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Disy-Reportage: Wie ich mich wieder fand

Eine „echte“ Ayurveda-Kur im Parkschlösschen in Traben-Trarbach
 

Ayurveda - hier wird das ureigene Gleichgewicht des Menschen wieder hergestellt. Die ayurvedische Heilkunst basiert mit allen Behandlungen und
Therapien konsequent auf den strengen Prinzipien des 5.000 Jahre alten
ursprünglichen Wissens. Disy-Chefredakteurin Anja K. Fließbach hat eine
Panchakarmakur gebucht mit allen Höhen und Tiefen. Wie es ihr dabei ging
und was sie erlebte, lesen Sie hier!

 

"Viel Spaß", wünschten meine Leute, als ich mich zur Ayurvedakur nach Traben-Trarbach verabschiedete. Ich grinste sie an, denn ich wusste, was mich erwartete. Mit Spaß hatte das nur bedingt zu tun. Viele verwechselten das "wahre" Ayurveda mit Ölmassagen und Wellness - Anwendungen. Aber da, wo ich hinfuhr, da war es anders. Da ging es zur Sache. Panchakarma - zehn Tage Reinigung von Körper und Seele. Als ich nach langer Fahrt über Frankfurt und Koblenz im Parkschlösschen ankam, empfand ich den großen Garten mit dem alten Baumbestand und das mir schon bekannte, alte Gebäude mit modernem Anbau sofort als beruhigend. Okay, ein wenig aufregend war natürlich gleich die Begegnung mit Bundestrainer Jogi Löw, als ich noch nicht mal eingecheckt hatte. Dass man Prominenten und Wirtschaftsgrößen hier begegnete, war normal. Das Parkschlösschen ist das einzige Haus in Deutschland, in dem nur Ayurveda angeboten wird und das ganzheitliche Konzept von der Küche bis zum Service auf die Kurgäste abgestimmt ist. Deshalb kommen die gestressten, erkrankten oder gerade geheilten Menschen aus ganz Europa hier her, um ihren Körper zu regenerieren, aber oft auch, sich selbst wieder zu finden, neue Kraft und Hoffnung zu schöpfen. Das Personal ist nett und die freundliche, fast liebevolle Ansprache ist ungewohnt. Ich nehme ein helles Vata-Zimmer in der 4. Etage. Das passt zu meinem Konstitutionstyp (Pitta mit erhöhtem Vata) und zu meiner Stimmung. Schon die Farben und die Einrichtungsart entspannt mich. Auch das ist Teil von Ayurveda. Allerdings habe ich mir ein Zimmer mit Fernseher gegönnt. Das sollte man eigentlich nicht. Auch mein Laptop hat theoretisch hier nichts zu suchen. Aber im Gegensatz zu meinen beiden letzten Ayurveda- Kuren, will ich dieses Mal nicht zu tief in meine seelische Verfassung eintauchen. Ich will gern Herr bzw. Frau der Situation bleiben. Nicht zu viel innere Arbeit, nicht zu viele Meditationen. Entsprechend entscheide ich mich am Abend im Restaurant für einen Gesellschaftstisch mit anderen Kurgästen. Sonst saß ich versunken in mich und meine Arbeit allein, wie übrigens viele in den zwei Restauranträumen. An vielen Tagen bleibt man einfach auf dem Zimmer.

Die Arztkonsultation, die ich direkt nach Jogi Löw bei Dr. Hans H. Rhyner absolviere, bestätigt meine Empfindung. "Sie verbrauchen mehr Energie, als sie aufnehmen", so das Urteil. Da ist nicht mehr viel mit Abwehrkraft. Er erklärt das auch durch die Geburten ohne Regenerationsphasen verbunden mit der vielen Arbeit. Bei einer Geburt würde die Frau 50 Prozent ihrer Abwehrkraft und ihres Immunsystems an das Kind abgeben. Auch die langen Stillzeit hätten "geschlaucht". Beim nächsten Kind wieder 50 Prozent, ohne zwischendurch neu aufgebaut zu haben. Dann waren nur noch 25 Prozent für mich übrige. Und diesen 25 Prozent habe ich wirklich noch viel zugemutet an Ärger, Anspannung, Sorge, Stress - aber auch Euphorie, Arbeitsflow, neuen Ideen und Projekten. Dr. Rhyner schaut mich durch seine Brille mit intensivem Blick an. Er versucht, mich zu erfassen. Er kann das, das spürt man. Er hat in Indien Ayurveda und Philosophie studiert und 25 Jahre da gelebt. Pulsdiagnose, Zungendiagnose und Hauttest geben Aufschluss über die konkreten Ursachen für die Wehwehchen. Er stellt den Behandlungsplan individuell für mich zusammen, bestimmt verschiedene Öle für die Anwendungen, Tees, Zusätze für Ghee und den Speiseplan. In den letzten Jahren ist das Parkschlösschen sehr viel individueller geworden. Für jeden Gast das genau Passende.


