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Erinnerungen eines alten Herrn - Ein Warnemünder Wahrzeichen erzählt

Ein Warnemünder Wahrzeichen erzählt

Tschää, hm ... wat soll man so vertellen, oh pardon dit sollen ja ok Hochdütsche läsen, also dann heit dat ja man nich vertellen, sondern verzählen oder bäder erzählen. Ick war mi also bemühen, aber dat kann ick nich garantieren, dat dat immer Hochdütsch is, was ick von mi gev, wat wohl son'n Dörcheinander werden, wie man dat hüt so snacken dät.

Also ick soll nu' ja ok all 100 Jahre alt sin. Hebben se mi vertellt! Bi min Geburt wir ick ja noch so lütt, und denn hett's ja ok 2 Jahre duert, bis ick fartig war. Aber man muß doch sagen, dat se mi god hennkregen hemm', oder ...?! Egentlich bin ick doch ein stattlicher Kerl geworden, schlank und rank mit einem Weitblick über Stadt und Land.

Aber so einfach soll't mit min "Up de Weltkommen" nich west sin (hebben's mi vertellt). Also da sollen ja über Jahrzehnte sich die 100 Männer in der Rostocker Verwaltung und die wer weiß wie viel Männer in der Landesregierung, de gev es damals ok schon, nich bloß so'nn ollen Landesvater oder Herzog, gestritten haben, ob sie mich überhaupt haben wollten. 1862 sollen sie zum erstenMal über mich debattiert haben, oder wie dat heit. Dann 1865 wurde der Beschluss gefasst, dass "ein Leuchtturm mit prismatischem Laternenhaus" gebaut werden sollte. Dat is' nun keene Krankheit, dit prismatisch, nee, das is das, was ich oben drauf hab', ick mein de Spiegels un dat anner Tüch. Aber wenn man denkt, nun geit dat los, dann geit dat noch lange nich los, wie ok bei annern Sachen im Leben. Bi mi haben sie sich noch über 30 Jahre gestritten, ob oder ob doch nich. Manchmal hew ick schon dacht, ob dat de 30-jährige Krieg von Warneminn west is'. Aber was lange währt, wird gut, und nun steh ich hier schon 100 Jahre und habe so manches erlebt! Damit ich überhaupt in dissen Sand von Warneminn so jedem Wind und Wetter trotzen konnte, hebben se ünner mi erstmal lange Holzpfähle in de Ierd rammelt. De Pfähle hebben se ut de Rostocker Heide holt un de de se holt, hebben, de, ha'rns dormit gar nicht so einfach, de Dinger nach Warneminn to kriegen. Auch die Rammelei soll Schwierigkeiten gemacht haben, die Pfähle sind ja ok man so 11m lang, ... un denn in so'n Geschiebemergel rin. Dies besorgte ein gewisser Otto Ludewig jr. aus Rostock, sicherlich nich allein, de wat wohl bloß de Chef west sinn.

Als die Pfähle in der Erde waren, dann ging dat nu los, die Maurermeister L.Berringer aus Rostock und H. Oloff ut Warneminn hebben mi dann ut festen Klinkern upbugt, oder besser gesagt, gemauert. Buten, an mine Fassade, hev ick sogar glasierte Steine in Weiß und grüne für die Bauchringe, hett nich jeder, oder ...!? Un' buugt hebben se mi bis zu einer Höhe von 24,72 m über Gelände, ob dann de Stein all wier'n, oder ob nu de mit dat prismatische Laternenhaus an de Reih wier`n, dat hebben's mi nich vertellt. Aber is ok egal. Bugt het dat eine Fa. Gebr. Picht und Co. (Optische Industrie-Anstalt Rathenow). Jedenfalls ging dat damit nu weiter bis zu einer Höhe von 30,62 m über Gelände oder 36,90 m über dem "Normalwasserspiegel".

Jääh .., dat is nu wieder so eine Sache, die nich jeder von sich und seiner Größe sagen kann. Ihr anner'n werd't ja man bloß von de Fööt bis taun Kopp gemessen, aber wat so'n richt'ger Lüchtturm is'...! Disse Höh' geb ich immer an, wenn ick imponieren will. Die eigentliche Bauerei war bis November 1897 erledigt, die Montage der Laterne erfolgte im Winter 1897/98, und im Sommer1898 waren die Innenarbeiten erledigt. Aber leuchten konnte ich dann noch lange nicht. Meine Linsen kamen nicht nach Warnemünde, und ohne geht dat nu nich mit dat Blinken un' Leuchten. So duerte dat dann ok noch bis zum 17.Oktober 1898, bis de Rathenoschen dem Stadtbauamt mitteilen konnten, dass "das Leuchtfeuer betriebsfähig sei".

Tschäää ... un dat is nu dann ja wohl min Geburtstag oder ... doch der 19. Oktober? Sowat Ähnliches wie'n Tufschien hev ick nämlich ok kregen, dit wier am 19. Oktober und het Abnahmeprotokol heiten. Dor in steiht: "Am 19. Oktober wurde mit dem Dampfer 'König Christian' eine Fahrt zur Besichtigung des neu zu Warnemünde errichteten Feuers in See ausgeführt. Dieselbe ergab, daß bei ost-süd-östlichem Wind, Stärke 7-8 und mittlerem sichtigem Wetter das Feuer von Warnemünde in einem Abstande von 16 sm sichtbar war, d.h. es waren in diesem Abstand die Blitze noch erkennbar."

