Mein Page im Bayerischen Hof. Eine Hotelreportage

In unserer Serie über Deutschlands schönste Suiten, stieg Disy-Chefredakteurin Anja K. Fließbach dieses Mal im Bayerischen Hof in München ab. Was ihre Suite mit einem kreativen Sich-Verwirklichen-Dürfen zu tun hat, wie Pagen und Butler richtig oder falsch gucken und warum unsere Chefin gar nicht mehr weg wollte, lesen Sie hier!

Er lächelt nicht. Eigentlich ist sein Gesicht absolut neutral, trotzdem wirkt es angenehm. Irgendwie beruhigend. Er zeigt mir die Suite, führt mich herum. Entspannt. Wohl wissend, dass man als Gast einfach beeindruckt sein muss. „Sehr schön“, sage ich und fühle mich sofort einfach nur wohl. Das Licht, der Blick, die Stimmung – noch kann ich nicht sagen, wo so schnell diese Wohlfühlatmosphäre herkommt. Was es ist, was mich augenblicklich hier ankommen lässt – in einer der Bayerischen Suiten im Bayerischen Hof.

Der ältere Page stellt im Vorraum die Koffer hoch, hängt die Jacken auf Bügel in den Schrank. Ob er noch etwas tun kann, fragt er mit leiser Stimme. Dann telefoniert er vom großen Schreibtisch im Wohnzimmer aus. „Bringst Du bitte für meinen Gast noch einen Wasserkocher!“ „Mein Gast“ – das ist es! Nicht „der Gast“ oder „Frau Fließbach“ oder „Ich brauche auf der Suite...“. Er macht klar, ich bin sein persönlicher Gast. Und er kümmert sich, dass es mir gut geht. Wie angenehm! Überhaupt ist er sehr angenehm. 

Die meisten Pagen oder Butler in den anderen Luxushotels können einfach nicht neutral gucken, finde ich. Man spürt ihre Meinung. Außerdem wirken sie meistens nicht so harmonisch zugehörig mit dem jeweiligen Haus, wie das Personal im Bayerischen Hof. Hier spürt man den Stolz auf den Arbeitsplatz und den Arbeitgeber und den Respekt vor dem Gast. Zumindest bei den meisten Mitarbeitern. Dass es nicht bei 100 Prozent der Angestellten so ist, ist wiederum auch sympathisch und zeigt, dass hier trotz aller Professionalität Menschen arbeiten. Es ist ein Hotel und keine Maschinerie. Ein Familienbetrieb, keine Hotelkette. Der Bayerische Hof am Promenadeplatz wird seit vier Generationen von Familie Volkhardt geführt. Innegrit Volkhardt ist die Chefin mit Sinn für Tradition und Zeitgeist, mit Persönlichkeit. So wie das Hotel ein Haus mit Persönlichkeit ist. Und meine Suite.

Die Bayerische Suite ist mit Sinn fürs Details eingerichtet. Hier eine Kerze, da eine Vase, dort ein Buch. Ein wahrer Wohlfühlplatz. Auf rund 120 qm gibt es ein kleines und ein großes Bad, ein kleines und ein großes Schlafzimmer, einen Vorraum und ein großzügiges Wohnzimmer mit Schreibtisch, Fernsehecke und massivem Esstisch. Höhepunkt ist die breite Fensterfront vis à vis der Eingangstür, die warmes Licht hereinlässt und den Blick über die Dächer Münchens frei gibt. Es ist wohl genau dieser Blick, der das Gefühl des Wohlfühlens vermittelt. Man steht plötzlich so über den Dingen, hat gefühlt alles besser im Überblick, hat einen gewissen Abstand von dem Alltagsleben da unten. Man fühlt sich frei und kann sich deshalb schnell entspannen. Der kleine Balkon mit Blick auf die Münchner Türme hat etwas von Frankreich oder Italien. Nun kommt also auch noch Urlaubsgefühl hinzu. Und das, obwohl ich mit Laptop und Telefon auf dem Balkon sitze. Doch die Arbeit hat hier in dieser Suite eher den Anstrich des kreativen und produktiven Sich-Verwirklichen-Dürfens. In dieser Bayerischen Suite im Bayerischen Hof laufen die Geschäfte mit den Bayerischen Kunden und Partnern gleich nochmal so gut. Selten konnte ich authentischer agieren – ist man eins mit der bayerischen Tradition, gepaart mit Luxus und Stil.

Ich wohne zwei Nächte in der Suite und liebe es. Alles ist ein bisschen anders als in anderen Häusern. Speziell. Das Fenster über der marmorierten Badewanne. Die winzigen Gauben im Schlafzimmer. Die Bücher über die BMW-Welt und über Designeryachten. Eine ganze Nacht habe ich im Buch „Begegnungen, 175 Jahre Bayerischer Hof“ gelesen, habe gestaunt darüber, wer hier schon alles abgestiegen ist: Richard Wagner, Sigmund Freud, Franz Kafka, Kirk Douglas, Romy Schneider, Muhammad Ali, Erich Kästner, Michael Jackson, Hillary Clinton. Die Gästeliste ist bunt.

So wie die Gäste heute. Als ich ankam, bin ich Bundestrainer Jogi Löw in die Arme gelaufen, beim Frühstück saß Schauspielerin Jessica Schwarz neben mir. Auch Mariss Jansons, Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunk, ist gern hier. Er erklärte, dass er im Bayerischen Hof besondere Ruhe fände und dass seine Lieblingssuite mit einer guten Energie ausgestattet sei. Genau das empfinde ich auch. Eine gute Energie ist da in meiner Suite. Und ich sitze da und träume mich in die Vergangenheit. Wer hier wohl schon alles gewohnt hat?

Heute ist alles ein wenig moderner. Innegrit Volkhardt hat den Bayerischen Hof Stück für Stück umbauen lassen. Den große Frühstücksraum zum Beispiel ließ sie vom Designerduo Patrick Jouin & Sanjit Manku mit Nussbaumholz, Muschelkalk, Stoffpaneelen, Stein und verschiedenen Lichtszenarien wie einen Dachgarten gestalten. Andreé Putman kreierte das berühmte Blue Spa, Axel Vervoordt die Cinema Lounge und die beiden Restaurants Atelier und Garden und Pilati Zimmer und das berühmte Atrium. Das kam nicht bei jedem Stammgast gut an. Thomas Gottschalk zum Beispiel, der bei seinen Besuchen in einer Suite wohnt, die seinen Namen trägt (seine Frau Thea hat sie eingerichtet) schimpfte freundschaftlich: „Das Restaurant Garden hat mir Innegrit Volkhardt unterm Hintern wegrenoviert.“ Er würde die Vogelmotiv-Vorhänge vermissen und die Kellner im weißen Smoking. Ich, die ich die Räume nicht von früher kenne, mag das moderne Ambiente des Restaurant Garden. Und auch Gottschalk meinte zum Schluss: „Auch ich muss inzwischen zugeben, dass die Blümchentapete ihre Zeit hinter sich hatte.“ So scheint es Innegrit Volkhardt gelungen zu sein, Stammgäste wie Gottschalk zu halten und neue wie mich zu begeistern.

Und begeistert bin ich – von einer ganz besonderen Art der Gastfreundschaft. Und als es Zeit ist abzureisen, in ein anderes Hotel umzuziehen, sage ich dort ab und buche ein paar Zusatznächte im Bayerischen Hof. Denn den verlässt man doch nicht freiwillig. Und wenn, kommt man ganz schnell wieder. Immer wieder!