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Christfried Drescher: Immer über den Schmerz gehen

Der Dresdner Apartment-König Christfried Drescher geht gern übers Limit.

... nun hat er sich nach seinen 130 Apartments, die er rund um die Frauenkirche vermietet, seinen vier Souvenirshops, der „DRESCHER Incoming & Tourismus Gmbh“, dem Vorstandsposten im Tourismusverband auch noch das Luxushotel suitess „aufgebürdet“. „Eigentlich mehr nebenbei“, erklärt der umtriebige Drescher. Denn sein Hauptprojekt im Moment ist die Eröffnung des „Aparthotels Am Schloss“ am 30. Juni mit weiteren 29 Apartments. Wie der Dresdner gelernt hat, „über den Schmerz zu gehen“, und dabei trotzdem glücklich ist, lesen Sie hier.

Elegant und charmant begrüßt uns Christfried Drescher im alten, neuen Suitess Hotel. Groß und schlank schreitet er durch die Lobby seines im September aus der Insolvenz heraus erworbenen Hotels. Christfried Drescher führt uns in Dr. Uwe Gablers ehemaliges Büro. Hier hat sich nichts verändert, alles sieht aus, wie Gabler es einst für sich eingerichtet hatte. Im Hotel das gleiche Bild, scheinbar alles beim Alten. Wobei der Schein trügt. Schon viel Geld habe er investiert, so Drescher. Der Wellnessbereich brauchte eine komplette Erneuerung, diverse Hausmaschinen wurden ausgetauscht, flauschige Handtücher, Bademäntel, Pantoffeln gekauft, Kissen mit dem Logo edel bestickt, das Gehalt der Mitarbeiter erhöht. „Diese Luxus-Kategorie ist für mich Neuland“, so Drescher. „Aber ich lerne jeden Tag und liebe es, mit meinen Aufgaben zu wachsen.“

Er ist eine Mischung aus Entspanntheit und Grazie, die sich in seinem Outfit mit Jeans und edlem Gehrock widerspiegelt. Auch seine Energie ist eine Mischung aus entspannt und angespannt. „Ich bin ganz ruhig“, behauptet er und springt auf wegen eines Telefonates, geht plötzlich kommentarlos aus dem Zimmer, um kurz darauf das Gespräch fortzuführen, instruiert kurz darauf eine Mitarbeiterin wegen eines Weges, springt erneut auf, um am Fenster laut zu telefonieren. „Ich bin entspannt“, sagt er und sitzt mit dem Rücken zu seinem Schreibtisch, auf dem ein Chaos an Zettelbergen liegt, Stapel von ungeordneten Papieren. An der Wand hängt eine Urkunde der Lions, darunter stehen eine Kauflandtüte, ein Lidl-Beutel und eine mobile Hundehütte. „Ich muss mal meinen ganzen Kram sortieren“, folgt er meinem Blick. Beim Sortieren ist er auch, was seine Geschäfte betrifft. Inzwischen hat er fast alle seiner Unternehmen in einer GmbH zusammengefasst, nur noch zwei Souvenirläden laufen über sein Einzelunternehmen, das Gasthaus hat er verpachtet. „Meine Frau hat sich jahrelang sehr erfolgreich um die Läden gekümmert. Jetzt sind wir dabei, sie zu entlasten.“ Von Entlastung kann bei Christfried Drescher selbst keine Rede sein. „Ich arbeite täglich von 8 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts, sieben Tage die Woche“, erklärt er. „Natürlich erzählen mir alle, ich solle an Burnout denken, mehr Freizeit schaffen, kürzer treten.“ Er streckt sich, legt die Hände hinter den Nacken und lacht breit: „Aber wenn ich nachts hier an meinem Schreibtisch sitze, bin ich glücklich.“ Dieses Glück nimmt man ihm ab. Man spürt auch eine leise Genugtuung, obwohl jede seiner Äußerungen Bescheidenheit demonstriert. „Ich kann ja nicht mal Englisch“, lacht der erfolgreiche Tourismus-Unternehmer. „Ich hatte vom Luxussegment wenig Ahnung.“ „Mit diesen Verkaufsportalen kannte ich mich kaum aus.“ „Ich bin aber reich an Erfahrung.“ Doch keine dieser Äußerungen täuscht darüber hinweg, dass Drescher in Dresden inzwischen eine ganz große Rolle spielt, dass er nicht mehr nur mitmischt bei dem Karussell um „Rank&Büttig“, „USD“ und Dr. Uwe Gabler – sondern, dass er in vielen Fällen, wie auch jetzt, die Nase vorn hat.