Ok damals konnten se de geplanten Kosten nich inhollen, allerdings wurde ich auch 3 m größer als geplant. Ob de grat so schön in Fohrt wir'n bi dat Bugen? Na egal, jedenfalls war's "zu Gunsten der Schiffahrt". Statt 74.000 Mark hebben se nu denn 95.000 Mark verbugt. Mine Kinner- un Jugendjohr verliefen bannig unruhig. To ierst hebben se mi 'ne Pantroleumlüchte inbugt, dann wier de nich mihr good naug, un es musste ein Petroleumglühlicht sein, dat wier so 1911. Dann 1917 käm een Gasglühlicht anne Reih', un im Januar 1919 wier dat ok schon nich mihr wohr, dor gäv et för mi elektrischen Strom. Un mit dissen Strom blinker ick hüt noch in de Weltgeschicht', und ich werde ferngesteuert. Toll wat!?

Jooh un so einiges erläwt häv ick ja ok. Dor wier de 1.Weltkrieg, dann käm de 2.Weltkrieg. Ik häv sehn, wie Warneminn immer gröter wurde. Es wurden Flugzeuge gebaut, es wurden viele Schiffe gebaut. Es gab gute Jahre, und es gab schlechte Jahre. Aber alle hebben mi nich unnerkregen. De Lüd sin bi mi rup, un de Lüd sin ok all wedder runner lopen, dennn besteigen konnte man mich schon seit 1899. Der Rekord soll ca. 160.000 Besucher in einem Jahr gewesen sein. Ob dat wohl stimmt ?? Dor möt ick ja eigentlich bannige Bugschmerzen kregen hebben. Apropus Schmerzen, de kämen mit dat Oller doch nu ok. Mit 82 Johr'n ja ok kein Wunner! 1980 mußte ich für den allgemeinen Besucherverkehr geschlossen werden. De Seeluft un de välen Besökers hebben mi doch ganz schön to sett.

Nun sollte mit mi eine umfassende Rekonstruktion durchgeführt werden. Un disse wier man wedder "von so manchen Schwierigkeiten technischer und bürokratischer Art" gekennzeichnet. Nach der Instandsetzung von de Fenster un Dören und Arbeiten im oberen Turmbereich, die bis 1982 durchgeführt wurden, sahen sich "beauftragte renommierte Betriebe nicht in der Lage, ein Projekt zur Sicherung der Podeste und der Wendeltreppe" auszuführen. Un up disse Trepp' sollten doch so schnell wie möglich de vielen Besökers, Touristen heit dat ja hüt, wedder nach baben un de herrliche Utsicht genießen können. De Männer von dissen SEEHYDROGRAFISCHEN DIENST, de möten dat ja wohl in' Kopp krägen hebben, so 'ne Möhlerei wier dat. Na, jedenfalls ging dies noch bis zum Jahr 1988 so weiter, und immer war noch nichts Wesentliches passiert.

Ok de "Wende" brachte meine Probleme nicht gleich vom Tisch. Ierst Anfang 1991 konnte, nachdem mithilfe neuer Technologien und neuen Materials, dat se mi an de Trepp bakt hebben un' nachdem ick ok von buten lift wor'n bin, dat heit dat se ok Risse in mine schicke Fassade toschmert hebben, "der entscheidende Durchbruch geschafft" und der Abschluss der Arbeiten gemeldet werden. Nu kann es wedder los gehen, dat ik mi to de Besökers freuen kann. ... Denkste, nu ging es mit der bundesrepublikanischen Bürokratie los. Erst sollte Pfingsten 1993 geöffnet werden, ... denkste ..., dann zum Sommerfest 1993, ... denkste - wurde wieder nichts , dann wurden mal 'en poor Bökers bi mi in Inngang verköfft, dat wir ierstmal allens. Dat mit dem Nichtbesteigenkönnen soll an einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Stadt Rostock und dem Wasserund Schifffahrtsamt in Stralsund gelegen haben. "Ein Leuchtturm in Betrieb kann von der Öffentlichkeit nicht bestiegen werden" hett dat heiten. Aber dor hebben de Obersten nich mit de Dickschädel ut Warneminn reknet. Dor wir'n doch en poor, de hebben patou nich locker lotten un hebben dann ok Wege fun'n, wie man dat mit de Bestiegung in' Griff kriegen deit. De Vereinbarung käm doch noch zustande nachdem se im Frühjohr 1994 en Verein gründet hebben. De heit jetzt FÖRDERVEREIN LEUCHTTURM WARNEMÜNDE e.V.. Un nachdem ein paar neue Leuchtturmwärter gefunden waren, konnte ich endlich de iersten Besökers bi mi begrüßen. Zwors ging dat im ersten Jahr nur bis zur ersten Empore, aber wat soll's, de Minschen un natürlich ick ok hebben sich 'n Loch in' Buk freut, endlich wedder up Warneminn und de See to kieken.

Diese Leuchtturmwärter oder Leuchtturmmänner, wie se ok manchmal genannt werden, hebben es dann ermöglicht, in Zusammenarbeit mit den Kollegen von der RDA bis 1995 die zweite Empore für die Besucher herzurichten, un' dat allens schon mit eigenen finanziellen Mitteln.

Ik kann nur sagen, dat is'n Glücksfall för mi, denn disse Männer bringen mi nu jedes Johr wedder up Vördermann, dass de Warneminner un ehr Gäst' sich noch lang an de herrliche Utsicht erfreuen können. Aber so manchmal nachts, wenn allens ruhig is up de Promenade un am alten Strom, denk ick nu doch schon mal: ... bruken de di öwerhaupt noch bi dissen ganzen niemodschen Kram von Satellitennavigation un Computers. Aber ick scher mi nich darüm, hier steh ick nu mal un will ok noch ne ganz' Wiel stohn blieben!! Wenn de groten Pött mi nich mir ankieken wollen, dann bestimmt noch de lütten Fischerboote und de immer mehr werdenden Segelboote, un nich to vergeten de ganzen Besökers, de mine 135 Stufen auch in Zukunft unner de Fööt nemmen woll'n.