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65. Beitrag: "Beim Kaiser von Japan" (12. März)

 

"Ist der Kaiser echt, der dort wohnt?", staunte Louisa mit Blick auf den Kokyo, den Wohnsitz des japanischen Kaisers und seiner Familie. Echt schon, Chef des Landes nur bedingt. "Er repräsentiert ähnlich wie die Queen von England", erklärte uns eine Japanerin. Und von seinem Palast war auch nicht viel zu sehen...

Nur zweimal im Jahr dürfen normale Menschen den Palast besuchen: am 2. Januar und zum Geburtstag des Kaisers am 23. Dezember. Sonst können die Besucher nur in einem kleinen Teil des 110 Hektar großen Palastgartens mit Grünflächen und akkurat geschnittenen Kiefern spazieren gehen.

Wir fahren mit einem Teil unserer "Fischmarkt-Gruppe" und immer noch begleitet von Surgino und Momosaki weiter durch Japans hektische und laute Hauptstadt, durch Vergnügungsviertel, vorbei an http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/yokohama_165.jpgbunten Neonreklamen und Straßenmärkten, über mehrstöckige Hochstraßen und passieren hunderte Wolkenkratzer, die erst in den letzten Jahren erbaut wurden: Die Atago-Türme mit 42 Etagen, der Roppongi -Hill -Komplex mit Läden, Restaurants, Kinos und Büros auf 54 Etagen und dem neuen und beeindruckenden Shiodome, wo auf  3dem 10000qm großen Gelände dehttp://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/yokohama_164.jpgs ehemaligen Güterbahnhofs ein "New Tokio" bestehend aus zwölf Wolkenkratzern gebaut wurde. Wir sehen wenig historische Gebäude, wurde Tokio doch bei einem großen Erdbeben 1923 und später wieder im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Was wir heute beim Blick aus dem Fenster sehen ist modern, dynamisch, exotisch, manchmal hässlich, manchmal dezent kühl und manchmal übertrieben bunt und gigantisch. Mir gefällt es.

Wir steigen in Asakusa aus, einem Stadtviertel am Sumida - Fluss und Surgino nimmt uns mit zumhttp://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/yokohama_128.jpg Senso - ji, der auch als Asakusa - Kannon - Tempel bekannt ist. Hier soll in einem goldenen Schrein  das goldene Abbild von Sho Kannon liegen, der Göttin der Barmherzigkeit. Wieder gibt es dazu für http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/yokohama_138.jpg Louisa eine Geschichte: Im Jahr 628 soll diese Figur zwei Fischern ins Netz gegangen sein, die daraufhin den Tempel errichteten. Wir beobachten die Japaner, die sich Weihrauch von glimmenden Stäbchen ins Gesicht fächern (das soll vor Krankheiten und Unglück schützen) oder weiße Papierzettel kaufen, auf denen ihre Zukunft steht. Surgino gibt uns allen ein Geldstück und erklärt, wie wir es in den großenhttp://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/yokohama_140.jpg Opferkasten werfen sollen und für Glück beten. Danach zeigt er uns die Awashima - do, die kleine Halle, die dem Wohl der Frauen gewidmet ist und einige andere Räume. Die 48m hohe Pagode mit  fünf Etagen http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/yokohama_154.jpggehört zu Japans Nationalschätzen. Wir spazieren vom Tempel die Nakamise - dori entlang , vorbei an Souvenirshops und Ständen mit Köstlichkeiten. Japanische Schulmädchen sprechen uns an, stellen uns Fragen und schenken Louisa aus http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/yokohama_146.jpgPapier gefaltete Tiere. Am Kaminari - Mon, dem Donnertor, treffen wie unsere Freunde wieder genau unter dem 3,30m großen und 100 Kilo schweren Lampion, einem Symbol Tokios.

Auf der Weiterfahrt beobachte ich das Treiben in Tokio, spüre eine gewisse Strenge und sehe an den überfüllten Überwegen an Ampel kurz in die angestrengten und konzentriert wirkenden Gesichter der Geschäftsleute. Sie http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/img_1774.jpgsehen einheitlich aus in ihren Anzügen, genau wie die Kinder in ihren Schuluniformen. Ich erinnere mich, was ich über die offene Ablehnung von Individualismus gelesen hatte. Ein japanisches Sprichwort lautete: "Auf einen Nagel, der hervorsteht, haut man drauf." Aus irgendeinem Grund hatte ich mir genau diesen Spruch gemerkt. Warum nur?

