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Editorial Winter 2013/2014

Ich mag es zwischen den Menschen in meiner Redaktion, in meiner Familie und vor allem in der Stadt gern harmonisch. Aber ich habe gelernt, es ist nicht möglich, alle gleichzeitig glücklich zu machen. Schreibt man etwas Nettes über den einen, ärgert sich der andere. Stellt man einen vor und den anderen nicht, ist der andere sauer. Es ist mir klar, dass Journalisten sich darum sonst nicht wirklich kümmern. Sie haben eine Geschichte, dann wird sie gedruckt - basta! Das ist im Tagesgeschäft legitim, und Medien sollten auch ein Regulativ für die Gesellschaft sein. Aber: Wir sind anders! Zum einen, weil wir oft auf brisante Geschichten verzichten, zum anderen, weil wir auf Wunsch Informationen auch einfach mal für uns behalten.

Natürlich hat es seinen Vorteil, das Netz hinter dem Netz zu durchschauen und sich manchmal auch ein wenig zu amüsieren. Man sollte doch nicht glauben, womit sich wichtige Menschen in Vorstandsetagen und Geschäftsführerbüros neben ihrer Arbeit ausführlich beschäftigen: Da geht es wirklich darum, wen wir bei Aufzählungen namentlich in welcher Reihenfolge genannt haben, welche Namen beieinander stehen, wer auf welchen Fotos gut aussieht und wer schlecht getroffen wäre (wobei wir immer auf vorteilhafte Fotos achten!). Es wird geschimpft über die Konkurrenten in den jeweiligen Branchen, auf den Nachbarn, der es angeblich gar nicht verdient hat, so groß im Foto zu sehen zu sein.

Können sich nicht alle einfach vertragen? Ist es nicht möglich, den anderen neben sich so leben zu lassen, wie er es möchte? Ausschreibungen, Kämpfe um Projekte und Gelder, eine hohe Marktdichte in vielen Branchen - schon klar, dass auf uns allen ein besonderer Druck lastet. Aber das Ventil dafür sollte ein anderes sein als Wut oder gar Hass auf den Mitbewerber. Schließlich ist er einem ähnlich.

Nun, ich stehe natürlich nicht über den Dingen, und mal einen sprachlichen Seitenhieb auf den einen oder anderen schließe ich bei mir auch nicht aus. Sicher schwatzt man über andere. Wir sind Menschen. Aber es sollte doch einen bestimmten Zeit-, Energie- und Anstandsrahmen nicht sprengen.

In unserer Branche ist es eigentlich sehr angenehm. Zwar gilt München als umkämpfter Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, aber es hat sich ein kollegiales Gegeneinander eingespielt. Von mir aus könnte es auch ein Miteinander sein, aber so realistisch bin ich dann doch. Gut, wir sind vom Umsatzdruck durch Vorstände großer Verlage verschont und deshalb sicher entspannter als andere. Trotzdem empfinde ich den Umgang in unserer Branche als friedlich bis freundschaftlich, respektvoll und manchmal sogar gegenseitig anerkennend.

Das wünsche ich mir für die ganze Stadt: Stolz auf die Erfolge des Nachbarn sein, Vorsprünge des anderen als Ansporn für die eigene Kreativität sehen, nicht über Mitbewerber oder andere Menschen herziehen, Kritik direkt ansprechen und vor allem die Priorität auf das eigene Geschäft und das eigene Leben legen.

Auf ein gutes Miteinander!

Ihre Anja K. Fließbach