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"Kosmos der Erinnerungen" - Die neue Ausstellung zur Geschichte der Stadt im Landhaus

In der neuen ständigen Ausstellung im Stadtmuseum, die am 30. November 2006 eröffnete, werden jetzt auch Geräusche unserer Stadt gesammelt. Oberkustos Roland Schwarz lädt deshalb die Dresdner ein, eigene Aufnahmen beizusteuern. Doch das ist nicht die einzige Möglichkeit für Besucher, sich aktiv zu beteiligen: Disy-Redakteur Hans-Holger Malcomeß hat weitere Neuigkeiten für Sie recherchiert.

Projekt "Hörmuschel" -
immer am Ohr unserer Stadt

Deutschlandweit ist das Projekt der „Hörmuschel“ – wie nicht weniges in unserer Stadt – wohl einmalig. Ausgangspunkt für deren Entstehung war die Frage, welche wichtigen Veränderungen es in den letzten Jahren in Dresden gab. Ausstellungsorganisator und Oberkustos Roland Schwarz gibt darauf eine überraschende Antwort: „Die Stadt klingt heute anders, es gibt andere Geräusche als noch vor zehn oder zwanzig Jahren, und teilweise sind frühere Geräusche ganz verschwunden.“ Deshalb sollen jetzt nicht mehr nur Fotos, Dokumente und Gegenstände gesammelt werden, sondern auch Geräusche. Erste Beispiele kann man sowohl in der Ausstellung als auch auf der Webseite des Stadtmuseums hören. Auch die Internet-Gemeinschaft ist aufgerufen, weitere Geräusche an das Stadtmuseum (hoermuschel.dresdendepot.de) zu senden: „So können alle Interessierten am Aufbau der ‚Hörmuschel‘ mitwirken“, freut sich der Oberkustos.

Projekt "Dresdner Sammler"
Auf die Beteiligung möglichst vieler Besucher und interessierter Dresdner Bürger setzen drei weitere Projekte. So sollen zukünftig Sammler verschiedenster Themenbereiche die Gelegenheit erhalten, ihre Leidenschaft in kleinen Ausstellungen öffentlich zu präsentieren. „Wir wollen auch einmal andere, private Arten von Beschäftigung mit Geschichte vorstellen“, begründet Roland Schwarz diese Entscheidung und fordert zur Mitarbeit auf. „Alle Dresdner sind eingeladen, dem Museum nicht mehr benötigte Objekte zu schenken.“

Projekt "Stadtchronik schreiben"
Neu ist ebenfalls, dass die Besucher an der Dresdner Stadtchronik mitschreiben können. Bisher hatte eine Museums-Mitarbeiterin die Chronik auf der Grundlage von regionalen Zeitungsmeldungen fortlaufend ergänzt. Der Oberkustos: „Es passieren aber ganz viele Dinge in Dresden, die nie in die Medien kommen. Ich bin mir deshalb sicher, dass es viele Bürger gibt, die an dieser offenen Chronik mitschreiben wollen.“ Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: In der Ausstellung selbst wurde ein Redaktionsbüro eingerichtet, an dessen Computer man Beiträge verfassen kann. Gleichzeitig läßt sich im Internet über die Adresse wiki.dresdendepot.de auf die Stadtchronik zugreifen.“

Projekt "Wunscharchiv" - Ihre Vision für Dresden ist gefragt!
Doch das ist noch nicht alles: Im „Wunscharchiv“ können Besucher ihre Wünsche für die Stadt mithilfe einer Schreibmaschine auf sogenannten Wunschkarten abtippen und diese in eine eigens dafür gefertigte Wand stecken. So ist es anderen Besuchern möglich, die Wünsche zu lesen. Sie werden systematisch archiviert, so dass man auch in einigen Jahren die Wünsche von 2006 noch nachschlagen kann. Die aktuellen Wünsche werden jedoch immer in der Ausstellung an der Wand zu lesen sein.

"Kosmos der Erinnerungen" - Zeitzeugenarchiv 13. Februar 1945
Die „Hörmuschel“, die Sammler-Ecke, die kollektive Stadtchronik und das „Wunscharchiv“ sind Teil des „Depots der Gegenwart“, wie sich einer der insgesamt vier Ausstellungsräume nennt. Dort findet sich außerdem ein „Kosmos der Erinnerungen“, der Auszüge aus 50 mit Dresdnerinnen und Dresdnern geführten Interviews präsentiert. Sie entstanden, weil der Stadtrat im Jahr 2003 die Gründung eines „Zeitzeugenarchivs 13. Februar 1945“ beschloss. Neben dem Stadtmuseum hat vor allem das Frauenstadtarchiv entsprechende Gespräche geführt. Roland Schwarz: „Perspektivisch werden die Aufnahmen aller beteiligten Institutionen aber zusammengefasst.“

