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Neue Behandlungsverfahren in der Augenheilkunde

Prof. Dr Andreas Böhm ist einer von zehn Augenärzten, die im Augencentrum Dresden Patienten auf nahezu dem gesamten Spektrum der Augenheilkunde behandeln. Im praxiseigenen Operationszentrum, bestehend aus zwei OP-Sälen, werden täglich etwa 15-20 Linsenoperationen vorgenommen. Dabei achten die Praxismitarbeiter stets darauf, durch regelmäßige Fortbildungen auf dem aktuellen Stand der Technik zu sein, um den Patienten die sinnvollsten und schonendsten Behandlungen zu gewährleisten. Herr Dr Böhm erklärte Disy in einem Interview, welche Techniken in den letzten Jahren die Augenheilkunde maßgeblich veränderten und was die allgemeinen Tendenzen auf diesem Gebiet sind.

 

Um mit stetigen Neuerungen bei den Verfahrenstechniken mithalten zu können, braucht es sicherlich einen engen Kontakt zur Forschung. Sind Sie selbst in der Forschung aktiv tätig und wenn ja, in welchen Gebieten?

Böhm: Ja, also ich habe schon als Student angefangen, wissenschaftlich zu arbeiten im Rahmen meiner Promotion. Promoviert habe ich über refraktive Hornhautchirugie. Da ging es darum, dass man die Brillengläser in die Hornhaut einschleifen kann. Ich habe untersucht, inwieweit die Verfahren die Hornhautstabilität verändern. Später habe ich mich dann schwerpunktmäßig mit der Glaukomerkrankung auseinandergesetzt, habe dafür ja dann auch einen Forschungsauftrag in den USA durchgeführt, wo ich zwei Jahre in San Diego mit Prof. Dr. Robert N. Weinreb zusammengearbeitet habe. Danach habilitierte ich über die Durchblutung des Sehnerven, was letztendlich im Zusammenhang mit dem Glaukom steht.

 

Hilft Ihnen das jetzt auch bei der Arbeit in der Praxis, also zum Beispiel besser einzuschätzen, welche Neuanschaffung sich lohnt?

Böhm: Bedingt ja. Aber es ist natürlich immer wichtig, wenn sie Medizin betreiben, immer zu sehen, dass man auf dem aktuellen Wissensstand bleibt. Da ist es selbstverständlich, dass alle Mitarbeiter der Praxis sich regelmäßig auf Tagungen fortbilden, um einfach auch zu schauen, was sind die neuesten Entwicklungen und in welche Richtung geht es. Schließlich braucht es ja auch immer eine gewisse Zeit, diese Entscheidung gemeinsam zu fällen und da ist uns Sorgfalt sehr wichtig.

 

Beobachten Sie generelle Tendenzen in der Augenheilkunde?

Böhm: Bei der refraktiven Chirurgie beispielsweise geht es ja um die Veränderung der Gesamtbrechkraft des Auges, wodurch konventionelle optische Korrekturen wie Brillen oder Kontaktlinsen fast oder komplett ersetzt werden. Dieser Fachbereich ist natürlich sehr gefragt und hat auch entsprechend große Fortschritte verzeichnet. Außerdem lassen Patienten mittlerweile sehr früh Linsenoperationen machen, gerade wenn die Altersweitsichtigkeit einsetzt und sie merken, dass sie die Arme beim Lesen immer weiter weghalten müssen. Diese Entwicklung ist aber natürlich nur möglich, weil das Risiko bei diesen Operationen durch die hohe Vorhersagbarkeit sehr gering geworden ist.

 

Gibt es denn ein Beispiel für eine Operation, bei der die Modernisierung der Verfahren besonders gut verständlich wird?

Böhm: Unsere Schwerpunktoperationen sind Linsenoperationen, in der Regel des Grauen Stars. Der Katarakt ist eine Linsentrübung und dort ist es so, dass das Sehen mit der Zeit schlechter wird und man mit einem kleinen Eingriff die getrübte Linse gegen eine klare Kunstlinse austauschen kann. Dieser knapp zehnminütige Eingriff ist keine große Sache. Es gibt da aber unterschiedliche Linsen, die man einsetzen kann. Zum Einen kann man die klassische Monofokallinse verwenden, was bedeutet, dass sie das Bild in der Ferne oder in der Nähe scharf stellt. Mittlerweile gibt es natürlich auch andere Kunstlinsen. Eine Hornhautverkrümmung (Stabsichtigkeit) kann man beispielsweise mit sogenannten torischen Linsen ausgleichen. Für Patienten, die auf Nähe und Ferne schlecht sehen und gern gänzlich auf eine Brille verzichten würden, gibt es sogenannte Multifokallinsen. Mit diesen erreicht man in der Regel eine Brillenunabhängigkeit für den Patienten im Alltag.

