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85. Beitrag: "In der Gummizelle von Jean Paul Gaultier" (5. April)

Der Fahrstuhl öffnet sich und entlässt uns in einen großen und schicken Einkaufstempel im Industrie-Design-Stil. Hier im 101 - Shoppingcenter in Taipeh haben die bekanntesten Marken und Designer der Welt ihre "almost-not-from-earth" - Shops. Trendig, stylisch, cool! Klassisch, edel, schick! Auf jeden Fall teuer...

http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/04/05/taipeh_135.jpg Wir gönnen uns zuerst ein Sushi - Mittagessen in einem der Designerrestaurants. Ein Erlebnis. Wennschon, dennschon sage ich mir einmal wieder und starte anschließendhttp://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/04/05/taipeh_132.jpg  einen kleinen Pseudo -Einkaufsbummel beginnend bei Jean Paul Gaultier. Der feine Junge im Laden begutachtet mich, lässt ein paar Kleider bringen und bietet mir ein Model zum Vorführen der potentiellen Garderobe an. Okay. Meine zwei Freunde und meine Tochter stehen kichernd am Eingang. Eine dunkelhaarige junge Frau präsentiert mir zwei Kleidungsstücke, die ich mit einem schnöden: "Ist nicht mein Stil!" ablehne. Doch ein Kleid, ja - eines dieser Kleider, hm, das würde mir dann schon gefallen. Der auffällig geschminkte Junge bringt mich in http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/04/05/taipeh_146.jpg eine Umkleidekabine, die eher einem kleinen Hotelzimmer ähnelt. Die Wände sind dick gepolstert und erinnern mich an das Klischeebild einer Gummizelle. Irgendwie passt das Ambiente zu den Verrückten, die 5800 Euro für dieses Kleid ausgeben würden. So verrückt, dass der smarte Boy mir auch noch eine Ankleidedame mit in die Kabine schickt. "Sie wird Ihnen helfen..." So also fühlt man sich als Promi, Star oder http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/04/05/taipeh_145.jpgMillionär - wie in einer Gummizelle mit Aufpasser. Zum Glück passt mein Busen nicht in das Kleid und der Puppenjunge bietet mir an, ein ähnliches Model aus dem zweiten Shop in Paris zu ordern. Jetzt hat auch einer meiner Freunde Spaß an dem Spiel gefunden. "Nein", mischt er sich jetzt ein. "Wir werden das besser direkt in Paris anprobieren", sprach er und wir vier verschwanden mit unseren Turnschuhen und Rucksäcken. Sorry, smarter Babyboy.

Dass sich die führenden Modelabels in Taipeh so offensiv präsentieren, hat etwas mit dem Aufschwung Taiwans in der Wirtschaft aber auch in Sachen Trend zu tun. Schon die Japaner hatten zwischen 1900 und 1945 in ihrer Kolonialzeit den Grundstein für den Aufschwung des Landes gelegt in dem sie die Infrastruktur aufbauten, Industrie - Landwirtschaft- und Bergbauanlagen errichteten, Eisenbahnen etablierten und Häfen bauten. Nach dem Krieg halfen die Amerikaner dem Land wirtschaftlich und mit cleveren Projekten entwickelte sich Taiwan schnell zu einem ernstzunehmenden Industriestaat mit Atomkraftwerken, internationalen Flughäfen und modernen Millionenmetropolen. Noch heute gilt Taiwan im Ausland als ein flexibler Wirtschaftsstandort, der schnell auf Anforderungen reagieren und sich anpassen kann. Besonders der Mittelstand und die Familienbetriebe sorgen für den relativen Wohlstand, besonders in der Produktion von Notebooks ist das Land führend. Als Mitglied der WTO setzt Taiwan zukünftig auch auf die Bio- und Nanotechnologie. Die eigene Textilindustrie ist genauso intakt wie das Land als Absatzmarkt der schon erwähnten Marken.

Wir sind erstaunt und begeistert von Taiwan, das sich uns freundlich, modern und schick gestylt präsentiert.

Am Abend verlässt die "MS Amadea" den Hafen von Keelung und nimmt Kurs auf Kaohsiung, unseren letzten Ort in Taiwan.

Musiktipp: Lucio Dalla, Titel "Canzone"

Spruch des Tages: "Die Füße eines Menschen sollten in seinem Lande verwurzelt sein. Mit seinen Augen aber sollte er die Welt überblicken."

Anja Fließbach: Donnerstag, 5 April 2007, 13:23 Uhr