Am nächsten Morgen die Überraschung. Um sieben Uhr klingelt das Telefon: "Guten Morgen, Sie können jetzt ihr Ghee abholen", heißt es. Früher konnte ich die geklärte Butter, die Hauptbestandteil der Behandlung in den ersten drei Tagen ist, vor meiner Zimmertür abholen, mit Nasezuhalten und Augenzukneifen hinterschlucken, und wieder ins Bett gehen. Nein, die neue Regel im Haus ist, den Kreislauf in Schwung bringen, das Ghee unten im Restaurant abholen und dann ein Spaziergang durch den Park. Mensch, so früh muss ich doch zu Hause schon wegen den Kindern immer aufstehen. Ich dachte, hier... Und so treffe ich in den nächsten drei Tagen jeden Morgen viele ziemlich fertig aussehende "Mitkurer", am Anfang laufen sie, später schleppen sie sich erst ins Restaurant, dann durch den Park. Die Menge des reinen Butterfettes, das wir auf nüchternen Magen trinken müssen, wird von 30, auf 60 bis 90 ml gesteigert. Den Brechreiz lernen wir zu unterdrücken, indem wir vorm Trinken Zitrone kauen. Meine Anwendungen mag ich die ersten Tage gern. Synchrone Ganzkörperölmassagen (Abhyanga) mit zwei Therapeutinnen und viel warmen Öl, außerdem zwei Stirnölgüsse (Shirodara). Dabei wird ein dünner Strahl in verschiedenen Bewegungsabläufen über die Stirn gegossen. Früher hat mich das sehr entspannt und geerdet. Dieses Mal bin ich zu aufgedreht und achte auf das Klappern der Kannen und die leisen Wortwechsel der Therapeuten. Auch beim Königsguss (Pizzichilli) kann ich mich unter den beiden Ölstrahlen, die meinen Körper rauf und runter wandern nicht entspannen. Wahrscheinlich stecke ich die Therapeutinnen mit meiner aufgewühlten Energie an und sie wirken leicht unkonzentriert. Während meine anderen Kurfreunde schon mit ihren Körpern und Entgiftungserscheinungen kämpfen, sie von Kopfschmerzen, Mattigkeit und Übelkeit geplagt werden, hüpfe ich noch durch die Gegend wie immer. Abends in der Bar (19 bis 20 Uhr gibt es einen Gemüse- oder Obstcocktail), bin ich fast die Einzige. Nach anfänglicher Langeweile, entdecke ich die Abendvorträge für mich. Es geht um Meditation, wie Ayurveda gegen Stress hilft und wie wichtig die Gesundheit des Darmes ist. In diesem Sinn gibt es nach den drei Ghee-Tagen (es soll die fettlöslichen Giftstoffe im Körper binden), den berühmten Abführtag mit einem Rhizinusgemisch. Jeder verbringt danach den Vormittag auf dem Zimmer. Meine Freunde treffe ich zum Mittag wieder oder am Abend. Es gibt ab jetzt nur noch Reissuppe. Mit der ayurvedischen Spitzenküche, für die das Parkschlösschen berühmt ist, ist für die nächsten Tage Schluss. Die Stimmung ist am Boden. Nur ich nicht, ich bin immer noch wie ein Hüpfball. Aber ich weiß, der Hammer kommt noch. Und ich soll Recht behalten.

Am nächsten Morgen kann ich kaum aufstehen. Hitzewallungen, Schwindel, Herzrassen - jetzt ist mein Körper an seinem Tiefpunkt oder Wendepunkt. Arbeit und alle anderen Dinge sind vergessen, der Körper fordert die alleinige Aufmerksamkeit. Der Arzt wird vor seinem Dienstantritt geholt, heute ist es Herr Bandara, ein Inder. Er empfängt mich liebe- und verständnisvoll, lässt sofort einen Elektrolytedrink bringen, streicht alle Anwendungen für den Tag und streichelt meinen Arm. Seine Fürsorge tut mir gut. Ich bin zu Tränen gerührt. Wie schön, wenn sich mal einer um einen kümmert und nicht immer anders herum. Ob ich zu Hause auch Jemanden hätte, der für mich sorgt. Ich erzähle ihm Dies und Das und warum ich an allen Stellen gerade sehr gebraucht werde. Dann tut Dr. Bandara etwas, was mich erneut zu Glückstränen rührt. Er lässt mir von der Schwester ein Exra-Müsli bestellen. Ich genieße den warmen, süßen Haferbrei mit Kleie und Früchten. Bei so einem Frühstück wäre ich früher weggerannt. Doch seit jenem Tag in Traben-Trarbach ist es für mich jeden Morgen der Inbegriff von Wärme, Wohlgefühl und Liebe. Ich als Kochmuffel stehe seitdem in der Familienhektik jeden Morgen am Herd und koche mir Haferbrei. Die anderen mögen ihn nicht.