 

Wie genau arbeiten diese Linsen?

Böhm: Diese Linsen haben mehrere Krümmungen, weshalb gleichzeitig mehrere Bilder entstehen - im Wesentlichen eins in der Ferne, eins im mittleren Bereich und eins in der Nähe. Der Patient muss sich also daran gewöhnen und lernen, in welcher Situation er sich auf welches Bild konzentriert. In der Regel ist es aber schon so, dass das vom Gehirn nach gewisser Zeit ausblendet wird, sodass die Patienten nach maximal einem halben Jahr keine Probleme mehr haben. Nur gerade bei den Multifokallinsen muss man immer wissen, dass es ein optischer Kompromiss ist. Also das Sehen ist anders, als sie es eigentlich gewohnt sind, da die Bildüberlagerung etwas Licht und Schärfe nimmt. Es bleibt aber dabei, dass der Patient 100 Prozent Sehvermögen hat. Entscheidend ist bei solchen Sachen eben immer, dass die Erwartungshaltung des Patienten realistisch ist und wenn wir merken, dem ist nicht so, dann würden wir den Eingriff auch nicht durchführen.

 

Wie läuft die Operation ab, gibt es da Änderungen in der Technik?

Böhm: Das prinzipielle Verfahren nennt sich Phakoemulsifikation und wird seit Ende der 60er Jahre so durchgeführt. Zunächst macht man in der Hornhaut ein paar Schnitte und legt dann eine Art Tunnel ein, dann hat man noch zwei kleinere Arbeitskanälchen und dann wird die Linsenhülle quasi kreisrund eingerissen und angespült. Dann wird mit dem Ultaschallgerät die sogenannte Phakoemulsifikation ausgeführt. Das heißt im Grunde, dass die Linse verflüssigt wird und danach die Bruchteile abgesaugt werden. Wenn man das gemacht hat, kann in die entstandene Hülle diese Kunstlinse entsprechend eingesetzt werden. Seit 2008 gibt es ein neues Verfahren, bei dem man wesentliche Schritte dieser OP mit einem Femtosekundenlaser durchführt. 

 

Was sind die Vorteile bei der Arbeit mit dem Laser?

Böhm: Das hat einige Vorteile! Einer der wichtigsten ist, dass dieser Laser die Linse schon vorher in viele kleine Teile zerschneidet, sodass die Linsenteile abgesaugt werden können und deutlich weniger an Ultraschallenergie gebraucht wird, als mit der konventionellen Methode. Das ist deshalb so wichtig, weil dadurch auch die Reizung am Auge gesenkt wird. Auf der Innenseite der Hornhaut befindet sich nämlich ein hochempfindliches Endothel, das sich nicht regenerieren kann. Bei dieser OP gehen davon immer ein paar Zellen verloren und je mehr Ultraschallenergie verwendet wird, umso mehr Zellen gehen verloren. Das heißt, diese OP ist sehr viel schonender, gerade für Patienten mit Vorerkrankung der Hornhaut, weil das Endothel eben deutlich weniger in Mitleidenschaft gezogen wird, als bei der Standard OP. Ebenfalls von Vorteil ist, dass der Laser die kreisrunde Eröffnung der Linsenkapsel hochpräzise durchführen kann. Wenn ich jetzt selbst operiere, kann ich natürlich außerdem nur auf die Pupille zentrieren und so kann ich das, wenn ich die Linse genau ausrichte, auf die optische Achse zentrieren, wodurch die Kunstlinse viel präziser positioniert werden kann.

 

Wofür ist das wichtig?

Böhm: Es erhöht die Vorhersagbarkeit der OP, die besonders für unsere Patienten wichtig ist, da die gesetzlichen Krankenkassen dieses Verfahren nicht vollständig übernehmen. Leider muss jeder Patient also eine Zuzahlung leisten und da ist es nur verständlich, wenn man das Risiko möglichst gering wissen will. Ich denke auch, dass sich das Verfahren auf Dauer vermutlich durchsetzen wird, aber das muss eben erst einmal getestet werden. Das konventionelle Verfahren ist bis dahin trotzdem eine solide Operationsart, die man mit gutem Gewissen weiterhin durchführen kann.

