• 3387 Aufrufe

Editorial Winter 2004/2005

Das Schwerste im Leben sind wohl Abschiede und Entscheidungen. Was gibt es Schwereres als eine Entscheidung für einen Abschied?

Täglich treffen wir hunderte Entscheidungen: Welche Schuhe ziehen wir morgens an, nehmen wir die Bahn oder das Auto, trinken wir eine Tasse Kaffee oder Tee? Nicht wirklich wichtig. Morgen können wir andere Schuhe anziehen, wir können nach dem Kaffee gleich noch einen Tee trinken und mit der Bahn hin- und de Taxi zurückfahren.

Dann gibt es die Entscheidungen, die einem den Schlaf und den Atem rauben. Entscheidungen mit Konsequenzen, die man oft nicht einschätzen, meist nicht einmal ansatzweise ahnen kann. Wie Zimmer mit vielen Türen und einem Mechanismus: Macht man eine Tür auf, gehen alle anderen zu. Doch welche Tür soll man wählen?

Als Chefredakteurin treffe ich täglich viele solcher Entscheidungen. Man gewöhnt sich daran. Nicht viel abwägen, schnell entscheiden, konsequent bleiben und nicht darüber nachdenken: „Was wäre gewesen, wenn…“

Privat ist das viel schwerer. Vor allem wenn Emotionen im Spiel sind, Menschen, Schicksale. Ein Freund sagte einmal: „Wir können alles machen im Leben. Wir müssen nur bereit sein, den Preis dafür zu zahlen.“ Der Preis für meine Weltreise: Sehnsucht haben, allein sein, Menschen vermissen, dass nach der Wiederkehr Freunde nicht mehr da und Männer nicht mehr frei sind, dass das Leben hier ohne einen weitergegangen ist.

Ich habe einen anderen Freund in Österreich. Immer wenn er mich wieder allein ließ, um nach Hause zu fahren, fand ich das unfair. „Es ist immer schwerer für den, der bleibt“, sagte ich. Heute stimme ich seinen Einwänden zu.

Bevor man geht, sollte man allen lieb gewonnenen Menschen sagen, dass man sie gern hat, wenn es so ist. Den Kritikern, freut euch nicht zu früh, und den Streitpartnern „sorry“ oder „break“.

Es ist keine richtige Pause, sondern eine vorübergehende Verlagerung des Arbeitsplatzes. Also viel Spaß beim Lesen unserer Reportage „Einmal um die Welt bitte“ auf Seite 60 bis 63.

Gute Freunde bleiben Freunde, auch wenn sie sich eine Weile nicht sehen.

Herzlichst Ihre Anja K. Fließbach