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Spaziergang mit... Gunther Emmerlich

über das Schönfelder Hochland, den Borsberg und die Elbhänge 

Von seiner schönen, toskanisch anmutenden Villa im klassizistischen Stil auf dem Weißen Hirsch aus machen wir uns auf in Richtung Borsberg, vorbei an den alten Kirschbäumen, wo Gunther Emmerlich früher auf seinen Familienausflügen immer die Früchte naschte, zum wohl schönsten Blick des Schönfelder Hochlandes auf die einzigartige Berglandschaft der Sächsischen Schweiz. In der Ferne erhebt sich majestätisch der Lilienstein. „Die Sicht heute ist wirklich selten“, sagt er und genießt den Blick. „Es ist wunderschön, aus der Ferne und der Nähe. Ich kenne beides und mag beides. Im Gegensatz zu den Orten, die man nicht aus der Nähe sehen sollte.“ 

Da er 300 Tage im Jahr unterwegs ist, kommt Emmerlich, der nicht nur durch seine Erscheinung, sondern vielmehr durch seine Persönlichkeit beeindruckt, heute eher selten dazu, sich die Zeit mit Spaziergängen in der Umgebung zu vertreiben, so dass wir hier eher auf den Spuren seiner Vergangenheit wandeln. Früher waren das Schönfelder Hochland, der Borsberg und die Elbhänge oberhalb von Pillnitz oft Ziel langer Familienausflüge mit seinen zwei Kindern (Karoline, 30, Johannes, 23) und seiner Frau Katrein. Jetzt findet er nur ein bis zwei Mal im Jahr Zeit, hierher zu kommen. Entdeckt hat der Entertainer den Borsberg auf einer der Erkundungstouren, die man so unternimmt, wenn man sich in einer Stadt niederlassen will. „Wir waren mit den Kindern hier oft zum Kaffee und manchmal auch zum Mittag. Da gab’s selbst gemachten Kuchen. Das war wunderbar. Und die hatten gute Rouladen hier.“ Außerdem gab’s ein Klettergerüst, herrlich für die Kinder, die nicht nur in der nahen Höhle zwischen den hohen Buchen an dem trigonometrischen Punkt ihren Abenteuerspielplatz fanden. „Wir saßen den schönen alten Tischen im Garten. Es ist schade, dass hier alles so verfällt. Es passiert nichts und es wäre toll, wenn sich jemand findet, der wieder was draus macht. Ich fänd’s schön.“