 

Gibt es etwas, worin Sie sich prinzipiell von anderen Praxen unterscheiden?

Böhm: Eine der Besonderheiten bei uns ist, dass wir zum Beispiel eben diese Operation mit einer Gelbetäubung durchführen. Die meisten Kollegen geben nach wie vor eine Spritze neben das Auge, was unter Patienten allgemein als ein bisschen unangenehmer empfunden wird. Das ist trotzdem vollkommen in Ordnung, aber wir geben Gel, das heißt der Patient kann das Auge nicht mehr bewegen, hat aber keine Schmerzen. Abgesehen davon, verwenden wir beispielsweise bei den Lasern Geräte, bei denen der Operateur jederzeit eingreifen kann und nicht alles dem Laser überlassen wird.

 

Sicherlich haben sich auch die Diagnosemöglichkeiten erheblich weiterentwickelt, können Sie dafür ein Beispiel geben?

Böhm: Ja, ein Beispiel ist da die optische Koharänztomographie. Netzhauterkrankungen beispielsweise haben wir zum Teil auf zellulärer Ebene, weshalb sie mit unserer Lupe oder dem bloßen Auge nicht einsehbar sind. Deshalb gab es eben früher Patienten, die nicht so gut sehen konnten, wie man sich das eigentlich erwartet hatte und dafür hat man jetzt das OCT. Mit dieser Methode werden - berührungslos - Schichtaufnahmen der Netzhaut gemacht, mit denen man an der Stelle des schärfsten Sehens die zellulären Strukturen sehen kann. Auch diese Untersuchung ist für den Patienten wesentlich angenehmer und natürlich auch genauer, aber wird nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Trotzdem ist es ein Verfahren, das die diagnostischen Fähigkeiten ungemein erhöht hat. Außerdem kann man mit dem Laserverfahren heutzutage wesentlich genauer das Auge vermessen, was wiederum der Vorhersagbarkeit von OPs zu Gute kommt.

 

Wozu wird das OCT-Verfahren am meisten benötigt?

Böhm: Damit wird vor allem die altersbedingte Makuladegeneration diagnostiziert. Sie entsteht durch eine Durchblutungsstörung in der Stelle des scharfen Sehens, wegen der Blutgefäße produziert werden, die dort nicht hingehören und auch nicht die richtige Qualität haben. Diese fangen dann an, zu bluten, Flüssigkeit entweicht und es entsteht aus der trocknen die feuchte Form der Makuladegeneration. Und wenn die Makula kaputt ist, dann ist das maximale Sehvermögen vielleicht noch in etwa 10 Prozent, was für den Patienten natürlich sehr dramatisch ist. Er sieht dann im Vollbild in der Mitte einen schwarzen Fleck. Mittlerweile gibt es Medikamente dagegen, die in den Augapfel eingespritzt werden können, durch die sich bei einer Reihe von Patienten das Sehen wieder verbessert oder stabilisiert, was natürlich sehr wichtig ist. Diese OCT-Untersuchung muss dann regelmäßig zur Kontrolle durchgeführt werden. In der Regel bekommen die Patienten fünf bis sechs Spritzen im Jahr.

 

Gibt es etwas, das Sie an Ihrer Arbeit besonders fasziniert?

Böhm: Wenn ich die Operationen durchführe, erfreue ich mich eigentlich immer an meinem Beruf, weil wir mit dem, was wir tun, Leuten die Möglichkeit geben, wieder besser zu sehen. Es ist natürlich ein sehr erhebendes Gefühl, teilweise schon am nächsten Tag den dankbaren Patienten vor sich sitzen zu haben. Außerdem bin ich sehr dankbar, dass ich mit dem Augencentrum und meiner Tätigkeit als Chefarzt in Radebeul die gesamte Bandbreite der Augenheilkunde erleben und letztendlich auch mitgestalten kann. Denn in unserem modernen Diagnostikzentrum hier haben wir eben auch die Möglichkeit, unsere Schwerpunkte vertieft zu bearbeiten, aber über die Absprachen mit den Kollegen trotzdem den Überblick zu bewahren. Frau Dr. Lux führt zum Beispiel in der Augenklinik Radebeul sogenannte DMEKs durch. Dieses Verfahren macht den Teilersatz der Hornhaut möglich und stellt einen unglaublichen Fortschritt dar. Außerdem empfinde ich es immer als Bereicherung, wenn neue Techniken wie der Femtolaser unsere Arbeit erleichtern beziehungsweise das Ergebnis verbessern.