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23. Beitrag: "Die Cowboys der Pampa" (22. Januar)

Alfredo ist ein kräftiger Mann. Schwarzes Haar, dunkle Augen, strenger Blick. Er wirft das Schaf auf den Boden und stellt sich mit seinem Fuß auf den Nacken des Tieres. Dumpf blickt es geradeaus. Ein paar Tropfen Öl in die Scher-Maschine und dann nehmen sich Alfredos Helfer das Tier vor. Wir sind Gäste auf einer Estancia in der Pampa Patagoniens.
"Dummes Schaf", sagt Malvina, die uns und ein paar andere Passagiere zur Estancia gebracht hat.   "Die Schafe in Neuseeland sind viel wilder", erklärt ihr meine Tochter Louisa. Die Hitze ist kaum auszuhalten. Rund 35 Grad im Schatten. Hier im Süden von Argentinien ist das Land durch Zäune eingeteilt. Eine Estancia an der anderen, ähnlich wie die Ranches in Amerika. Die Besitzer der Estancias sind die Gauchos, die Cowboys der Pampa. Ihr Mythos: Hoch zu Pferd, Lasso schwingend mit breitem Hut, stolz und stark.

Alfredo hat zwar keinen Hut, aber sein Pferd steht vor dem Haus und in seine Art ähnelt er dem Gaucho, wie ihn Karl May in seinem Buch "Am Rio de la Plata" beschrieben hat: "Der Gaucho hat in seinem Charakter die wilde Entschlossenheit und den unabhängigen Sinn der Ureinwohner und zeigt dabei den Anstand, den Stolz und das vornehme Betragen des spanischen Caballero." Nun, vornehm ist Antonio nicht. Aber gastfreundlich. Er zeigt uns, wie die Schafe geschoren werden und erzählt etwas über die ursprüngliche Art der Schafzucht und wie die Gauchos früher waren. "Wir zogen frei durch die Pampa und lebten von verwilderten Rindern." Doch dann wurde die Viehwirtschaft organisiert und die Gauchos begannen ihre Besitzungen einzuzäunen und spezialisierten sich auf Rinder, Schafe oder Pferde. Die Landwirtschaft bildet auch heute noch das Rückgrat der argentinischen Wirtschaft, mehr als die Hälfte aller Exporterlöse werden damit erzielt.  Rinder sind dabei besonders wichtig, aber   immerhin auch 28 Millionen Schafe und drei Millionen Pferde werden heute in Argentinien gehalten. Antonio führt uns herum, lässt Louisa Guanacos streicheln. Das sind Tiere, die zur Familie der Lamas gehören.

Als wir bei einem Tee in der großen Halle der Estancia sitzen, lernen wir Soledad kennen. Die hübsche Frau stammt aus Buenos Aires, hat Sozialwissenschaften studiert und ist in den ruhigen Süden gezogen. Sie lädt mich zu einem Mate ein. Die Spanier nannten das Getränk der Ureinwohner yerba mate, Matekraut. Dabei hat es nichts mit Kraut zu tun, sondern stammt von einem Stechpalmengewächs, einer zehn Meter hohen Mischung aus Baum und Strauch. "Die Triebe der Pflanze werden über dem Feuer getrocknet und dann zerrieben", erklärt Soledad.
Sie reicht mir eine goldene Kalebasse in der sie das grüne Pulver aufgebrüht hat. Ein silbernes Röhrchen schaut heraus, durch das man wie durch einen Strohhalm trinkt. Der Mate schmeckt ähnlich wie schwarzer Tee. Das Gefäß geht von einem zum anderen. Wenn es alle ist, wird mit Wasser aufgegossen.

Nun gesellen sich auch Alfredos Frau Christina und ihr Sohn Mathies dazu. Eine gemütliche Runde und wie schon so oft auf dieser Weltreise fühlen wir uns wie bei Freunden, dieses Mal eben auf einer Estancia mitten in Patagonien. Jeder erzählt seine Geschichten. Malvina spricht die deutsche Sprache perfekt. Ihr Großvater stammte aus Bremen. Er war Einkäufer für ein Bekleidungshaus, hatte geschäftlich in Patagonien zu tun und bekam von einem Geschäftsfreund eine Estancia zum Kauf angeboten. "Ist es nicht verrückt, welche Wege das Leben manchmal nimmt?", fragte die über 70-Jährige nachdenklich. "Normalerweise hätte ich in Deutschland gelebt."
Zum Abschied empfiehlt uns Soledad ein Restaurant in Puerto Madryn, der Stadt, wo unsere "MS Amadea" vor Anker liegt. Wir verabreden uns für den Abend und verabschieden uns von Alfredo und seiner Familie.

Malvina nimmt uns wieder mit zurück nach Puerto Madryn. Die Weiten der Pampa gleiten an uns vorbei. Patagonien ist eine wilde und einsame Gegend und nimmt ein Drittel der Fläche Argentiniens ein. Hier gibt es felsige Küsten und eine karge Landschaft, die Charles Darwin nach einer Reise auf seinem Segelschiff "Beagle" so beschrieben hat: "...doch werden diese Ebenen als kümmerlich und nutzlos bezeichnet. Sie können auch nur mit negativen Eigenschaften belegt werden: keine menschlichen Siedlungen, kein Wasser, keine Bäume, keine Berge; nur ein paar Zwergpflanzen halten sich dort." So sieht es aus. Karg, trocken und staubig. Aber nicht an der Küste. Da ist das Leben. Millionen von Pinguinen, See-Elefanten und Seelöwen leben dort. Mehr dazu – morgen.
PS: Der Besuch in Puerto Madryn bescherte uns eine kleine "Sturm-Pause".

Anja K. Fließbach: Montag, 22 Januar 2007, 22:14 Uhr

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(Letzte Aktualisierung: 29.01.2007)