"Depot der Gegenwart" - Wo hören wir auf mit dem Sammeln?
Mit dem „Depot der Gegenwart“ sollen, so der Oberkustos, die Besucher an Fragen herangeführt werden wie: „Was ist Geschichte – was sammeln wir eigentlich – wie erinnern wir uns an die Geschichte unseres eigenen Lebens und an diejenige der Stadt?“ Auch Museums-Chef Dr. Werner Barlmeyer findet die Frage, wie wir mit unserer Gegenwart umgehen, besonders spannend: „Wo hören wir auf mit dem Sammeln, mit dem Repräsentieren, mit dem Diskurs über die Stadt – 1990, oder doch lieber erst 2000?“ Letztendlich fiel die Entscheidung, überhaupt nicht aufzuhören. Für Dr. Werner Barlmeyer ist deshalb das „Depot der Gegenwart“ zweifellos das ganz Besondere der neuen ständigen Ausstellung im Stadtmuseum. „Damit schreiben wir, in aktiver Zusammenarbeit mit den Besuchern, Dresdner Stadtgeschichte weiter.“

Vier Epochenräume - vom Mittelalter bis heute
Neben dem „Depot der Gegenwart“ gibt es noch drei weitere Räume, Epochenräume genannt, die chronologisch aufgebaut sind. Der erste behandelt den „Aufstieg Dresdens“ vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, der zweite „Die Stadt der Bürger“ im langen 19. Jahrhundert und der dritte schließlich die „Demokratien und Diktaturen“ des 20. Jahrhunderts. In ihnen kann sich der Besucher jeweils in kleinen Vertiefungsräumen, die durch unterschiedliche Farben gekennzeichnet sind, mit speziellen Themenbereichen auseinandersetzen. „Die Dresdner, welche sich noch an die alte Ausstellung erinnern, werden vieles wiedererkennen“, lädt der Museums-Chef in die neue Ausstellung ein. Dafür sollen vor allem die aus der älteren Stadtgeschichte stammenden großen Leitobjekte sorgen, die jetzt allerdings in einem anderen Raumkontext präsentiert werden und, so Dr. Werner Barlmeyer, „einfach zum Gedächtnisschatz unserer Stadt gehören“.

Autor: Hans-Holger Malcomeß (Disy Winter 2006/07)
 

Die vier Epochenräume der neuen ständigen Dresden-Ausstellung im Stadtmuseum finden sich auf den oberen beiden Etagen des Landhauses:
1. Raum: „Depot der Gegenwart - Zwischen Vergangenheit und Zukunft“.
    Die Entwicklung unserer Stadt seit 1991
2. Raum: „Der Aufstieg Dresdens – Vom 13. bis zum 18. Jahrhundert“.
    Vom Mittelalter bis zum Siebenjährigen Krieg (1206-1763)
3. Raum: „Die Stadt der Bürger – Das lange 19. Jahrhundert“.
    Vom Siebenjährigen Krieg bis zum Ersten Weltkrieg (1763-1914)
4. Raum: „Demokratien und Diktaturen - Das 20. Jahrhundert“.
    Vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende der DDR (1914-1990)

 
Zu den Öffnungszeiten und zur Adresse des Stadtmuseums


Weiterführende Links:
Erleben Sie die Geräusche unserer Stadt: hoermuschel.dresdendepot.de
Schreiben Sie an der Stadtchronik mit: wiki.dresdendepot.de
Besuchen Sie die Internet-Plattform der Städtischen Museen: www.museen-dresden.de

Abbildung oben links:Das Opernglas stammt aus einem Haus im Dresdner Stadtzentrum, das bei der Bombardierung am 13./14. Februar 1945 zerstört worden ist. Jahrzehnte später wurde das Opernglas bei Grabungen aus dem Trümmerschutt geborgen.
Abbildung oben mitte:

Konsolenbüste der Busmannkapelle aus der 1945 zerstörten Sophienkirche. Die Skulptur zeigt Frau Busmann, die gemeinsam mit ihrem Mann die Kapelle Anfang des 15. Jahrhunderts gestiftet hat.
Abbildung oben rechts:
„Nec rem cupias alienam“ (Du sollst nicht fremdes Eigentum begehren). Eines der Zehn Gebote des Alten Testaments auf einer Abbildung von 1529.
(Bildnachweise: Stadtmuseum Dresden)

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Und hier noch unser Disy-Tipp: Städtische Galerie Dresden
Wenn Sie im Landhaus sind, besuchen Sie auch die jeweilige aktuelle Ausstellung in der Städtischen Galerie (1. Etage). Gegenwärtig wird dort noch bis zum 7. Januar 2007 die Ausstellung „Arbeitswelten – Conrad Felixmüller und Peter August Böckstiegel“ gezeigt.
Mehr Informationen unter www.galerie-dresden.de

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