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Der große Löwe im dritten Haus

Immer mehr Dresdner legen ihre Skepsis ab und lassen sich von Astrologen über ihre früheren Leben, ihr Karma oder die Geburtssterne aufklären. Disy - Chefredakteurin Anja K. Fließbach hat es ausprobiert. Erst war sie skeptisch, dann überrascht, später überzeugt. Lesen Sie unglaubliches!

Die Luft flimmerte leicht, es war trocken und ungewöhnlich still. Eine gewisse Unsicherheit steckte mir im Hals. Gerade wollte ich in die Tzschimmerstraße einbiegen, als ein Schatten die Sonne verdunkelte. „Ach, Gott“, rief ich und die Dresdner Astrologin Katrin Klein antwortete lachend: „Na, wir wollen es mal nicht gleich übertreiben.“ Sie wollte mir ein Stück entgegenkommen, erklärte sie.

Als wir in der Wohnung am dunkelgrünen Kachelofen saßen, die dunkelgrünen Ohrringe der Astrologin so dunkelgrün leuchteten wie ihre dunkelgrünen Augen, hätte ich noch umkehren können. Der starke Tee, den sie aus dunkelgrünen Kräutern aufgebrüht hatte, beruhigte und wärmte mich.

Nachdem ich Geburtstag, Monat und Zeit genannt hatte, erstellte mir die Astrologin ein Geburtshoroskop. Mussten die Weissager früher tagelang rechnen, nutzt die Sternendeuterin von heute ihren Laptop. Auf dem Bildschirm zeigte sie mir, wie der Himmel zum Zeitpunkt meiner Geburt aussah.

„Es ist entscheidend, wo welcher Planet stand, wo der Mond und wo die Sonne.“ Ich lerne, dass Aszendent und Mondzeichen mehr aussagen als das gewöhnliche Sternenzeichen. „Sie sind doch keine typische Jungfrau“, behauptet sie. Ihr Pullover leuchtet übrigens genauso dunkelgrün wie ihre Augen, ihre Ohrringe und der Kachelofen.

„Sie wollen Bleibendes schaffen, haben eine inspirierende Persönlichkeit, sind empfindlich und gehen auf andere zu.“ Ich lächle milde. Das ist ja wohl bei einer Journalistin nicht schwer festzustellen. „Sie haben einen festen Willen und große Leidenschaften. Huh, der Mars ist Ihr Kampfplanet. Sie sind eifersüchtig, unversöhnlich, Feind aller Kompromisse und lieben scharfe Debatten.“ Na, na. Beleidigen lassen wollte ich mich hier nicht. Obwohl, ich kenne einige Menschen in meiner Umgebung, die ihr zustimmen würden.

„Sie sind in der Liebe glutvoll, der Ausdruck Ihrer Augen ist einmalig und faszinierend. Der Skorpion gibt Ihnen Tiefe, Spannung und macht Sie unergründlich.“

Okay, sie hat mich wieder versöhnt. Doch diese Schmeicheleien habe ich schon von einigen Männern gehört, die keine Astrologen waren. „Ihr MC, ihr Berufsziel, steht an höchster Stelle in Ihrem Horoskop. Das heißt Aufstieg, Berühmtheit, Popularität. Sie bekommen Ehre, Anerkennung und gesellschaftliche und geschäftliche Erfolge.“ Sie schaut mich intensiv an. Unter ihrem Blick beginne ich zu frösteln. Trotzdem! Bis jetzt hätte ich mir die Dinge auch selbst erzählen können. Als sie anschließend von Geduld, Selbstdisziplin und Bescheidenheit erzählt, widerspreche ich laut. Geduld ist eine Tugend, von der ich nicht viel halte und die ich definitiv nicht habe. „Ein Horoskop ist wie ein Puzzle“, erklärt Astrologin Katrin Klein und lehnt sich in ihrem Sessel zurück. „Wir werden zum Schluss das Gesamtbild bauen, das passt.“

