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Dita von Teese: Göttin im Glas

Schwindelerregend hohe Stilettos, die Wespentaille verschnürt wie einst Scarlett O'Hara, die Lippen blutrot und das Haar schwarz wie Ebenholz: Die „Burlesque“-Göttin Dita von Teese hat sich selbst zur Kunst erhoben. Wo andere Frauen beim Striptease zum Objekt männlicher Begierden werden, dreht Dita den spieß um. Zwar zieht sich die 39-jährige Amerikanerin auch vor Publikum aus. Aber mit so viel stil, Anmut und Würde, dass nicht nur Männern der Atem stockt.

Dita von Teese hat ihre Fans bei beiden Geschlechtern. Sie ist der erotische Traum der Neuzeit, beflügelt die Männerfantasien und reizt auch die der Frauen. Ihr Foto prangt auf dem Titel vom „Playboy“ genauso wie auf dem der „Vogue“. Und tatsächlich: In ihren Shows sehen die Mädchen im Publikum aus wie sie. Pechschwarze Haare, knallrote Lippen und Pumps, für die man einen Waffenschein braucht. Die Männer tragen Frack und hohe Zylinder mit weißer Krempe. Hand aufs Herz: Bei Ditas Anblick schwört jede Frau der bequemen Jogginghose ab, und auch Männer bekennen sich zur Eleganz. Dabei heißt die glamouröseste Frau unserer Zeit in Wirklichkeit Heather Sweet, stammt aus Rochester in Michigan, USA, und war als Teenager eher unscheinbar.

Doch bereits da entdeckte sie ihre Leidenschaft für Musicalfilme aus den 30er- und 40er-Jahren: „Ich liebte einfach die Art und Weise, wie die Frauen sich kleideten, ich liebte diesen Glamour, die aufwendigen Kostüme, und ich kann mich an keine Ära der Filmgeschichte erinnern, die so unterhaltsam und lebendig war. Ich wollte so sein wie diese Frauen“, erzählt Dita mit ihrer wunderbar rauchigen Stimme. Und das gelang ihr: Sie suchte sich einen klangvollen Namen aus dem Telefonbuch, färbte sich das „straßenköterblonde“ Haar schwarz und ging fortan nicht mehr ungeschminkt aus dem Haus.

„Ganz ohne werden Sie mich nie sehen und würden mich auch gar nicht erkennen. Für mich ist Make-up so etwas wie mein persönlicher Schutzschild“, sagt sie.

Weil ihr Vater ihre Vorliebe für kostbare Dessous für Pornografie hielt, warf er sie mit 17 Jahren aus dem Haus. Erst viel später verstand der Mann seine exzentrische Tochter, und als schließlich der „Playboy“ Dita auf die Titelseite hob, begriff er, dass es nicht um Verführung ging, sondern um Vermarktung. Ihre heißeste Nummer: Sie kommt elegant auf die Bühne getrippelt. In der Mitte steht ein etwa ein Meter großes Martiniglas aus Plastik. Langsam hebt von Teese die Beine und steigt hinein. Ihre dunkelrot lackierten Zehen tauchen in das Glas. Lasziv lässt sie einen Schwamm in Form einer Olive über ihre Kurven gleiten. Mehr passiert nicht. Nach knapp zehn Minuten ist alles vorbei, und das Publikum ist dem Herzinfarkt nahe. Denn in unserer aufgeklärten Welt, in der schon im Vorabendprogramm locker über diverse Sexpraktiken geplaudert wird, spielt Dita von Teese mit Sex, ohne es wirklich selbst zu tun.

„Ich bin kein Mädchen, das sich auf einer Party betrunken den Pullover hochreißt“, sagt sie. In der Fantasie, im gezielten Spiel, in der Andeutung liegt ihre sexuelle Macht. „Die Menschen haben vielleicht Sehnsucht nach ein bisschen Theater in ihrem Leben, Burlesque könnte die Antwort darauf sein“, sagt von Teese. Burlesque nennt sich jene Mischung aus Varieté, Show, Musical und Strip, die Anfang des 20. Jahrhunderts in den Amüsier- vierteln der europäischen Metropolen erblühte. Selbstbewusst, glamourös, erotisch, geheimnisvoll und mit Stil führt nun Heather Sweet alias Dita von Teese die Burlesque ins dritte Jahrtausend. Das US-Magazin „Vanity Fair“ machte sie schon zur „burlesken Superheldin“, die Londoner „Times“ feiert sie als „Frau des Augenblicks“. Und streng genommen, kann jede Frau ein bisschen wie Dita sein: „Du kannst deinen eigenen Glamour selbst erschaffen. Dabei geht es nicht darum, wie dünn, jung oder reich du bist. Es geht darum, etwas Geheimnisvolles zu schaffen“, rät die Ikone. Dennoch gilt: Wer schön sein will, muss leiden. High Heels sind auf dem Weg zum Bäcker einfach nicht bequem, und die Wespentaille kommt nicht von alleine. Dita von Teese trägt dafür Korsetts, seit sie 18 ist: „Ich glaube, dass ich ihnen meine Taille verdanke. Zurzeit habe ich einen Taillenumfang von 55 Zentimetern, mit Korsett kann ich auf 40 Zentimeter schnüren. Aber das Korsett muss maßangefertigt sein, sonst kann es unbequem werden.“ Aus der Stripperin (so bezeichnet sie selbst ihren Beruf) ist jedoch längst eine gewiefte Geschäftsfrau geworden: Kürzlich brachte sie auch einen eigenen Duft heraus. Sinnlich, weiblich und gleichzeitig geheimnisvoll duftet ihre Kreation. Frische Pfingstrosen, spritziger Bergamotte und leicht würziger Bourbon-Pfeffer sind zu erahnen, die Herznote betört mit bulgarischer Rose, Blütenblättern tahitischer Tiaré und frischem Jasmin. Die Basisnote zieht uns mit Patschuli, Moschus, rauchigem Gaiac- und Sandelholz in ihren Bann. Auch zur Buchautorin hat sie es gebracht. In dem Bildband „Die Kunst der Burlesque – die Kunst des Fetisch“ philosophiert sie über ihren Stil, die Kultur des Striptease und das Spiel mit erregenden Accessoires.

Im Mai 2012 erschien ein weiteres Werk. „Advanced style“ ist in Koproduktion mit dem amerikanischen Blogger Ari Seth Cohen entstanden. Darin sind Portraits von Ladys versammelt, die sich allesamt einen unverwechselbaren, glamourösen Stil geschaffen haben. Und in ein paar Wochen soll es in der australischen Ladenkette „Target“ die neue Unterwäsche-Kollektion von Burlesque-Star Dita von Teese zu kaufen geben. Damit sich jede Frau selbstbewusst und schön wie eine Göttin fühlen kann. Auch auf dem Weg zum Bäcker. Claudia Homberg