Auf unserer Fahrt klingelt immer wieder Surginos Handy. Neben dem Mundschutz über den ich euch gestern schon etwas erzählt habe, ist das Handy hier ein stärkeres Statussymbol als bei uns. Mir ist es in Kaufhäusern, Restaurants, in der U-Bahn und eben hier im Bus aufgefallen. Japaner stehen und gehen mit Handys am Ohr, sie brechen jedes Gespräch abrupt und unhöflich ab, wenn ihr Telefon klingelt.

Bis auf die Handy - Sache ist Surgino überaus liebenswürdig. Er ist nicht so ein japanischer Mann,http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/yokohama_115.jpg der sich wie ein Samurai verhält. Eine Freundin von mir, die ein halbes Jahr in Japan zum Lernen der Sprache gewesen war, hatte mich nämlich davor gewarnt gehabt. Zwar gibt es schon seit 150 Jahren keine Samurai mehr, aber einige Männer würden sich immer noch benehmen, als wären sie besser als alle anderen, als könnten ihnen banale Alltagsdinge nichts anhaben. Die Samurai waren früher Diener (samurau heißt dienen) der Feudalherren, galten als Elitekämpfer und verachteten Dinge wie Gefühle, Geld und ein normales Leben. Stattdessen war für sie Ehre, Rache und der Ehrenkodex "Bushido" wichtig, wegen dem viele Samurai einen rituellen Selbstmord begingen, der in Japan "Seppuku" heißt und bei uns als "Harakiri" bekannt ist.

http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/osaka_kyoto_137.jpg Wir fuhren über das Autobahn - Gewirr zurück und waren gegen 13 Uhr wieder in Yokohama an unserem Schiff. Für einen Japaner war das ein guter Zeitpunkt, weil die 13 nicht wie bei uns Unglück brachte. Hier war die 4 die Unglückszahl, weil das Zeichen dafür ausgesprochen genauso klang wie "der Tod". Deshalb gab es in den japanischen Krankenhäusern keine Zimmer mit der Nummer 4. Für mich war Japan wegen der positiven Bewertung der 13 sympathisch. Ich war nämlich an einem Freitag, den 13. September geboren und der deutsche Aberglaube nervte mich deshalb besonders. Unser Kreuzfahrtdirektor Christian Adlmaier war lustigerweise auch an einem Freitag, den 13. September geboren (ich werde ihn weiterhin oft erwähnen, weil er mit dem Kapitän der wichtigste Mann an Bord, ständig präsent, informierend und dabei auch noch immer freundlich ist).

Bevor wir an Bord unserer "MS Amadea" gingen, begutachteten wir das Schiff, das an der anderen Seite des Piers lag: Die Queen Elizabeth 2. Wie schon in Valparaiso mit der "Deutschland", dem berühmten Traumschiff, ging mein Vergleich wieder zu Gunsten der Amadea aus. Ein Blick in die Fenster der "QE 2", wie sie die Kreuzfahrt - Experten und auch unsere Besatzung cool nannten, zeigte ältere Damen mit Hut am Tisch und zweireihigen, hoch geschlossenen Blusen, ein Herr am Fenster trug ein Monokel, die Kellner glichen elitären Pinguinen. Die äußere Ansicht war schlicht und auch hier gab es im Verhältnis deutlich weniger Balkonkabinen. Der Rückweg führte uns an unserem Schiff vorbei und ich versetzte mich in die Lage eines der vielen japanischen Touristen, die zum Hafen gekommen waren, um die beiden Schiffe zu bestaunen. In Ruhe schritt ich die "Amadea" ab, sah wie eben bei der "QE 2" (ich bin auch schon ein cooler Experte) in die Fenster. Ich betrachtete die "Amadea" als würde ich sie nicht kennen (ehrlich gesagt hatte ich unser Schiff von außen noch nie so genau angesehen). Es war ein schönes Schiff. Es wirkte schon von außen durch die http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/img_0702.jpg auflockernden Balkons und großzügigen Decks offen und freundlich. Louisa winkte einem Kellner, der zurück winkte und für Louisa Faxen machte. Ich fand unseren Balkon, zeigte ihn meiner Tochter und gemeinsam staunten wir: Das war unser Balkon, das war unsere Kabine, das war unser Schiff.

Als wir uns nun den Weg durch die schaulustigen Japaner im Hafengebäude bahnten, stolz unsere Bordkarten dem Sicherheitsbeamten zeigten, der ab hier nur noch die "Amadea" - Passagiere durchließ, fühlte ich mich wieder wie der besagte VIP. Ich war glücklich, so privilegiert zu sein, mit der "Amadea" reisen zu dürfen, dazu zu gehören. Ich liebte dieses Schiff mit allen Leuten, die drauf waren. Und jeder der mich kennt weiß, wenn ich das schreibe, dann ist genau das die absolute Wahrheit!

Anja Fließbach: Montag, 12 März 2007, 23:32 Uhr