Nun beschäftigt sie sich mit meinem Mondzeichen. „Ihre Gefühlswelt steht im Löwen.“ Ha. Nun hat sie mich. Genau das habe ich immer gesagt, wenn ich die Horoskope gelesen habe. Von wegen nüchterne und ordentliche Jungfrau. Ein feuriger Löwe bin ich. Allein für diese Aussage hat sich der Besuch  gelohnt. Sie lächelt ob meines Gefühlsausbruches. „Die meisten Leute in meinen Sitzungen haben sich viele Jahre nur um ihr Sonnenzeichen gekümmert“, erklärt sie. „Das Mondzeichen sagt viel mehr über die Persönlichkeit, nur das kennen die Menschen meist nicht.“

Für mich bedeutet das, erklärt die Astrologin, ich sei fürsorglich, brauche trotzdem Freiheit und Unabhängigkeit und liebe das andere Geschlecht. Ich sehe auf: „Da bin ich aber froh. Haben Sie schon mal jemandem gesagt, er ist schwul, obwohl er es noch gar nicht wusste?“ Sie lacht und schüttelt den Kopf. „Obwohl wir in diesen Sitzungen oft Eigenschaften und Talente erkennen, die noch schlummern“, meint sie.

Bei mir ist das die Kunst. Bei jedem Planeten und in jedem Haus steht, ich hätte ein überdurchschnittliches Talent für Kunst und würde damit sehr erfolgreich sein. Früher habe ich mal gemalt – Öl auf Leinwand. Aber dann - die Zeit, der Platz für die Gemälde und die Zweifel. Offensichtlich sollte ich das Hobby reaktivieren.

Mein Mond stünde im 9. Haus, was für Fernweh und lange Auslandsaufenthalte stehe. Außerdem würde es mich immer ans Meer ziehen. Nun werde ich langsam weich. Die Sitzung bekommt etwas von Psychotherapie. Ich habe das Gefühl, da ist endlich mal jemand, der mich versteht.

Die Astrologin sitzt scheinbar unbeweglich in ihrem Sessel, aber die leuchtend dunkelgrünen Ohrringe schaukeln. Wie eine Märchenfee hält sie auf ihrem Schoß ein dickes Buch, wo sie hin und wieder die Bedeutung verschiedener Planetenkonstellationen nachliest. Nun bescheinigt sie mir einen scharfen, spitzfindigen Verstand und liest vor: „Sie haben durch Wort und Schrift einen starken Einfluss auf die Massen.“ Ich rücke vor. „Steht das da wirklich?“ Sie zeigt mir den Absatz im Buch und die entsprechende Konstellation in meinem Geburtshoroskop. Das wirkt dann doch etwas eigenartig, wenn man Journalistin, Zeitschriftenverlegerin und TV-Moderatorin ist, was die Sterne schon vor 31 Jahren vorausgesagt haben.

„Es gibt auch noch ein paar negative Spannungen“, bereitet sie mich vor. Die zwischen Venus und Jupiter besagt, dass ich zu Übertreibungen neige, dass Neptun im Quadrat stehe heißt, dass ich verführbar sei und Sympathien für unpassende Personen entwickle. Nun, wenn ich mir die Männer in meinem Leben so ansehe, muss ich ihr Recht geben.

„Da Ihre Sonne hoch oben am MC steht, bedeutet das, dass Sie vom Kern her ein edler Mensch sind.“

Ob ich mein Karma, meine Vorleben oder die Zukunft für die nächsten vier Wochen noch wissen wolle, fragt die Astrologin. Wissen will ich es schon, aber ich kann nicht mehr. Ich fühle mich wie nach einem Marathon. Das Gehörte, was noch viel umfangreicher und detaillierter war als hier beschrieben, muss ich erst mal verarbeiten. Überhaupt muss ich mich wieder finden, denn eigentlich glaube ich nicht an Sternendeutung. Allerdings habe ich das Gefühl, dass sich das gerade geändert hat.