Während meine Mitkurgäste die nächsten Tage immer noch "auf Reissuppe" gesetzt sind, bekomme ich schon Aufbaukost (Linsenbrei) und dann schnell wieder die gute ayuervedische Vollkost. "Sie brauchen ganz viel Aufbauendes", war die Begründung. Ich genieße die Sonderbehandlung und darf mir sogar so viel Essen nachbestellen, wie ich möchte. Und ich möchte viel, denn es schmeckt sooo lecker. Vom körperlichen Fastzusammenbruch oder dem legendären Tiefpunkt, den hier Jeder auf die eine oder andere Weise erlebt, geht es langsam wieder bergauf. Aber mit tiefer Ruhe, Entspannung und tatsächlich, ich staune, Gelassenheit. Sie haben mich "runter" bekommen. Ich gehe viel im Park spazieren oder auf den Weinberg, lese doch wieder Ayurveda- Literatur und philosophische Geschichten aus dem Hotelshop und habe auch wieder Lust, zu meditieren. Einen Tag sitze ich nur am Fenster und sehe in den Himmel. Es kommen doch einige unerledigte Dinge der letzten Zeit, aber auch schon länger zurückliegende Ereignisse auf. Ich versetze mich in die Lage der anderen in den jeweiligen Situationen und viele Dinge relativieren sich. Ich verzeihe innerlich Menschen, die mir Ungutes taten. Ich lasse meinem Geist Raum und bin als rationaler Mensch wieder mal sehr erstaunt und überrascht, was der alles so kann, wenn man ihn lässt.

Bei einem entsprechenden Gesprächstermin mit Dr. Rhyner werde ich langsam wieder für die Welt da draußen vorbereitet. Er erklärt mir, dass man in Indien vier Menschentypen unterscheided: active und lazy foolishs und active und lazy intelligents. Ich sei ein activ intelligent und meine Aufgabe wäre, ein lazy intelligent zu werden. Er lacht. Er warnt mich auch vor großen Expansionen, die ich mit Disy geplant habe. "Je weiter Sie nach außen gehen, desto mehr Kontrolle müssen Sie abgeben, desto mehr Karma der anderen spielt mit rein und desto mehr Schwierigkeiten generiert man." Er hat noch viele gute Tipps. Einfach, aber weise. "Erreichen Sie Ihre Ziele mit Intelligenz und Diplomatie. Gehen Sie nie ohne Rüstung in den Kampf und nie aus einer geschwächten Position heraus. Bestellen Sie das Feld, das die größten Früchte trägt. Gehen Sie immer den einfachsten Weg." Außerdem verpflichtete er mich zu guter Ernährung, Meditation und Yoga. Ich solle jedes Quentchen Energie sparen und mir und den anderen klar machen, wenn ich für sie sorge, dann hätte ich auch das Sagen.

Meine Mitkurenden erholen sich auch langsam und so werden die nächsten Tage sehr gesellig. Ich habe nur noch wenige Behandlungen. Langsam steigt die Anspannung wieder und damit auch die Verspannung. Mein Rücken schmerzt. Ich schlafe wieder unruhiger. Vielleicht auch, weil die Abreise naht. Es gab noch eine aufbauende Darmtherapie, Nährendes für den Körper. Für meine Nasenbehandlung hatte der Arzt keinen Termin mehr in der Therapieabteilung bekommen. Schade! Und ich sollte zu einer sogenannte "Frauenmassage" mit Seidentüchern und kitzelnden Pinseln, die ich nach den ersten Minuten abbrechen musste. Wenig Schlaf und der steigende Stresspegel beim Gedanken an das "alte" Leben und den Weg nach Hause, machten mich kribbelig genug. Besonders schön in den letzen zwei Tagen aber sind die Gespräche mit den anderen Gäste. Viele sind regelmäßig hier und haben im Parkschlösschen eine Art Oase im Leben gefunden, wo man regelmäßig Kraft tanken kann. Einmal im Jahr wird eine Panchakarma- Kur empfohlen. Empfehlungen bekomme ich auch von Dr. Rhyner beim Abschlussgespräch. Wie es mir geht, will er wissen und schaut mich wieder mit seinem durchdingenden Blick an. "Mir graut es vor da draußen", gestehe ich leise. "Wir haben viel erreicht", sagt er. "Aber Sie sind immer noch ge- schwächt." Mit dem Zeigefinger erklärt er, dass ich mehr für mich sorgen soll und mir Menschen suchen, die sich auch um mich kümmern. Er gibt mir ein paar Kräutermittelchen mit, Tipps und Ratschläge für den Alltag und meint, als er mich hinausbegleitet, ich solle meine Rüstung nicht vergessen. Ich umarme ihn und bedanke mich gerührt für alles.

Als ich zum Kofferpacken in mein Zimmer gehe, bin ich erst traurig. Aber dann schlägt meine Stimmung um, in eine stille Freude. Ich freue mich, dass ich mich wieder freue. Ich fühle mich kräftiger, zuversichtlich und einige kleine körperliche Wehwehchen sind verschwunden.

Wieder zu Hause freut sich meine zuständige Ärztin ein paar Wochen später mit mir über die sehr guten Werte, alles wieder normal. Und bis auf den Rücken, der seitdem muckert, bin ich wieder fit, gut gelaunt und stark genug für die nächsten großen Projekte. Meine Antwort auf die Frage, wie es war, lautet immer: "Sie haben die Freude in mir wieder entfacht." Dafür bin ich sehr dankbar und habe für nächstes Frühjahr die nächste Kur eingeplant.