herzen. Ich arbeite als Stadtführerin in Dresden und habe fast täglich mit den Missständen in Dresden zu tun. Ich bekomme brühwarm den Unmut der Gäste ab, die viel gereist oftmals einen Vergleich zu anderen besuchten Städten ziehen. Da schneidet Dresden nicht so gut ab. Besonders groß ist die Enttäuschung über die Architektur der Nachwendezeit. Wir hatten eine einmalige Chance, etwas Neues zu erschaffen, das den Ruhm Dresdens nachhaltig, in historischem Anklang und zeitgenössisch fortsetzt. Es entstand eine fürchterliche Gesichtslosigkeit, Gebäude, die sonstwo stehen könnten. Am schlimmsten ärgern mich der Postplatz und der neue Mega-Fresswürfel. Ein unförmiger Klotz, nicht mal das Fugenbild der Sandsteinplattenverkleidung, das als Reminiszenz an die Sandsteinbauten Dresdens ausgeführt wurde, stimmen überein.

Der Postplatz an sich ist ein Schandfleck, die neue Straßenbahnhaltestelle eine unnötige und unsinnige Planung. Die Fahrgäste rennen hin und her, die Überdachung bietet keinen wirklichen Wetterschutz. Da wäre noch die Bebauung des Altmarktes, die wirklich wehtut. Es lebe der Investor, der schnell sein Geld verdienen möchte, ohne Nachhaltigkeit. Geld regiert die Welt, und die Stadt schaut zufrieden zu. Alle scheinen sich zu sonnen in dem vergangenen Ruhm der Stadt, ohne an die Zukunft zu denken. Sind wir es nicht unseren Vorfahren, die uns so viel einmalige Substanz hinterlassen haben, schuldig? Welterbe – ich lasse das Wort einfach stehen. Vielen Dank für Ihren tollen Artikel, möge er viel gelesen werden und wenigstens ein Nachdenken bewirken.