Doch die großen, strategischen Dinge sind das eine, die Arbeit sitzt wie überall im Detail. Sei es der Kauf von Briefmarken, der sich für das Personal wie ein Labyrinth erweist und als Ergebnis 250 Briefmarken ohne Selbstklebung, sondern zum „Anlecken“ hervorbringt, oder der Nagel für ein Bild, der sich als stundenlange Diskussionsgrundlage entpuppt. „Dinge, mit denen du nie rechnen würdest“, so Drescher. Deshalb läuft bisher auch immer noch fast alles über seine Person. „Ich hole auch mal gern Gäste vom Bahnhof ab oder besorge, wie heute für eine Dame, Karten für eine Ballettpremiere in der Semperoper.“ Dieser Service, dieser besondere Dienst am Gast, den er verinnerlicht hat, ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. Nun gilt es nur noch, die Aufgaben in diesem Sinne aufzuteilen und entsprechend zu delegieren. „Meine Firma hat jetzt eine Größe erreicht, dass ich Aufgaben abgeben muss.“ Aber die Einsicht ist das eine ... Aus Dreschers Ton ist zu hören, wie schwer ihm das fällt. Auch an eine Unternehmensnachfolge kann er mit 60 Jahren noch nicht denken. Von seinen sechs erwachsenen Kindern ist im Moment keines so richtig interessiert. „Ich will das auch nicht forcieren. Sie sollen ihr eigenes Leben leben.“ Fast scheint es, als sei er froh, dass er unabkömmlich und unersetzbar ist. „Ganz ehrlich? In diesem Unternehmen steckt zu viel Arbeit, Leidenschaft und Herz drin, als dass man es einfach jemand anderem übertragen könnte“, gibt er zu.

Und nun noch die Sache mit dem Suitess. „Im Moment ist die Auslastung noch mäßig, sind wir noch dabei, das Personal als Team zu etablieren“, sagt er. Die 21 Zimmer und Suiten sind alle wieder funktionstüchtig, die fünf ehemaligen Wohnungen sind als vermietbare Apartments ausgebaut. Neue große Aufgabe ist nun das Restaurant. Das von André Mühlfriedel einst zum Michelin-Sterne-Restaurant „hochgekochte“ Maurice soll nun als Feinschmeckerlokal „Moritz“ Gäste bewirten. „Erst hatte ich einen Pächter. Aber es ist besser, wenn das Restaurant und das Hotel eine Symbiose bilden“, erklärt Drescher und hofft mit neuer Karte und neuem Küchenchef (Sebastian Rosenfeld; aus dem benachbarten Premium Innside Hotel) nun auf viele Gäste. Auch eine schwere Aufgabe. Aber Christfried Drescher liebt es, über Grenzen hinauszugehen. Das war übrigens stets die Devise des Dresdners. Als gelernter Tänzer der Palucca Schule war er Disziplin, Schweiß und Fleiß gewohnt. „Immer über den Schmerz trainieren“, war das Hauptmotto seiner russischen Dozenten gewesen. Doch heute, mit 60 Jahren, resümiert er: „Wenn man bestimmte Dinge will, ist viel möglich. Was ich aber lernen musste, ist, dass eben doch nicht alles möglich ist. Ich habe viel erlebt, Menschen kennengelernt, mich mit Menschen beschäftigt – das ist Leben, dafür bin ich hier. Außerdem bin ich ein gläubiger Mensch. Das macht vieles einfacher. Wenn ich es jetzt schwer habe, weiß ich, irgendwann habe ich es leicht.“ Anja K. Fließbach