Lachend erinnert er sich an eine Tafel aus DDR-Zeiten „Volkseigentum Betreten verboten“ und bezeichnet es als die wohl unsinnigste sinnigste Beschreibung der früheren Zeit. „Und diese herrlichen Buchenwälder mit ihrer verwunschenen Ruhe.“ Durch diese führt unser Weg weiter zu der kleinen romantischen Ruine oberhalb von Pillnitz. Den Geschichten nach wurde sie in der Romantiker-Zeit schon als Ruine gebaut. Angeblich sollte sie eine Art Sitz für einen Dichter sein, der hier seine Memoiren schrieb. Als wir uns der Ruine nähern, war der Wald schon von Kinderlachen erfüllt. Der Opernsänger freut sich, da auch hier ein Ziel vieler früherer Spaziergänge mit seinen Kindern war. „Wir erzählten ihnen abenteuerliche Geschichten von Rittern und Räubern, die hier ihr Unwesen trieben.“ Und überrascht stellt er fest: „Ich hatte schon ganz verdrängt, dass sie wirklich als Ruine gebaut wurde. Wir haben so viele Geschichten über sie erzählt, dass wir schon selbst dran glaubten. Und die Kinder sind so wenigstens mitgekommen, Kinder laufen ja bekanntlich nicht so gern. Mit den Geschichten meiner Frau liefen sie mit, ohne dass sie es merkten. Sie erzählte von Waldmännchen usw. Das war so schön, da hatte sie gleich 3 Kinder“, lachte der gebürtige Thüringer. Und jetzt bietet diese Ruine noch einen größeren Reiz als bisher, auch Emmerlich ist erstaunt, denn er hat es so noch nie gesehen. Den Blick auf Schloss Pillnitz. Bis vor kurzem verdeckten Bäume die Sicht so, dass außer den glänzenden Türmchen nicht viel zu sehen war. Und jetzt breitet sich wie ein wertvolles, künstlerisch arrangiertes Ölgemälde das in perfekt in die Landschaft gebettete Schloss komplett vor unseren Augen aus. Fast wie benommen von der Schönheit vor unserer Haustür schlendern wir weiter, über den Königlichen Pillnitzer Weinberg. Emmerlich bevorzugt trockene Weine, aus der Region besonders den Silvaner und wenn’s mal kräftiger sein soll, den Traminer. „Wenn ich Rotwein trinken möchte, greife ich allerdings auf andere Regionen zurück“, schmunzelt er leicht verlegen. Nicht zuletzt durch seine Weinsendung für das Bayerische Fernsehen hat er eine besondere Beziehung zu Wein. Mit einer Geste, die wie ein Kennerblick anmutet, betrachtet er die letzten noch hängenden roten, vollen Trauben und freut sich auf diesen Jahrgang, der nach Meinung der Winzer durch die lange, späte Oktobersonne ein sehr guter werden soll. Bei einem spontanen Schwatz mit einem Dresdner Hobbywinzer fachsimpeln die beiden über diesen Jahrgang des hier gelesenen Burgunders. Und lachend beendet er das Gespräch und greift sich über das Haar: „Ich bin ja auch eine Art ‚Bur-Gunther‘. Aber eigentlich ein schon grauer ‚Bur-Gunther‘“, amüsiert er sich und uns weiter. Nach diesem kleinen Amüsement wenden wir unsere Aufmerksamkeit dem beschaulichen, barocken Weinbergkirchlein zu. Hier gab er eines seiner vielen Benefizkonzert mit der Semper House Band im Rahmen des Elbhangfestes. Majestätisch genießt er den Blick von der kleinen Freitreppe. Man könnte meinen, der Hausherr persönlich freut sich an der Schönheit dieses Fleckchens Erde. „Ich mag den Barock, ich bin ein Genussmensch, habe barocke Dimensionen und liebe Bach und Vivaldi. Auch die alten Fürsten wollten von allem immer viel. So bin ich auch in meinen beruflichen Zielen. Unersättlich, nicht nur für die Genüsse, die das Leben für uns bereithält. Und so lebe ich mindestens fünf Leben auf einmal. Das ist mein Barock!“

Den krönenden Abschluss findet unser kleiner Exkurs auf Emmerlichs Spuren auf dem „Balkon von Dresden“ – dem Luisenhof, der Ende Oktober sein 110-jähriges Jubiläum feierte. Hier sitzt er oft, gleich an dem Tisch rechts, wenn man hereinkommt, da die Enkelin daneben spielen kann. „Meine Großmutter hieß Luise, meine Enkelin heißt Antonia Luise und mit dem ‚Luisenhof‘ bin ich mittlerweile auch fast verwandt.“ Am liebsten mag er hier den Dresdner Sauerbraten und den Tafelspitz. „Doch leider habe ich zu wenig Zeit, als dass man an einen Stammtisch hier denken könnte, aber der Luisenhof kann sich schon mal darauf vorbereiten. In den wirklich ruhigen Jahren müssen sie dann öfter mit mir rechnen.“ Wenn er sonst in Dresden essen geht, speist er neben dem Luisenhof am liebsten im „Trompeter“ in Bühlau. Bei einem Abschieds-cappuccino plaudern wir noch ein wenig und auf die Frage, ob er denn nach 33 Jahren Bühnenerfahrung noch so was wie Lampenfieber kenne, meint er: „Ja, auf jeden Fall – weil ich Fantasie habe. Fantasie, was alles schief gehen kann. Da muss man nur sehen, dass man das Lampenfieber produktiv einsetzt.“ Zum Schluss erklimmen wir noch die 102 Stufen des Turms. Und von hier aus eröffnet sich ein Blick auf das Blaue Wunder, den Elbbogen und natürlich die einzigartige Silhouette unserer Stadt. Hier oben fühlt man sich richtig frei und wenn man vergessen hat, warum man in Dresden lebt, fällt es einem spätestens hier wieder ein.

In solchen Momenten wird einem wieder mal bewusst, dass man sich viel zu selten so eine kleine Auszeit gönnt, in der man die Seele baumeln lassen kann und einen ganz kleinen Urlaub – auch zu Hause – erleben kann.  

(Autorin: Anke Mittelhäuser, Disy Winter 2005)