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Kopfschmerzen plagen 1,3 Millionen junge Erwachsene

BARMER Arztreport 2017

 

Immer mehr junge Erwachsene leiden unter Kopfschmerzen. Allein im Zeitraum von 2005 bis 2015 ist der Anteil der 18- bis 27-Jährigen mit Kopfschmerzdiagnosen um 42 Prozent gestiegen. Das geht aus dem aktuellen BARMER Arztreport hervor. Demnach seien inzwischen 1,3 Millionen junge Erwachsene von einem ärztlich diagnostizierten Pochen, Klopfen und Stechen im Kopf betroffen, 400.000 mehr als noch im Jahr 2005. Die Ursachen seien offen, doch vermutlich nehme der Druck auf die jungen Leute stetig zu. „Der Alltag kann für Kopfschmerz-Patienten zur Qual werden und deren berufliche oder universitäre Existenz gefährden. Gerade junge Erwachsene brauchen bessere Präventionsangebote. Sport, Entspannungstechniken oder eine gesunde Lebensführung könnten vielen Betroffenen aus der Pillenfalle helfen“, sagte Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandschef der BARMER. 

Besorgnis erregender Tablettenkonsum schon bei Kindern 

Wie wichtig präventive Maßnahmen seien, zeige sich am bedenklichen Tablettenkonsum bereits bei Kindern. So nehmen nach einer repräsentativen Umfrage der BARMER bereits 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen neun und 19 Jahren Medikamente ein, wenn sie Kopfschmerzen haben. 42 Prozent bekämpften den Schmerz sogar jedes Mal mit Arzneimitteln. „Wer Kopfschmerztabletten regelmäßig oder gar übermäßig nimmt, riskiert seine Gesundheit“, warnte Prof. Dr. Joachim Szecsenyi, Autor des Arztreports und Geschäftsführer des AQUA-Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im 

Gesundheitswesen in Göttingen. 


Dunkelziffer bei Kopfschmerzen noch höher 

Der starke Anstieg der Kopfschmerzdiagnosen bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 27 Jahren sei umso bedenklicher vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Diagnosen über alle Altersklassen „nur“ um 12,4 Prozent zugenommen habe. Im Jahr 2015 waren 9,3 Prozent der Bevölkerung, also rund 7,6 Millionen Menschen von Kopfschmerz betroffen. Am häufigsten wurden Kopfschmerzen im Alter von 19 Jahren diagnostiziert. 19,7 Prozent der Frauen dieser Altersgruppe seien belastet. Bei den Männern seien es 13,8 Prozent. „Ganz sicher haben noch viel mehr junge Menschen mit Kopfschmerz zu kämpfen, als uns aus ärztlichen Diagnosen bekannt ist. Doch diese Gruppe geht tendenziell seltener zum Arzt, weswegen wir sie auf anderem Wege erreichen müssen“, sagte Straub. Auch deshalb unterstütze die BARMER die Aktion „KopfHoch!“. Sie richte sich an Studierende und soll ihnen helfen, Kopfschmerzattacken künftig deutlich zu  reduzieren. 

 

 

Kopfschmerzprävention via App 

Erfolgsversprechend in Sachen Kopfschmerzprävention sei auch eine von der BARMER geförderte Migräne- und Kopfschmerz-App. Straub: „Die App ‚M-sense‘ ist ein digitaler Assistent für Menschen mit Kopfschmerzen. Sie macht die individuellen Ursachen aus und analysiert den Verlauf von Migräne und Spannungskopfschmerzen. Diese Dokumentationen können dem behandelnden Arzt eine wichtige Hilfe bei der Therapie sein. Nicht zufällig ist ‚M-sense‘ die einzige App zur Kopfschmerzprävention, die auf dem deutschen Markt als Medizinprodukt zertifiziert ist.“ Gemeinsam mit der Telekom werde in Kürze ein Pilotprojekt gestartet, um die App weiterzuentwickeln. Betroffene Telekom-Mitarbeiter würden dabei neue Funktionen von „M-sense“ wie die therapeutische und präventive Begleitung testen. 

 

Migränemittel-Missbrauch kann zu Dauerkopfschmerz führen 

Alarmierend ist laut BARMER Arztreport auch die Verordnungsrate von Migränemitteln. Die Verordnungsrate von Migränemitteln sei bei den 18- bis 27-Jährigen in der Zeit von 2005 bis 2015 um ganze 58 Prozent gestiegen. Über alle Altersklassen hinweg betrachtet gab es lediglich einen Anstieg um 9,9 Prozent. Als Migränemittel wurden fast ausschließlich Mittel aus der Substanzgruppe der Triptane, vor allem Sumatriptan, verordnet. Sie gelten als Wundermittel für Migräne-Patienten, haben jedoch unerfreuliche Nebenwirkungen, nämlich Kopfschmerzen. „Die Dosis macht das Gift. Wer immer wieder zu Medikamenten greift, um Kopfschmerzen los zu werden, landet im schlimmsten Fall in einem Teufelskreis aus Tablettenkonsum und  Dauerkopfschmerzen. Die Betroffenen sitzen dann in einer Pillenfalle“, so BARMER Chef Straub.

 

Daten aus dem Arztreport 2017 

 

Behandlungsrate: Lediglich sieben von hundert Menschen haben im Jahr 2015 keine Hilfe durch einen niedergelassenen Arzt benötigt. Die Behandlungsrate zeigt damit wie in den beiden Vorjahren einen Wert von 93 Prozent. Bei Frauen lag sie auch 2015 mit 96 Prozent noch merklich höher als bei Männern mit 90 Prozent (im Report auf Seite 50). 

 

Behandlungskosten: Die geringsten durchschnittlichen Behandlungskosten in der ambulanten medizinischen Versorgung hatte im Jahr 2015 die Gruppe der 20- bis 24-jährigen Männer mit 209 Euro. Die höchsten Ausgaben benötigten Männer zwischen 85 und 89 Jahren mit durchschnittlichen Kosten von 1.153 Euro. Altersübergreifend lagen die durchschnittlichen jährlichen Behandlungskosten für Männer bei 469 und für Frauen bei 615 Euro (Report Seite 228). Im Bundeslandvergleich liegen die Ausgaben für die Gesamtheit der Versicherten in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin mit 623 bzw. 615 Euro um 14,7 bzw. 13,2 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 543 Euro. Dagegenwerden die durchschnittlichen bundesweiten Kosten in Brandenburg mit 501 Euro um 7,8 Prozent unterschritten (im Report Seite 69). Betroffenheit von Erkrankungen: Der Arztreport vermittelt einen Eindruck davon, wie viele Menschen in Deutschland von einzelnen Krankheiten betroffen sind. Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens wurden 2015 beispielsweise bei mehr als einem Drittel der Einwohner diagnostiziert, eine Hypertonie bei 29 Prozent, was rund 29 Millionen Betroffenen mit Rückenschmerzen, Bandscheibenprobleme, Hexenschuss und Co. sowie 23,5 Millionen Menschen mit Bluthochdruck entspricht (im Report auf Seite 80). 


U-Untersuchungen: Spätere Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern ab der U 7a werden regional spürbar unterschiedlich genutzt. Während in Bremen 96,8 Prozent der Kinder an einer U7a teilnahmen, waren es in Sachsen-Anhalt knapp 80 Prozent. Die Teilnahmequote an der U 8 schwankt zwischen 96,2 Prozent in Bremen und im Saarland und 82,1 Prozent in Sachsen-Anhalt. Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt der Inanspruchnahme der U 7a und U 8 liegt bei 90,0 beziehungsweise 90,5 Prozent (im Report auf Seite 243).